Markenlexikon

Tatra

Ursprungsland: Tschechien

Ignác Šustala (1822 – 1881) und Adolf Raška (1825 – 1878) begannen 1850 in Kopřivnice (Nesselsdorf), das damals zu Österreich-Ungarn gehörte, mit der Produktion von Wagen und Kutschen. 1882 kamen Eisenbahnwaggons, 1897 Pkw und 1898 Lastwagen hinzu. 1890 wurde die Firma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt (Nesselsdorfer Wagenbau-Fabriks-Gesellschaft). 1897 trat der österreichische Autokonstrukteur Hans Ledwinka (1878 – 1967) in das Unternehmen ein, 1905 wurde er Chefkonstrukteur und technischer Direktor. Mit einer Unterbrechung von 1917 bis 1921, wo er bei den Steyr-Werken als Chefkonstrukteur angestellt war, blieb Ledwinka bis 1945 bei der Nesselsdorfer Firma. Sein Kleinwagen-Prototyp Tatra V 570 (1933) war einer der Vorbilder des späteren VW Käfers von Ferdinand Porsche (Ledwinka und Porsche waren befreundet). Volkswagen zahlte Tatra 1961 eine Entschädigung von einer Millionen D-Mark wegen Patentverletzung.

Ab 1919 verwendete die Firma, die sich nun in der neugegründeten Tschechoslowakei befand und den Firmennamen Kopřivnická vozovka führte, den Markennamen Tatra – nach dem gleichnamigen Gebirge, wo die Firma eine Teststrecke besaß. 1923 kam es zum Zusammenschluss mit der Ringhoffer AG aus Prag-Smíchov (Schienenfahrzeuge, Kühlanlagen, Produktionsanlagen für Brauereien, Brennereien, Zuckerfabriken). In den späten 1930er Jahren produzierte Tatra auch einige Sport- und Schulflugzeuge.

Obwohl Tatra einige ganz beachtliche Pkw-Modelle auf den Markt brachte, wie zum Beispiel den futuristischen T77 (1934 – 1938; Konstrukteure: Hans Ledwinka und Erich Übelacker) sowie dessen Weiterentwicklung T87 (1937 – 1950; Konstrukteure: Hans Ledwinka, Erich Übelacker und Erich Ledwinka) mit fast vollständig verkleidetem Fahrgestell, Stromlinienkarosserie, stabilisierenden Heckflossen und luftgekühltem Heckmotor, standen doch die schweren Nutzfahrzeuge (Schwerlastzugmaschinen, Trägerfahrzeuge für verschiedenen Aufbauten) sowie Militärfahrzeuge und Busse stets im Vordergrund, erst recht nach der Verstaatlichung 1945, als der Individualverkehr eher eine untergeordnete Rolle spielte. Die ganzen Jahre, in der sich das Unternehmen in staatlicher Hand befand, erschienen nur noch drei Pkw-Baureihen (1956 – 1975: T603, 1974 – 1996: T613, 1996 – 1999: T700), die schon aufgrund ihrer Größe fast ausschließlich als Taxi oder Dienstfahrzeuge für Parteifunktionäre und Betriebsdirektoren Verwendung fanden. 1999 stellte Tatra die PKW-Produktion schließlich ganz ein.

Tatra
Tatra

Die Lkw von Tatra – meist allradangetriebene Dreiachser mit luftgekühlten Dieselmotoren – verkauften sich dagegen auch im Ausland erfolgreich, zeitweise wurden sie in über vierzig Länder exportiert. Besonders markant waren die Langhauber T138 (1961 – 1972) und T148 (1968 – 1982), die es als Trägerfahrzeug mit verschiedenen Aufbauten gab, sowie die Schwerlastzugmaschine T141 (1957 – 1970) und die zwei-, drei oder vierachsige Zugmaschine T813 (1967 – 1982). Der Tatra 815 (1983 – 2008) gewann mehrmals die Rallye Dakar in der Truck-Kategorie (1988, 1994, 1995, 1998, 1999, 2001). Nur der russische Lkw-Hersteller Kamaz war bei dieser Rallye noch erfolgreicher. Auch der Tatra 813 wurde erfolgreich im Motorsport eingesetzt, vor allem bei Trial-Rennen.

Ab 1951 fertigte das Tatra-Werk in Prag-Smíchov gemeinsam mit der Firma ČKD (Českomoravská Kolben-Daněk) aus Prag (elektrische Ausrüstung) Straßenbahnen. Ab 1963 gehörte dieser Bereich ganz zu ČKD. Eine Zeit lang war ČKD-Tatra der weltgrößte Straßenbahnhersteller. Die Modellreihe T3 (1960 – 1989), die auf den amerikanischen PCC-Streetcar-Wagen basierte (Tatra hatte 1949 eine PCC-Lizenz erworben), avancierte mit 13.991 Trieb- und 122 Beiwagen zum meistgebauten Straßenbahnwagen der Welt. Zusammen mit der etwas schmaleren Variante T4 (1967 – 1986), die in Länder mit einem geringeren Gleismittenabstand geliefert wurde (DDR, Jugoslawien, Rumänien, Sowjetunion), waren es sogar 16.626 Exemplare. Das ČKD-Tatra-Straßenbahnwerk in Prag-Zličín, das erst 1996 eröffnet worden war, gehört seit 2001 zu Siemens. Dort werden heute U-Bahn-Wagen und Eisenbahnwaggons hergestellt. Das Werk Smíchov wurde inzwischen abgerissen.

Seit Ende der 1990er Jahre kam es bei Tatra zu wiederholten Eigentümerwechseln. Eine Zeitlang waren Terex (1999 – 2006) und DAF (2011 – 2013) an Tatra Trucks beteiligt. Seit 2017 ist der Industrie- und Rüstungkonzern Czechoslovak Group aus Prag Eingentümer von Tatra. Das Unternehmen produziert weiterhin schwere Nutzfahrzeuge für zivile und militärische Anwendungen (u.a. Tatra 815, Tatra 163 Jamal, Tatra Phoenix, DANA Selbstfahrhaubitze, Nexter Titus Radpanzer).

Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Pixabay.com, Public Domain