Markenlexikon

North American Aviation

Ursprungsland: USA

Der kanadische Finanzier Clement Melville Keys (1876 – 1952) erwarb in den 1920er Jahren zahlreiche Beteiligungen an Flugzeugfirmen und Fluggesellschaften (Berliner-Joyce Aircraft, China Airways Federal, Curtiss Aeroplane and Motor, Curtiss Caproni, Curtiss Robertson Airplane, Douglas Aircraft, Eastern Air Transport, Ford Instrument, General Aircraft, Intercontinental Aviation, Keystone Aircraft, Moth Aircraft, North Aircraft, Pitcairn Aviation, Sperry Gyroscope, TWA Transcontinental and Western Air, Travel Air, Western Air Express, Wright Aeronautical), die er 1928 in die Holdinggesellschaft North American Aviation (Dundalk/Maryland) einbrachte.

Nachdem sich das Unternehmen 1934 auf Druck der Kartellbehörden von den meisten Beteiligungen getrennt hatte, spezialisierte sich North American Aviation (NAA) unter Leitung des früheren Douglas-Aircraft-Chefkonstrukteurs und Vizepräsidenten James Howard (Dutch) Kindelberger (1895 – 1962) auf den Flugzeugbau.

1933 verkaufte General Motors seine Flugzeugbausparte General Aviation Manufacturing Corporation an North American Aviation und wurde so zum NAA-Mehrheitsaktionär (1948 veräußerte GM diese Anteile wieder). GM hatte 1930 die Fokker Aircraft Corporation of America übernommen, die 1923 als Tochtergesellschaft der niederländischen Flugzeugfirma Fokker gegründet worden war. 1935 verlegte North American Aviation seinen Firmensitz wegen des ganzjährig guten Flugwetters nach Inglewood/El Segundo, an den südöstlichen Rand des Flughafens von Los Angeles, direkt gegenüber der Douglas-Flugzeugwerke. Während des Zweiten Weltkriegs eröffnete NAA zwei weitere Werke in Grand Prairie/Texas (Dallas Plant) und Kansas City/Kansas (Fairfax Industrial District). Daneben nutzte NAA auch die Air-Force-Werke in Columbus/Ohio (Air Force Plant 85), Downey/California (Air Force Plant 16) und Palmdale/California (Air Force Plant 42).

North American Aviation
North American Aviation

Das erste Flugzeug der neuen Firma war die einmotorige NA-16/T-6 Texan (1938 – 1944), ein Schulflugzeug, von dem unter verschiedenen Bezeichnungen und Varianten über 15.000 Exemplare gebaut wurden. Fast alle amerikanischen Militärpiloten des Zweiten Weltkriegs erhielten auf diesem Typ ihre Ausbildung. Die T-6 wurde auch in viele andere Länder exportiert.

Zu den wichtigsten Flugzeugen der Firma gehörten der Bomber B-25 Mitchell (1940 – 1945; 9984 Exemplare), der Abfangjäger P-51 Mustang (1940 – 1948; 15.858 Exemplare), der Allwetterabfangjäger F-86 Sabre (1947 – 1956; 9860 Exemplare), der Business-Jet T-39 Sabreliner (1958 – 1980; 212 Exemplare) und das von einem Raketenmotor angetriebene Forschungsflugzeug X-15 (Erstflug 1959; 3 Exemplare), das eine Geschwindigkeit von über Mach 7 erreichte und in einer Höhe von über 100 Kilometern fliegen konnte. Die X-15 basierte auf einem von Walter Dornberger für die NACA (ein Vorgänger der NASA) entwickelten Konzept für ein Hyperschallforschungsflugzeug. Dornberger war von 1935 bis 1945 Leiter der Heeresversuchsanstalt Peenemünde gewesen, wo Wernher von Braun die erste einsatzfähige Boden-Boden-Rakete mit Flüssigkeitstriebwerk entwickelt hatte (A4/V2).

1955 gründete North American Aviation die Rocketdyne-Division. Das in Canoga Park/California ansässige Unternehmen entwickelte und produzierte die Triebwerke für die Raketen Atlas, Delta, Jupiter, Redstone (Trägerraketen für das Mercury-Programm), Saturn (Apollo-Programm), Thor sowie die Haupttriebwerke der Raumfähren Atlantis, Columbia, Challenger, Discovery und Endeavour. Im Verlauf der 1960er Jahre entwickelte und baute North American Aviation auch die Apollo-Raumkapseln, mit denen die amerikanischen Astronauten in die Mondumlaufbahn gelangten. Die Landemodule kamen von Grumman.

North American Aviation
North American Aviation

Anfang der 1960er Jahren, also zur gleichen Zeit, als die Produktion der Boeing B-52 Stratofortress in Wichita/Kansas beendet wurde, vergab die U.S. Air Force an North American Aviation einen Auftrag zur Entwicklung eines neuen strategischen Intercontinental-Bombers, der die B-52 ersetzten sollte. Der Prototyp der Mach-3-schnellen B-70 Valkyrie absolvierte ihren Jungfernflzug im September 1964, doch kurz darauf beschloss die US-Regierung die Fernbomber durch Raketen zu ersetzen, sodass außer den beiden Prototypen XB-70-01 und XB-70-02 keine weiteren Flugzeuge dieses Typs gebaut wurden. XB-70-02 stürzte 1966 nach der Kollision mit einer Begleitmaschine ab, die XB-70-01 steht heute im National Museum of the United States Air Force in Dayton/Ohio.

1967 schloss sich North American Aviation mit der Rockwell Standard Corporation zur North American Rockwell Corporation zusammen. Rockwell Standard war ursprünglich ein Fahrzeugzulieferer (Axen, Lenkwellen) gewesen, hatte aber 1960 die Aero Design and Engineering Company aus Oklahoma City übernommen, einen Hersteller von einmotorigen Leichtflugzeugen (Aero Commander). 1973 benannte sich die North American Rockwell Corporation in Rockwell International Corporation (Pittsburgh/Pennsylvania) um; die Flugzeugbausparte firmierte anschließend als North American Aircraft Operations.

Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash, Public Domain