Markenlexikon
Infolge der Weltwirtschaftskrise und auf Druck des Eidgenössischen Luftamtes schlossen sich die beiden Fluggesellschaften Ad Astra-Aero Schweizerische Luftverkehrs-AG Zürich (gegründet 1919) und Basler Luftverkehrs AG (Balair; gegründet 1925; benannt nach dem französischen Namen der Stadt Basel, Bâle) 1931 zur Schweizerischen Luftverkehr-Aktiengesellschaft mit Sitz in Kloten (Kanton Zürich) zusammen. Initiatoren der Fusion waren die Piloten Balthasar Zimmermann (1895 – 1937) und Walter Mittelholzer (1894 – 1937), die beide bereits bei Ad Astra-Aero Direktorenposten inngehabt hatten. Das Unternehmen, das privtwirtschaftlich organisiert war, trat unter dem Markennamen Swissair auf, den sich Alphonse Ehinger, einer der Balair-Chefs einfallen lassen hatte. Als Heimatbasis fungierte der Flughafen Dübendorf nordöstlich von Zürich.
Zunächst flog die Swissair mit Flugzeugen von Comte, Curtiss, De Havilland, General Aviation/Clark, Douglas, Fokker, Junkers und Lockheed vor allem Ziele in Europa an. Langstreckenflüge, u.a. nach New York und Südafrika, wurden erst ab 1947 aufgenommen. Zur gleichen Zeit beteiligten sich die Schweizerische Eidgenossenschaft sowie mehrere Kantone und Gemeinden mit rund 30 Prozent an der Schweizerischen Luftverkehr-AG, sodass das Unternehmen dadurch in den Rang einer nationalen Fluggesellschaft erhoben wurde. 1948 verlegte die Swissair ihre Heimatbasis zum neuen Internationalen Flughafen Zürich.
Für eine Charterfluggesellschaft, die man 1953 gemeinsam mit der Stadt Basel ins Leben rief, wurde der alte Name Balair wieder reaktiviert. Im Laufe der 1950er und 1960er Jahre dehnte die Swissair ihr Streckenetz nach und nach auf die ganze Welt aus (Afrika, Indien, Japan, Naher Osten, Südostasien, Südamerika). Aufgrund der Schweizer Neutralität konnten auch politisch schwierige Staaten in Afrika und dem Nahen Osten angeflogen werden, die anderen Airlines verschlossen blieben.
Die Swissair war ähnlich wie die niederändische KLM ein jahrzehntelanger Großabnehmer der Douglas Aircraft Company (später McDonnell-Douglas). Von der DC-2 (die ersten Maschinen dieses Typs wurden 1935 gekauft) angefangen bis hin zur MD-11 standen fast alle Modelle dieses Herstellers in großer Stückzahl im Dienst der Swissair. Daneben kamen auch Modelle von Boeing (erstmals 1971 die 747), Convair (ab 1947) und Sud Aviation (ab 1960 die Caravelle) zum Einsatz. Erst ab den 1980er Jahren bestellte die Swissair auch regelmäßig Flugzeuge bei Airbus (erstmals 1983 die A310).
Die Swissair galt als sehr zuverlässige, qualitätsbewusste und sichere Fluggesellschaft. Zahlreiche Fachzeitschriften verliehen ihr immer wieder Titel wie »Beste Fluggesellschaft Europas« oder »Beste Fluggesellschaft der Welt«. Aufgrund der hohen Standards ließen auch andere Airlines ihre Piloten sowie Bord- und Technikpersonal bei der Swissair schulen. Von 1935 bis 1998 gab es bei Flugunfällen nur 415 Todesopfer, was bei einer Fluggesellschaft dieser Größe ein sehr guter Wert war. Ein Absturz 1970 mit 47 Todesopfern war zudem die Folge eines palästinensischen Terroranschlags. Der schwerste Flugunfall einer Swissair-Maschine ereignete sich 1998, als eine MD-11 vor der kanadischen Küste ins Meer stürzte, wobei alle 220 Insassen ums Leben kamen. Ursache war ein Kabelbrand, der zu einer starken Rauchentwicklung im Cockpit sowie zum Ausfall wichtiger elektrischer und elektronischer Systeme führte.
1987 gehörte die Swissair neben Alitalia, Covia (vorm. Apollo Travel Services), British Airways und KLM zu den Initiatoren des weltweiten Computer-Reservierungssystems Galileo, das auf dem Apollo Travel Services (ATS) von United Airlines basierte. Mit diesem System arbeiten heute weltweit Fluggesellschaften, Hotels, Reisebüros, Autovermieter und Veranstalter.
1988 beteiligte sich die Swissair mit 41 Prozent an der Regionalfluggesellschaft Crossair, die 1978 von Mortiz Suter gegründet worden war. Von 1991 bis 1993 übernahm die Swissair die Mehrheit der Crossair-Aktien. Gemeinsam mit Delta Air Lines, SAS und Singapore Airlines gründete die Swissair 1989 als erste europäische Fluggesellschaft eine Luftfahrt-Kooperation (Global Excellence). Eine weitere Allianz entstand 1990 (European Quality Alliance; Austrian Airlines, Finnair, SAS, Swissair).
Noch bis zum Ende der 1980er Jahre wurde die Swissair wegen ihrer hohen Liquidität und den vielen verschiedenen Geschäftsbereichen (Airline, Flugzeugwartung, Catering, Duty Free Shops, Hotels, Restaurants) von Journalisten gelegentlich »Fliegende Bank» genannt. Die Liberalisierung des Luftverkehrs in Europa ab 1991 (in den USA schon ab 1981) führte jedoch zu einem Überangebot und Verdrängungswettbewerb. Die großen nationalen Airlines waren nun keine Monopolisten mehr, sondern nur noch Marktteilnehmer neben vielen anderen. Der Nichtbeitritt der Schweiz zur Europäischen Union (1992) brachten der Swissair weitere Wettbewerbsnachteile.
Der Versuch mit diversen Beteiligungen Wachstum zu generieren, führte jedoch zu einer immer größer werdenden finanziellen Schieflage. Eine geplante Fusion von Swissair, KLM, SAS und Austrian Airlines scheiterte 1993 an nationalen Widerständen. Ab 1995 beteiligte sich die Swissair an mehreren, teilweise hoch verschuldeten Fluggesellschaften (Air Europe, Air Littoral, AOM, LOT, LTU, Portugália, Sabena, South African Airways, Volare). 1996 wurden alle Aktivitäten der Swissair und dem Dach der SAirGroup gebündelt. 1998 entstand unter Führung der Swissair eine neue Allianz (Qualiflyer Group; AOM French Airlines, Austrian Airlines, Crossair, Sabena, Swissair, TAP Portugal, Turkish Airlines).
Im Frühjahr 2000 wurde die finanzielle Lage der Swissair immer bedrohlicher. Der Terroranschlag vom 11. September 2001 und der damit einhergehende Einbruch des weltweiten Flugverkehrs verschlimmerten die Situation noch weiter. Verzweifelt versuchten der Schweizer Staat und die Großbanken Credit Suisse und UBS das nationale Symbol zu retten. Schließlich einigte man sich darauf, den Markennamen Swissair sowie einen Teil des Streckennetzes und der Flotte (52 Flugzeuge) von der SAirGroup auf die Tochtergesellschaft Crossair zu übertragen, die sich anschließend in Swiss International Air Lines AG (Basel) umbenannte. Dadurch entstand eine neue von finanziellen Altlasten freie Fluggesellschaft. Mit Hilfe staatlicher Kredite konnte die Swissair mit einer kurzen Unterbrechung Anfang Oktober 2001 bis zum 1. April 2002 weiterfliegen. Der Rest der Swissair und die Dachgesellschaft SAirGroup gingen anschließend in Insolvenz.
Aber auch die neue Airline kam nicht aus den roten Zahlen. Schließlich verkauften die Swiss-Aktionäre (Credit Suisse, UBS, Schweizer Eidgenossenschaft, Kanton Zürich) ihre Anteile zwischen 2006 und 2007 an die Deutsche Lufthansa. Dadurch ist die Airline nun Mitglied der Luftfahrtallianz Star Alliance.
Swiss International Air Lines führt von den Drehkreuzen Zürich und Genf aus (bis 2015 auch Basel) weltweite Linienflüge durch. Damit die Rechte an der Marke Swissair nicht verfallen, lässt die Swiss von der Motorfluggruppe Zürich (MFGZ) seit 2011 Rund-, Taxi- und Schulflüge durchführen. Die Kleinflugzeuge tragen das alte Swissair-Logo auf dem Rumpf.
Text: Toralf Czartowski • Fotos: Public Domain