Markenlexikon
Der Kaufmann Assar Thorvald Nathanael Gabrielsson (1891 – 1962) und der Ingenieur Erik Gustaf Larson (1887 – 1968), zwei Angestellte der Svenska Kugellagerfabriken (SKF), hatten in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre die Idee, ein Auto zu bauen, das den rauen klimatischen Bedingungen Skandinaviens besser angepasst war, als die damals weit verbreiteten amerikanischen Importfahrzeuge. Die SKF-Unternehmensleitung war von den ersten zehn Testfahrzeugen, die Gabrielsson auf eigene Kosten bauen ließ, derart beeindruckt, dass man nicht nur das nötige Kapital für die Firmengründung, sondern auch den von SKF seit 1915 geschützten Namen Volvo (lat. wälzen, rollen) beisteuerte. 1927 wurde schließlich das Unternehmen Volvo gegründet, das sich bis 1935 mehrheitlich im Besitz von SKF befand.
Das erste Serienfahrzeug von Volvo, der Volvo ÖV4, kam im Frühjahr 1927 auf den Markt, gefolgt vom Volvo PV4 im Sommer 1927. Diese beiden Modelle blieben bis 1929 in Produktion, wobei in dieser Zeit insgesamt nur knapp eintausend Exemplare gefertigt wurden.
In Lundby bei Göteborg, wo sich das Werk befand, entstanden von Anbeginn qualitativ hochwertige und teure Autos, die sich schon sehr früh durch hohe Sicherheitsstandards auszeichneten. Dass sie sich außerhalb Schwedens mit wenigen Ausnahmen nicht besonders gut verkauften, lag vor allem an der markanten, mitunter recht eigenen Optik. Mit dem Styling stand übrigens auch Saab, der zweite schwedische Autohersteller, seit jeher auf Kriegsfuß. Eine der wenigen Ausnahmen war das von Ghia und Frua gestylte zweisitzige Sportcoupé Volvo P1800 (1961 – 1972 ), das anfangs aus Kapazitätsgründen nicht nur in Großbritannien gebaut wurde (von Jensen Motors in West Bromwich/England), sondern zum Ärger der britischen Autohersteller auch in der damals recht populären Krimiserie »The Saint« (»Simon Templar«) mit dem späteren James-Bond-Darsteller Roger Moore zu Filmehren kam.
Die sogenannten Buckel-Volvos PV444 (1946 – 1958) und sein Nachfolger PV544 (1958 – 1969) waren die ersten Fahrzeuge von Volvo, die in Großserie hergestellt wurden. Der Volvo 120/130 Amazon (1957 – 1970) begründete den Ruf Volvos als Hersteller besonders sicherer Fahrzeuge. In den späten 1950er Jahren führte Volvo beispielsweise regelmäßig Crashtests mit seinen Fahrzeugen durch, was dazu führte, dass alle Modelle ab 1959 serienmäßig mit Dreipunktgurten auf den Vordersitzen ausgestattet wurden.
Für die neue Designlinie der Volvo-Modelle ab Mitte der 1960er Jahre war der norwegische Designer Jan Wilsgaard (1930 – 2016) verantwortlich. Das erste dieser neugestalteten Fahrzeuge war der Volvo 144 (1966 – 1974). Das kantige, massiv und solide wirkende Design sollte vor allem die Sicherheit der Volvo-Fahrzeuge hervorheben. Das bis heute meistverkaufte Volvo-Modell war der kantige und solide Volvo 240 (1974 – 1993), der nicht nur über ein enormes Platzangebot verfügte (besonders der Kombi), sondern auch über eine umfangreiche Sicherheitsausstattung. Eine größere Variante war der Volvo 260 (1974 – 1984). Die amerikanische Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA wählte den Volvo 240 im Jahr 1976 zum Referenzfahrzeug zur Festlegung von Sicherheitsnormen für Importfahrzeuge aus. Der von 1976 bis 1984 gebaute Volvo 264 TE (Top Executive) wurde vor allem von Staatsfuhrparks als Repräsentationsfahrzeug verwendet.
Wesentlich erfolgreicher als im Pkw-Bereich agierte Volvo auf dem Nutzfahrzeugsektor. 1928 kam der erste Volvo-Lastwagen auf den Markt, ein Anderthalbtonner mit Vierzylinder-Benzinmotor; gleichzeitig entstand der erste Bus, dessen Karosserie noch auf ein Lkw-Chassis montiert wurde. Ab den 1950er Jahren gab es auch Traktoren und Baumaschinen, die aufgrund diverser Firmenübernahmen (1950 BM Bolinder-Munktells, 1990 Zettelmeyer, 1991 Akermans, 1997 Champion Road Machinery, 1998 Samsung Heavy Equipment) und Jointventures (1985 – 1995 VME Volvo-Michigan-Euclid) unter verschiedenen Namen auf den Markt kamen. In den 1980er und 1990er Jahren konzentrierte sich Volvo immer mehr auf die Baumaschinen- und Nutzfahrzeugaktivitäten. 1981 übernahmen die Schweden den US-Truckhersteller White, der von 1988 bis 1997 gemeinsam mit General Motors betrieben wurde. 1997 übernahm Volvo dieses Unternehmen ganz.
1941 beteiligte sich Volvo mehrheitlich an dem Flugmotorenhersteller NOHAB aus Trollhättan, der daraufhin in Svenska Flygmotor umbenannt wurde. Die Firma, die ab 1970 vollständig zu Volvo gehörte und ab 1994 als Volvo Aero firmierte, produzierte vor allem Flugzeugtriebwerke von General Electric, Pratt & Whitney und Rolls-Royce in Lizenz. 2012 verkaufte Volvo dieses Unternehmen an den britischen GKN-Konzern.
2001 erwarb Volvo die Nutzfahrzeugsparte von Renault (R.V.I. Renault Véhicules Industriels), zu der auch der US-Truckhersteller Mack Trucks gehörte. Im Gegenzug erhielt Renault eine Beteiligung an Volvo, die 2010 wieder abgegeben wurde. Eine weitere Akquisition war 2006/2007 der japanische Motorenhersteller Nissan Diesel, der seit 1950 teilweise zum Autohersteller Nissan gehört hatte und deswegen dessen Namen trug.
Die Tochtergesellschaft Volvo Car, die für die Entwicklung und Produktion der Pkw zuständig war, verkaufte Volvo 1999 an den Ford-Konzern, der seine europäischen Autofirmen (Aston-Martin, Jaguar, Land-Rover, Volvo) zwischen 2007 und 2010 wieder veräußerte. Volvo Car wurde 2010 von dem chinesischen Autohersteller Geely übernommen, dem inzwischen auch The London Taxi Company (seit 2013), Proton aus Malaysia (seit 2017) und der britische Sportwagenbauer Lotus Cars (seit 2017) gehören. 2017 erwarb Geely auch eine Beteiligung an dem Baumaschinen- und Nutzfahrzeugkonzern Volvo.
Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Pixabay.com, Public Domain