Markenlexikon
Der in Ungarn geborene Ingenieur Edmond Uher (1892 – 1989) betätigte sich zunächst als Erfinder. Er entwickelte einen Doppelvergaser für Luftschiffe, der von flüssigem Brennstoff (Benzin) auf gasförmigen Brennstoff (Wasserstoff), mit denen Luftschiffe damals gefüllt waren, umgeschaltet werden konnte, Corex-Filmdosen, mit denen sich Filmnegative schneller und kostengünstiger entwickeln ließen und die Fotosetzmaschine Uhertype, bei der die Buchstaben nicht mehr in Blei gegossen werden mussten, sondern als Abbildung negativ oder positiv auf Film oder Fotopapier übertragen wurden.
1934 gründete er in München-Pasing eine Firma, an der zeitweise BMW, MAN und Messerschmitt beteiligt waren. Ein weiteres Zweigwerk entstand 1939 in Wien. Während des Krieges übernahm Uher noch ein Flugzeugarmaturenwerke in Budapest. Die Uher-Werke produzierten u. a. Messinstrumente für die Flugzeugindustrie, Propellersteuerungen, elektrische Warmluftöfen und Betriebsstundenzähler. Die Weiterentwicklung der Fotosetzmaschine wurde jedoch 1939 beendet und die beiden Prototypen verkauft.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ging das Werk in Budapest verloren. In München wurde die Produktion auf zivile Produkte umgestellt. Die Firma fertigte nun vollautomatische Keilriemenkupplungen für Mopeds und Motorroller sowie Automatikgetriebe für Automobile, Modelleisenbahnen und Tonbandgeräte. Das erste Uher-Tonbandgerät (Uher 95) kam 1955 auf den Markt. Bald darauf stellte die Firma, die sich ab 1957 im Besitz von Carl Theodor Graf zu Toerring-Jettenbach und dessen Sohn Hans Veit Kaspar Nikolaus Erbgraf zu Toerring-Jettenbach befand, alle anderen Aktivitäten ein. Weitere Produktionsstätten wurden 1960 in Buchbach, 1962 in München-Obersendling und 1966 in Asch-Leeder in Betrieb genommen. Edmond Uher, der sich nur noch um die Wiener Niederlassung kümmerte, schied 1970 aus dem aktiven Geschäftsleben aus.
Der Durchbruch gelang Uher 1961 mit dem nur 4,5 Kilogramm leichten mobilen Reporter-Tonbandgerät Uher Report, von dem rund 1,5 Millionen Exemplare in die ganze Welt verkauft werden konnten. Das Gerät wurde nicht nur von Reportern verwendet, sondern auch von Rundfunkstudios, Geheimdiensten in Ost und West, Polizeibehörden (FBI), Wetterdiensten, Politikern (US-Präsident John F. Kennedy), Schriftstellern, Filmfiguren (James Bond) und selbst im Weltall kam es in einem Gemini-Raumschiff zum Einsatz. Das »Report« blieb in verschiedenen Ausführungen bis 1999 in Produktion. Die Heimtonbandgeräte von Uher verkauften sich aufgrund ihres hohen Preises jedoch weniger gut. In den 1970er Jahren produzierte das Unternehmen auch eine Zeitlang Kassettengeräte und Verstärker.
Die Invasion der japanischen Unterhaltungselektronikkonzerne Anfang der 1970er Jahre brachten Uher wie viele andere deutsche Hersteller in finanzielle Schwierigkeiten, die 1974 zum Verkauf an die Firma Assmann aus Bad Homburg führten, einen 1946 gegründeten Hersteller von Aufzeichnungs- und Überwachungssystemen. Das Werk München wurde 1980 geschlossen. In den 1980er Jahren lizenzierte Assmann den Markennamen Uher an verschiedene Firmen, die hochwertige HiFi-Komponenten (Harman), aber auch billige Importware wie Radiowecker, Uhrenradios oder Kompakt-Stereoanlagen (Otto-Versand), mit dem bekannten Schriftzug verkauften.
1996 teilte sich Assmann in die vier Unternehmen Atis Systems, Uher, Uher Electronic und Uher Informatik auf. Die Produktion von eigenen Audiogeräten wurde 2013 aufgegeben. Uher Informatik (Braunschweig) vertreibt heute nur noch Produkte für die Bürokommunikation (Diktiergeräte, Drucker, Kopierer, Spracherkennungssoftware) von Fremdfirmen (Canon, Brother, Grundig, Lexmark, Olympus, Philips, Utax).
Text: Toralf Czartowski