Markenlexikon
Die ersten Datingportale oder Singlebörsen, wie sie damals genannt wurden, entstanden bereits in den 1990er und frühen 2000er Jahren (u. a. 1995 Match.com, 2000 FriendScout, 2000 Bildkontakte, 2001 Meetic, 2001 Finya, 2001 Freenet Singles, 2002 LaBlue, 2003 Flirt Fever, 2003 POF PlentyOfFish, 2004 OkCupid). Meist waren sie noch komplett kostenlos, um erst einmal eine gewisse Mitgliederzahl einsammeln zu können. Ab Mitte der 2000er Jahre wurden die Portale mit einigen Ausnahmen nach und nach kostenpflichtig.
Der wirkliche Durchbruch des Online-Datings gelang aber erst, als Sean Rad und Joe Munoz im Rahmen einer Hackathon-Veranstaltung Anfang 2012 die Smartphone-App MatchBox entwickelten, die kurz darauf in Tinder (engl. Zunder) umbenannt wurde. Im September 2012 war sie erstmals in Apples App Store verfügbar. Im Juli 2013 wurde die Android-Version in Googles Play Store veröffentlicht. Aus dem ursprünglichen Startup Cardify (eine Kreditkarten-App), zu dessen Team Sean Rad, Jonathan Badeen, Chris Gulczynski, Justin Mateen, Alexa Mateen und Whitney Wolfe Herd damals gehörten, entstand die Firma Tinder. Finanziert wurde Tinder von der Internet-Holdinggesellschaft IAC InterActiveCorp aus New York (Anyway.com, Ask.com, DailyBurn, Dictionary.com, Gifts.com, Hotwire.com, Expedia, Match.com, Match Group, LendingTree, OkCupid, TripAdvisor, Reference.com, Vimeo) über den Startup-Inkubator Hatch Labs.
Die App war von Anbeginn sehr einfach aufgebaut. Zentrales und auch fast einziges Element ist das Profilbild, das nach rechts gewischt werden kann (gefällt mir) oder nach links (gefällt mir nicht). Haben sich zwei Profile gegenseitig mit »Gefällt mir« markiert, kommt ein Match zustande. Erst dann ist eine gegenseitige Kontaktaufnahme über den internen Chat möglich. Die Suchfunktion ist auf das Alter und den ungefähren Standort beschränkt, der über die GPS-Daten des Smartphones ermittelt wird. Es gibt zwar die Möglichkeit, weitere Informationen im Profil unterzubringen, was aber eher selten genutzt wird. Zudem kann nach diesen Zusatzinformationen nicht gesucht werden.
Anfangs konnte Tinter nur von Usern genutzt werden, die über einen Facebook-Account verfügten. Inzwischen ist eine Anmeldung auch über eine SMS-fähige Mobilfunknummer möglich. Seit 2017 ist Tinder über eine normale Website erreichbar und kann damit von Notebooks oder Desktop-Rechnern aufgerufen werden. Die meisten Tinder-Funktionen sind kostenlos. Daneben gibt es einige kostenpflichtige Premiumfunktionen wie etwa die Möglichkeit zu sehen, wer einen bereits mit »Gefällt mir« markiert hat, die priorisierte Anzeige des eigenen Profils in der Suche oder das Rückgängigmachen eines Likes.
Tinder verbreitete sich ausgehend von der University of Southern California in Los Angeles rasend schnell um die halbe Welt. In den 2010er Jahren wischte sich eine ganze Generation von Jugendlichen und jungen Erwachsenen tage- und stundenlang durch die Profilbilder der App. Wie bei allen Datingapps und -portalen war und ist die Wahrscheinlichkeit ein Match oder gar ein Date zu bekommen jedoch eher gering, zumindest wenn man nicht zu dem kleinen Teil perfekt aussehender Menschen gehört. Trotzdem verdienen Tinder und die Muttergesellschaft Match Group mit ihren Diensten recht gut, da Millionen Nutzer weltweit gerne Geld für die meist vergebliche Hoffnung ausgeben, irgendwann einmal einen Treffer zu landen.
2020 brachte IAC die Match Group (Dallas/Texas) als eigenständiges Unternehmen an die Technologiebörse NASDAQ. Zur Match Group gehören neben Tinder u. a. auch die Datingportale und Dating-Apps Hinge (seit 2018), LoveScout 24 (seit 2014), Match.com (seit 2013), Meetic (seit 2013), neu.de (seit 2013), OkCupid (seit 2011), POF Plenty of Fish (seit 2015), Twoo (seit 2013) und Zweisam.de (seit 2013).
Text: Toralf Czartowski