Markenlexikon

Thomas Cook

Ursprungsland: Großbritannien

Gärtner, Möbeltischler, baptistischer Laienprediger, Buchhändler und Verleger – das waren die Stationen, die Thomas Cook (1808 – 1892) bereits durchlaufen hatte, bevor er 1841 auf die Idee kam Eisenbahnreisen in verschiedene britische Städte zu organisieren. Die erste Reise mit 570 Mitgliedern der damals in Europa weit verbreiteten Abstinenzbewegung (totaler Verzicht auf Alkohol), in der sich Cook stark engegierte, führte im Juli 1841 von Leicester in das nur wenige Kilometer entfernte Loughborough. Nachdem sich diese Städereisen als großer Erfolg erwiesen hatten, dehnte er das Angebot auf mehrere europäische Länder und in den 1860er Jahren auch auf internationale Ziele aus. 1861 organisierte Cook eine Reise von London nach Paris, bei der nicht nur die Fahrtkosten für Eisenbahn und Schiff sondern auch Unterkunft und Verpflegung im Preis inbegriffen waren – damit gilt er als Erfinder der Pauschalreise. Mit Cooks Reisebüro konnte man bald in die USA reisen, Nilkreuzfahrten buchen oder an einer Weltreise teilnehmen; die erste fand 1872 statt und dauerte 222 Tage. Gleichzeitig eröffnete das Reisebüro in vielen Ländern der Welt Niederlassungen. Um die Jahrhundertwende war Thomas Cook der größte Reiseveranstalter der Welt.

1928 verkauften die Erben ihre Aktien an die Compagnie Internationale des Wagons-Lits et des Grands Express Européens (Paris), die französisch-belgische Betreibergesellschaft des Orient-Express. Nachdem die Deutschen 1941 Frankreich besetzt hatten, wurden die britischen Teile von Wagons-Lits – und damit auch Thomas Cook – den vier großen Eisenbahngesellschaften Großbritanniens (Great Western Railway; London and North Eastern Railway; London, Midland and Scottish Railway; Southern Railway) unterstellt. Infolge der Verstaatlichung der britischen Eisenbahnen kam Thomas Cook 1948 unter das Dach des Staatskonzerns British Railways.

1972 verkaufte der Staat Thomas Cook an ein Konsortium, das aus der Midland Bank, der Hotelkette Trust House Forte und dem britischen Automobilclub bestand. 1992 reichte die Midland Bank, seit 1977 Alleineigentümer von Thomas Cook, das Reiseunternehmen an die Westdeutsche Landesbank (WestLB) und die deutsche Charterflugesellschaft LTU weiter.

1995 verleibte sich die WestLB, damals Miteigentümer von LTU, Thomas Cook ganz ein, verkaufte diese Anteile aber 1999 an den Mischkonzern Preussag, zu dem auch Hapag-Lloyd und TUI gehörten. 2001 gab Preussag die Thomas-Cook-Anteile aus kartellrechtlichen Gründen an die erst 1997 entstandene Lufthansa-/Karstadt-Tochter C&N Touristic AG (Air Marin, Aldiana, Alpha Reisebüros, Club 28, Condor Flugdienst, Fischer Reisen, Gut-Reisen, Kreutzer Touristik, NUR Touristic/Neckermann, Royaltur-Hotelgruppe, Terramar, Tip) weiter, die sich daraufhin in Thomas Cook AG umbenannte. Die Thomas-Cook-Firmenzentrale wurde nach dem Zusammenschluss mit C&N nach Oberursel verlegt, wo zuvor NUR Touristic (Neckermann) und C&N ihren Sitz hatten.

Die Umbenennung führte auch dazu, dass die Condor-Flugzeuge ab 2002 im neuen Thomas-Cook-Design flogen (Thomas Cook powered by Condor). 2004 kehrte Thomas Cook jedoch wieder zum alten Markennamen Condor zurück, da sich die Kunden nicht so recht an den neuen Namen gewöhnen konnten, was sich in zurückgehenden Passagierzahlen niederschlug. Die 1999 aus dem Zusammenschluss von Flying Colours Airlines und Caledonian Airways entstandene Charterfluggesellschaft JMC Airlines (ab 2003 Thomas Cook Airlines) trat jedoch weiterhin unter dem Namen Thomas Cook auf. 2003 benannte Thomas Cook den preisgünstigen Reiseveranstalter Air Marin, der seit 1994 zu Condor gehört hatte, in Neckermann Preisknüller um. 2010 kehrte man dann wieder Air Marin zurück.

Thomas Cook
Thomas Cook

2007 erwarb die Thomas Cook AG – nun bereits vollständig im Besitz der KarstadtQuelle AG – den britischen Reiseveranstalter MyTravel Group; der Konzern wurde daraufhin in Thomas Cook Group plc umbenannt und an der Londoner Börse notiert.Die deutsche Gesellschaft firmierte weiterhin als Thomas Cook AG. Anteilseigner waren die KarstadtQuelleAG (52 Prozent) und die My Travel Group (48 Prozent). Anschließend benannte sich die KarstadtQuelleAG in Arcandor AG um. 2009 übernahm Thomas Cook auch die restlichen Lufthansa-Anteile an der Condor Flugdienst GmbH. Eine Fusion von Thomas Cook und Air Berlin scheiterte im Sommer 2008, ebenso kurz darauf eine Zusammenlegung der Fluggesellschaften Condor, Germanwings und TUIfly.

Im Juni 2009 musste die Arcandor AG Insolvenz anmelden; die Thomas Cook Group war davon jedoch nicht betroffen. Die Arcandor-Anteile an Thomas Cook wurden im September 2009 von einem Bankenkonsortium (BayernLB, Commerzbank, Royal Bank of Scotland) an der Londoner Börse an institutionelle Anleger verkauft (u.a. AXA, Lloyds Banking Group, BlackRock, Standard Life Investments, Legal & General Group). 2010 übernahm Thomas Cook den Hamburger Reiseveranstalter Öger Tours; Firmengründer Vural Öger, der das Unternehmen 1969 als Flugdienst für türkische Gastarbeiter gegründet hatte, wechselte daraufhin in den Vorstand von Thomas Cook. Kurz darauf beteiligte sich Thomas mit 50 Prozent an dem russischen Touristik-Unternehmen Intourist.

Im September 2019 musste die Thomas Cook Group plc Insolvenz anmelden und den Betrieb einstellen; wenige Tage später waren auch die deutschen Tochtergsellschaften insolvent. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich weltweit 600.000 Personen, die ihre Reisen und Flüge bei den Gesellschaften der Thomas Cook Group (u.a. Air Marin, Bucher Reisen, Thomas Cook, Neckermann, Öger Tours) gebucht hatten, im Uraub, auf Hin-/Rückflügen oder auf der Anreise zu Flughäfen. Ursache des Konkurses waren vor allem der riesige Schuldenberg (2019 rund 1,9 Milliarden Dollar), die durch die Übernahme von MyTravel entstanden, sowie die daraus resultierenden Zinsen. Eine vollständige Übernahme sowie eine Finanzspritze in Höhe von 900 Millionen Pfund durch den chinesischen Mischkonzern Fosun International, der bereits mit 18 Prozent an dem Touristik-Konzern beteiligt war, scheiterte daran, dass die Banken und die anderen Anteilseigner (vor allem Hedgefonds) auf große Teile ihrer Forderungen hätten verzichten müssen. Allerdings hatten einige Hedgefonds die Thomas-Cook-Schulden in ihrem Besitz mit Credit Default Swaps abgesichert, die nur bei einer Insolvenz zur Auszahlung führen. Die britische Regierung lehnte einen Finanzspritze aus Steuergeldern in Höhe von 200 Millionen Pfund ebenfalls ab. Die Thomas Cook Group plc beschäftigte zuletzt 21.000 Mitarbeiter in 16 Ländern. Die Fluggesellschaft Condor erhielt dagegen vom Bund und dem Land Hessen einen sechsmonatigen Überbrückungskredit in Höhe von 380 Millionen Euro.

Rund einen Monat nach der Insolvenz kaufte Fosun Tourism für 12,74 Millionen Euro die Rechte an dem Markennamen Thomas Cook. Im November 2019 erwarb der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof 106 der 126 deutschen Thomas-Cook-Reisebüros sowie die deutsche Online-Plattform. Galeria Karstadt Kaufhof betrieb bis dahin rund 100 eigene Reisebüros. Öger Tours und den Last-Minute-Anbieter Bucher Reisen übernahm der türkische Reiseveranstalter Anex Tour. Ende November 2019 stellten die deutschen Thomas-Cook-Gesellschaften (Air Marin, Neckermann Reisen, Thomas Cook Signature) ihren Betrieb endgültig ein.

Text: Toralf Czartowski • Fotos: Pixabay.com, Public Domain