Markenlexikon

Victor / Victrola

Ursprungsland: USA

Der Nähmaschinenmechaniker Eldridge Reeves Johnson (1867 – 1945) entwickelte 1896 für die bis dahin handbetriebenen Grammophone des Schallplatten-Erfinders Emile Berliners ein Federwerk, sodass sie wie eine Uhr automatisch liefen. Johnsons kleine Werkstatt in Camden/New Jersey, die 1894 eröffnet worden war, übernahm fortan nicht nur den Einbau der Uhrwerke, sondern die gesamte Grammophon-Produktion. Bald kam es jedoch zwischen Emile Berliner und Frank Seaman, dessen National Gramophone Company die Geräte vermarktete und verkaufte, zu Streitigkeiten. Seamann gründete die Universal Talking Machine Company und produzierte nun eigene Geräte, die er Zonophone (Zon-O-Phone) nannte. Das führte zu einer ganzen Reihe von komplizierten Prozessen, die Berliner verlor, weil er bei seinen Gramophonen ein Patent der Columbia Phonograph Company verletzt hatte (die schwingende Nadel der Columbia Graphophone). Ab Juni 1900 durfte er seine Grammophone nicht mehr in den USA verkaufen. Emile Berliner ging daraufhin nach Montréal (Kanada), wo er bereits 1899 eine Niederlassung gegründet hatte. Außerdem kümmerte er sich um den weiteren Aufbau der europäischen Tochtergesellschaften.

Als sich Emile Berliner aus den USA zurückziehen musste, verlor Johnson seinen größten Auftraggeber. Notgedrungen gründete er in Camden die Consolidated Talking Machine Company und baute eigene Grammophone. Seaman verklagte auch Johnson, diesmal verlor er den Prozess jedoch. Er konnte lediglich erreichen, dass Johnson die Marke Gram-O-Phone nicht mehr benutzten durfte. Ab Dezember 1900 verwendete er daher den Markennamen Victor – als Zeichen seines Sieges über Seaman. Im Oktober 1901 benannte er das Unternehmen schließlich in Victor Talking Machine Company um; an dem neuen Unternehmen war Johnson mit 60 Prozent und Berliner mit 40 Prozent beteiligt. Neben Victor verwendete das Unternehmen auch die Markennamen den Namen Victrola und Electrola (elektrische Plattenspieler).

Victor Victrola
Victor Victrola

Der International Zonophone Company, die Frederick Marion Prescott im März 1901 im Auftrag von Seaman in New York und Berlin gegründet hatte, war dagegen kein langes Leben beschieden. Bereits 1903 wurde die Firma von der britischen The Gramophone Co. Ltd. und der Deutschen Grammophon Gesellschaft aufgekauft, der amerikanische Teil, also die Universal Talking Machine Company, übernahm Victor.

1920 verkaufte Emile Berliner seine Anteile an der britischen Gramophone Company an die Victor Talking Machine Company, 1924 auch die Berliner Gramophone Company of Canada. Emile Berliner hatte sich damals bereits lange aus dem aktiven Geschäftsleben zurückgezogen und sich wieder ganz seinem Erfinderdasein gewidmet. Gemeinsam mit seinem Sohn war er an der Entwicklung von Flugzeugmotoren und den ersten flugfähigen Hubschraubern (1919) beteiligt. Außerdem gründete er die erste kommerzielle Rundfunkstation Montréals.

Eldridge Johnson veräußerte die Victor Talking Machine Company 1927 an die Investmentgesellschaft J&W. Seligman & Company, die sie 1929 an die Radio Corporation of America (RCA) weiterreichte. RCA kam damit nicht nur in Besitz der größten US-Plattenfirma (Victor Talking Machine Company) und der größten europäischen (The Gramophone Co. Ltd.), sondern konnte nun auch das Markenzeichen HMV verwenden.

Im April 1931 schloss RCA-Victor The Gramophone Co. Ltd. (Hayes/Middlessex; Label: His Master's Voice, Electrola, Zonophone) mit der Columbia Graphophone Co. Ltd. (London; Labels: Columbia, Lindström, Odeon, Parlophone, Pathé), einer englischen Tochtergesellschaft der US-amerikanischen Columbia Phonograph Company, zur Electric and Musical Industries Ltd. (EMI) zusammen. Hauptanteilseigner des neuen Konzerns waren RCA-Victor und Louis Sterling, der beide Columbia-Gesellschaften einige Jahre zuvor erworben hatte. Nach der Fusion verkaufte EMI die amerikanische Columbia aus kartellrechtlichen Gründen an den Radiogeräte- und Kühlschrankhersteller Grigsby-Grunow (daraus ging 1938 CBS-Columbia hervor). RCA-Victor verkaufte die EMI-Anteile 1935, behielt aber die nordamerikanischen Rechte am HMV-Logo.

Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Pixabay.com, Public Domain