Markenlexikon

VW

Ursprungsland: Deutschland

Im Juni 1934 beauftragte die nationalsozialistische Regierung den Autokonstrukteur Ferdinand Porsche (1875 – 1951), der seit 1930 in Stuttgart ein eigenes Konstruktionsbüro betrieb, mit dem Entwurf eines einfachen und preiswerten Volkswagens, der das deutsche Volk motorisieren sollte. Die gleiche Idee hatte Porsche schon früher gehabt, allerdings waren alle Projekte, die er mit NSU, Wanderer und Zündapp verwirklichen wollte, letztendlich gescheitert. Das Volkswagen-Projekt stieß bei der deutschen Autoindustrie auf wenig Gegenliebe, schließlich hatten die Auto-Union (Audi, DKW, Horch, Wanderer) und Opel selbst recht billige Autos im Programm. Außerdem versprach die Preisvorgabe von unter tausend Reichsmark auch bei einer größeren Serienfertigung zu geringe Gewinne. Die Unterstützung durch die Autohersteller war dann zunächst auch so dürftig, dass Porsche die ersten drei Prototypen mit einigen Mitarbeitern noch in seiner Privatgarage in Stuttgart bauen musste. Trotzdem schaffte er es, die gesetzte Frist von einem Jahr einigermaßen einzuhalten. Im Oktober 1935 war der erste Volkswagen fertig.

Die charakteristische Karosserie hatte der Karosseriebauer Erwin Komenda (1904 – 1966), der Leiter von Porsches Karosserieabteilung, entworfen. Er designte später auch den ersten Porsche-Sportwagen (Typ 356). 1938 begann in der Nähe von Fallersleben der Bau des Volkswagen-Werks sowie einer dazugehörigen Arbeiterwohnstadt (das spätere Wolfsburg). Die Auswahl des Standortes hatte strategische Gründe; er sollte in der Mitte Deutschlands und in der Nähe günstiger Verkehrswege liegen (Autobahn, Eisenbahnstrecke, Mittellandkanal). Den Preis des Autos von 990 Mark mussten die zukünftigen Käufer durch ein Sparsystem finanzieren (fünf Mark pro Woche wurden auf ein Sperrkonto überwiesen). Die Produktion des Volkswagens begann im April 1939. Bis zum Kriegsausbruch verließen jedoch nur einige wenige Fahrzeuge die Bänder, dann musste das Werk für die Rüstung arbeiten (Gelände- und Schwimmfahrzeuge).

VW
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Erst im August 1945 lief die reguläre VW-Produktion unter Regie der britischen Besatzungsbehörden wieder an. Die ersten Fahrzeuge wurden zunächst nur als Reparationsleistung an die Alliierten geliefert sowie an einige Behörden wie die Deutsche Post und das Deutsche Rote Kreuz. Porsche bekam für die Weiterentwicklung des Käfers von VW monatlich vierzigtausend Mark (später bis zu 480.000 DM), außerdem eine Lizenzgebühr von 0,1 Prozent des Bruttolistenpreises (damals rund fünf DM pro verkauftem Fahrzeug) sowie die Alleinvertretung von VW in Österreich. Da Henry Ford II. das teilweise zerstörte VW-Werk nicht haben wollte und sich auch in Großbritannien kein Interessent fand, gaben es die Briten 1948 an Deutschland zurück. Ein britischer Untersuchungsbericht hatte den VW-Käfer zuvor als »nicht nachahmungswürdige Konstruktion« bezeichnet.

1960 wurde Volkswagen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt; sechzig Prozent der Aktien gingen an Kleinaktionäre, u. a. die Angestellten, und jeweils zwanzig Prozent verblieben im Besitz der Bundesrepublik (diese Anteile wurden bis 1988 verkauft) und des Landes Niedersachsen.

Bis zu dieser Zeit baute Volkswagen ausschließlich den Käfer in verschiedenen Motor- und Ausstattungsvarianten sowie seit 1950 einen Kleintransporter/Kleinbus auf Käferbasis. Da sich der Käfer auf der ganzen Welt außergewöhnlich gut verkaufte, machte man sich lange keine Gedanken über einen Nachfolger. Zwar hatte Volkswagen seit 1961 die Limousine VW 1500/1600 im Programm, aber ein echter Käfer-Nachfolger war noch nicht in Sicht. In den 1960er Jahren übernahm Volkswagen die Auto-Union Ingolstadt (1964/1966; Audi, DKW) und die NSU Motorenwerke Neckarsulm (1969) und schloss beide Unternehmen zusammen. Das gerade entwickelte Mittelklassemodell NSU K-70 kam 1970 als VW K-70 auf den Markt. Es war das erste frontgetriebene Fahrzeug von VW.

VW
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Inzwischen wurde immer klarer, dass die Zeit des Käfers zu Ende ging. Seine Technik war in den frühen 1970er Jahren längst überholt und die Verkaufszahlen zeigten allmählich fallende Tendenz. Kaum noch jemand baute Autos mit Heckmotoren und die Karosserie stammte aus den 1930er Jahren. Zudem wurde Volkswagen 1969 von Fiat und 1971 von Opel als führender europäischer Autohersteller überholt. Glücklicherweise hatte die VW-Tochter Audi 1972 den Audi 80 auf den Markt gebracht. Aus diesem Modell machte man 1973 den ersten VW der neuen Modellgeneration, den frontgetriebenen Passat. Trotzdem geriet Volkswagen zunächst arg ins Schlingern.

Erst der Golf von 1974 brachte den Durchbruch. Das richtungweisende Styling stammte von Italdesign (Giorgetto Giugiaro), wo einige Jahre zuvor bereits der erfolgreiche Alfasud von Alfa-Romeo entworfen worden war – im Prinzip ein ähnliches Design wie der Golf. Der Golf – in den USA bekam er den Namen Rabbit – wurde weltweit zu einem Erfolg, wie zuvor schon der Käfer. Gleichzeitig endete in Wolfsburg die Käfer-Produktion nach knapp zwölf Millionen Fahrzeugen. In Emden wurde er noch bis 1978 produziert, in Brasilien bis 1986, in Nigeria, Uruguay und Peru bis 1987, und in Mexiko endete die Produktion erst 2003. In Deutschland hatte man den offiziellen Import des Käfers bereits 1986 eingestellt. Insgesamt sind rund 21,5 Millionen Fahrzeuge dieses Typs in zwanzig Ländern gebaut und in 151 Staaten verkauft worden.

Mit den Modellen Polo/Derby (Kleinwagen), Golf/Jetta (Kompaktklasse), Passat (obere Mittelklasse), Scirocco (Sportwagen), Caddy (Pickup-Truck) und dem leichten Lastwagen MAN-VW LT, die alle wesentlichen Fahrzeugklassen der damaligen Zeit abdeckten, schaffte Volkswagen den Aufstieg zu einem der führenden Automobilkonzerne der Welt, dem inzwischen auch zahlreiche andere Fahrzeughersteller gehören (Audi, Bentley, Bugatti, Ducati, Lamborghini, MAN, Navistar International, Porsche, Scania, Seat, Škoda). In den 1990er und 2000er Jahren kamen noch weitere Fahrzeugklassen wie Kleinstwagen (Fox, Lupo, Up), Kompakt-SUV (Tiguan), Kompakt-Vans (Touran), Mini-SUVs (T-Cross), Oberklasse-Limousinen (Phaeton), SUV (Touareg) und Vans (Sharan) hinzu.

Von 2005 bis 2009 beteiligte sich Porsche mit über fünfzig Prozent an Volkswagen und wurde damit größter Anteilseigner des langjährigen Partners aus Wolfsburg. Beide Unternehmen hatten schon seit mehreren Jahrzehnten bei verschiedenen Fahrzeugprojekten eng zusammengearbeitet. Infolge der weltweiten Wirtschaftskrise 2008/2009 kam Porsche jedoch in finanzielle Schwierigkeiten, die dazu führten, dass Volkswagen schließlich Porsche übernahm (die Übernahme wurde 2012 abgeschlossen). Die 2007 gegründete Porsche Automobile Holding, die sich im Besitz der Familien Porsche und Piëch befindet, ist nun größter Anteilseigner (über fünfzig Prozent) des Volkswagen-Konzerns, gefolgt vom Land Niedersachsen (zwanzig Prozent) und der Qatar Holding aus Katar.

VW
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2015 entdeckten Ermittler der US-Umweltbehörde Environmental Protection Agency (EPA) illegale Abschalteinrichtung in der Steuerung der Dieselmotoren des VW-Konzerns, mit deren Hilfe die strengen US-amerikanischen Abgasnormen umgangen wurden. Der Abgasskandal, der bald auch auf andere Autohersteller übergriff, die ähnliche Techniken einsetzten, führte nicht nur zu einem enormen Imageverlust, hohen Schadensersatzforderungen, Fahrzeugrückrufen und zum Rücktritt mehrerer VW-Manager (u. a. der damalige VW-Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn und Audi-Chef Rupert Stadler), sondern letztlich auch zum konsequenten Umdenken in Richtung Elektromobilität. 2019 brachte Volkswagen mit dem ID.3 (ID = Intelligentes Design) erstmals ein rein als Elektroauto konzipiertes Fahrzeug auf den Markt. Der Vorgänger e-Golf, der von 2013 bis 2020 gebaut wurde, basierte dagegen auf dem Verbrenner-Golf. Die ID-Familie, die inzwischen aus dem ID.3 (Kompaktklasse; seit 2019), dem ID.4 (SUV; seit 2020), dem ID.5 (SUV; seit 2021) und dem ID.Buzz (Kleinbus; seit 2022) besteht, sollte in den nächsten Jahren nach und nach die Verbrenner-Modelle ersetzen. Die Verkäufe blieben jedoch bisher hinter den Erwartungen zurück.

Volkswagen betreibt weltweit 119 Produktionsstandorte (davon 72 fahrzeugproduzierende Werke) mit rund 650.000 Mitarbeitern (Stand 2022).

Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Pixabay.com, Public Domain