Markenlexikon

Vidal Sassoon

Ursprungsland: Großbritannien

Vidal Sassoon (1928 – 2012) wuchs in ärmlichen Verhältnissen im Londoner East End auf. Der Vater verließ die Familie schon früh, die Mutter war so arm, dass sie ihn und seinen Bruder zeitweise in einen Waisenhaus geben musste. Im Alter von 14 Jahren begann Sasson auf Wunsch seiner Mutter eine Friseurlehre, was ihm anfangs gar nicht gefiel. Nach einer Weile fand er jedoch Gefallen an dem Job. Aufgrund seiner jüdischen Abstammung beteiligte er sich 1948 am Unabhängigkeitskrieg Israels.

1954 eröffnete er in der teuren Bond Street, im Londoner Stadtteil Mayfair, seinen ersten eigenen Friseursalon (1958 folgte ein zweiter in London und 1964 der erste in New York). Vidal Sassoon war bekannt dafür, dass er die Wünsche seiner Kundinnen oft ignorierte und die Haare schnitt, wie er es für richtig hielt. Das führte einerseits zu häufigen Streits, andererseits aber auch dazu, dass er seinen eigenen Stil entwickeln konnte. Er betrieb das Friseurhandwerk wie ein Architekt und arbeitete nach dem Motto »Die Form folgt der Funktion«. Vor allem Kurzhaarschnitte hatten es ihm angetan, sehr zum Ärger der Männer.

Durch die Bekannschaft mit der Modedesignerin Mary Quant, der Erfinderin des Minirocks, kam er in Kontakt zu Models und Schauspielerinnen. Seinen internationalen Durchbruch hatte er 1960, als der der Schauspielerin Nancy Kwan für ihre Rolle in dem Film »Die Welt der Suzie Wong« einen Bob verpasste. Diese Frisur war bereits in den 1920er Jahren populär gewesen. Die Fotos der Schauspielerin im Modemagazin Vogue lösten einen weltweiten Bob-Boom aus. Der Schnitt war auch deswegen so beliebt, weil die Haare ohne Styling immer wieder in die ursprüngliche Position zurückfielen.

Auch der Kurzhaarschnitt von Mia Farrow im Film »Rosemaries Baby« (1968) stammte von Vidal Sassoon. Allerdings kam er eher auf unfreiwillige Art zustande. Nachdem sich die Schauspielerin von ihrem damaligen Ehemann Frank Sinatra getrennt hatte, schnitt sie sich die Haare selbst ab. Das Ergebnis sah schlimm aus. Roman Polanski, der Regisseur von »Rosemaries Baby«, reif dann Vidal Sassoon an, der extra nach Los Angeles flog, um die ruinierten Haare von Mia Farrow mit Hilfe eines radikalen Kurzhaarschnitts zu retten. Diese Episode wurde aus PR-Gründen auch in den Film eingebaut. In einer Szene kam die Haupttdarstellerin plötzlich mit kurzen Haaren durch die Tür und sagte: »Das ist Vidal Sassoon«. Ihr Mann antwortete daraufhin: »Dafür wirst du ja hoffentlich nicht bezahlt haben.«

Während die Männer mit den Kurzhaarschnitten ihre Probleme hatten, kamen sie bei Frauen außergewöhnlich gut an. Das lag zum einen an der Pflegeleichtigkeit dieser Frisuren, anderseits waren sie auch ein radikaler Bruch mit alten Traditionen und Rollenbildern, die gut in die rebellischen 1960er Jahre passten.

1973 etablierte Vidal Sassoon seine eigene Haarpfleglinie. Mit diesen Produkten, die von verschiedenen Firmen in Lizenz hergestellt wurden und werden (u.a. ab 1980 Helen of Troy Corporation, ab 1983 Richardson-Vicks, ab 1985 Proctor & Gamble, ab 2015 Coty, ab 2020 Wella). Später vermarktete die US-Firma Conair auch Haar- und Bartpflegeräte unter der Marke VS Sassoon. Die Idee zu den Pflegeprodukten soll der Schauspieler Michael Caine gehabt haben, dem Vidal Sassoon ebenfalls die Haare schnitt. 2003/2004 verklagte Vidal Sassoon den Konsumgüterkonzern Proctor & Gamble, weil der die Vidal-Sassoon-Produkte in Nordamerika und Europa zuvor vom Markt genommen hatte, während sie in Asien weiterverkauft wurden. Proctor & Gamble behauptete die Produkte hätten sich nur noch schlecht verkauft, Vidal Sassoon war dagegen der Meinung, der Konzern bevorzugte seine anderen Haarpflegemarken Pantene und Clairol Herbal Essences. Tatsächlich war der Umsatz von 1992 (344 Millionen Dollar) bis 2002 (56 Millionen Dollar) stark zurückgegangen. Schließlich kam es zu einem Vergleich zwischen den beiden Parteien und P&G behielt die Rechte an der Marke. Mit den Shampoos verdiente Vidal Sassoon durch die Lizenzgebühren wesentlich mehr Geld, als mit seinen Friseursalons.

1980 zog sich Vidal Sassoon aus dem aktiven Geschäft zurück und verkaufte seine Friseursalons. Seit 2002 gehört die Vidal-Sassoon-Kette (damals 25 Salons) und die Friseurschulen (damals vier; die erste eröffnete 1966 in London) der US-Friseurkette Regis Corporation.

Text: Toralf Czartowski