Markenlexikon

Studebaker

Ursprungsland: USA

Mehrere Mitglieder der Solinger Messerschmiede-Familie Staudenbecker (später Stutenbecker) wanderten ab 1736 nach Philadelphia/Pennsylvania aus, wo sie ihren Namen in Studebaker änderten und als Schmiede, Hufschmiede und Stellmacher arbeiteten. John Clement Studebaker (1799 – 1877) gründete 1830 eine eigene Stellmacherei in Gettysburg/Pennsylvania, jedoch verkaufte er bereits 1835 sein Hab und Gut wieder und zog mit seiner Familie weiter nach Ohio. Seinen fünf Söhnen Henry (1826 – 1895), Clement (1831 – 1901), Jacob (1844 – 1887), John (1833 – 1917) und Peter (1836 – 1897) lehrte er ebenfalls das Wagnerhandwerk.

Henry und Clement Studebaker gründeten 1852 in South Bend/Indiana eine gemeinsame Firma, die zunächst nur Teile für Fuhrwerke herstellte, später dann auch komplette Lastwagen, die von vier bis sechs Pferden gezogen wurden (Conestoga Wagon). Mit Beginn des kalifornischen Goldrauschs 1848 waren die diese schweren Planwagen sehr gefragt. Auch John Studebaker ging 1853 nach Kalifornien, wo er für die Goldsucher Schubkarren und Fuhrwerke herstellte. 1858 kehrte er nach Indiana zurück. Mit seinen Ersparnissen kaufte er seinem Bruder Henry dessen Firmenanteile ab. Henry Studebaker, der sich anschließend auf seine Farm zurückzog, hatte wegen seines Glaubens zunehmend Probleme damit, dass die U.S. Army zu den Kunden seiner Firma gehörte.

Peter Studebaker baute zu dieser Zeit in Saint Joseph/Missouri und Goshen/Indiana ebenfalls Fuhrwerke. Während des Amerikanischen Bürgerkriegs (1861 – 1865) belieferten die Studebakers auch die Nordstaaten-Armee (Union Army) mit Wagen, ansonsten vor allem Privatleute und Farmer. Der professionelle Güterverkehr in den östlichen Gebieten der USA wurde damals bereits von der Eisenbahn und von Dampfschiffen erledigt.

1868 fassten die Studebaker-Brüder ihre Unternehmungen in einer gemeinsamen Firma zusammen (Studebaker Brothers South Bend/Indiana). Ab den 1870er Jahren war Studebaker neben Durant-Dort aus Flint/Michigan (gehörte dem späteren General-Motors-Gründer William Durant) der führende amerikanische Hersteller von Kutschen und Fuhrwerken.

Ab 1897 beschäftigte sich Studebaker mit dem Bau von Elektrofahrzeugen, Benzinfahrzeugen und Automobilkarosserien. Dabei arbeitete man zunächst mit verschiedenen anderen Unternehmen zusammen (Pope Hartford/Connecticut, Garford Elyria/Ohio, EMF Everitt-Metzger-Flanders Detroit/Michigan). Der Studebaker Electric, den es mit verschiedenen Aufbauten gab, wurde von 1902 bis 1912 in South Bend gefertigt, der Studebaker-Garford mit Benzinmotor (Fahrgestelle und Motoren von Garford) von 1904 bis 1911.

1911 übernahm Studebaker EMF und kam damit in den Besitz einer weiteren Produktionsstätte. Die Produktion der Elektrofahrzeuge wurde bald darauf aufgegeben, da John Studebaker und sein Schwiegersohn Frederick Samuel Fish (1852 – 1936), der ab 1909 als Präsidenten von Studebaker fugierte, zu der Erkenntnis gelangt waren, dass dem Benzinmotor die Zukunft gehörte. Die Fuhrwerk-Sparte verkaufte Studebaker 1920 an Kentucky Wagon aus Louisville/Kentucky, wodurch das Unternehmen zu einem reinen Automobil-Hersteller wurde. 1928 erwarb Studebaker den Automobil- und Nutzfahrzeughersteller Pierce-Arrow aus Buffalo/New York, der jedoch 1938 Insolvenz anmelden musste und anschließend aufgelöst wurde.

Studebaker konnte sich zunächst gut gegen die drei großen Autokonzerne General Motors, Ford und Chrysler behaupten. Einer der größten Verkaufserfolge war die Modellreihe Champion (1939 – 1958), dessen Karosseriedesign von dem berühmten Industriedesigner Raymond Loewy stammte, und dessen einfachste Ausstattungsvariante nur 660 US-Dollar kostete. Daneben produzierte Studebaker auch Pickup-Trucks (Champ, Coupe Express, Scotsman, Transtar), Armeelastwagen (US6; 1941 – 1945) und Kettentransportfahrzeuge (M29 Weasel; 1942 – 1945). Aus dem US6 entwickelte die Sowjetunion, die diesen Lastwagen im Rahmen des Lend-Lease-Programms erhalten hatte, später die eigenen LKWs GAZ-51 und GAZ-63. Das größte und luxuriöseste Modell war der President (1927 – 1942; 1955 – 1958).

Studebaker
Studebaker

Ab den späten 1940er Jahren lieferten sich die Big Three (GM, Ford, Chrysler) einen ruinösen Preiskrieg, der die kleineren Hersteller in Fusionen trieb: 1953 Kaiser-Frazer und Willys-Overland (Kaiser Jeep), 1954 Nash-Kelvinator und Hudson Motor (American Motors Corporation) sowie Studebaker und Packard (Studebaker-Packard). Ein ursprünglich geplanter Zusammenschluss von Hudson, Nash-Kelvinator, Packard und Studebaker zu einer größeren American Motors Corporation scheiterte infolge des plötzlichen Tods des Nash-Kelvinator-Präsidenten George Mason. Doch während die kleinere AMC und Kaiser Jeep überlebten (beide schlossen sich 1970 zusammen und wurden erst 1987 von Chrysler übernommen), ging es mit Studebaker-Packard weiter bergab. Das vereinigte Unternehmen produzierte und verkaufte viel zu wenig Fahrzeuge, um auch nur in der Nähe der Gewinnschwelle zu kommen. Bei den Fusionsverhandlungen hatten die beiden Parteien ihre betriebswirtschaftliche Verhältnisse und Verkaufszahlen nicht vollständig offengelegt.

Schließlich nahm die Studebaker-Packard-Geschäftsführung 1956 ein Übernahmeangebot des Flugmotoren- und früheren Flugzeugherstellers Curtiss-Wright an. Die gesamte Auto-Produktion wurde daraufhin nach South Bend in das Studebaker-Werk verlegt und die militärischen Produktionsstätten übernahm Curtiss-Wright. Die Marke Packard gab man 1959 auf und 1962 wurde Studebaker-Packard wieder in Studebaker umbenannt.

Ab 1958 kaufte sich Studebaker-Packard in zahlreiche andere Branchen ein (u. a. Chemical Compounds, Cincinnati Testing Labs, Clarke Floor Machine, Franklin Appliances, Gering Plastics, Gravely Tractors, Onan, Paxton Automotive, Schaefer Refrigeration, TWA Trans International Airlines). Ein Überbleibsel aus dieser Zeit ist die Chemical-Compounds-Schmierölmarke STP (ursprünglich Studebaker Test Products, später Scientifically Treated Petroleum), die es noch heute gibt.

Mit der kompakten Modellreihe Lark wollte Studebaker ab 1958 den Umschwung schaffen. Die ersten beiden Jahre verkaufte sich dieses Modell recht gut, vor allem auch weil es von vielen GM-, Ford- und Chrysler-Händlern verkauft wurde. Doch als die Großen eigene Kompaktfahrzeuge auf den Markt brachten, mussten die betreffenden Händler den Verkauf der Studebaker-Fahrzeuge einstellen.

Ende 1963 stellte Studebaker schließlich die Produktion im Werk South Bend ein und 1966 auch im kanadischen Werk in Hamilton/Ontario. Die letzten Studebakers waren ein bordeauxroter 1964er (Lark) Daytona (South Bend) und ein grün-weißer 1966er Cruiser Sedan (Hamilton), die nicht mehr ausgeliefert, sondern gleich ins Werksmuseum gebracht wurden.

Die Bau- und Markenrechte für den von Raymond Loewy entworfene Sportwagen Avanti, den Studebaker von 1962 bis 1963 gebaut hatte, übernahmen die Studebaker-Händler Nate Altman und Leo Newman, die dieses Modell in einem Teil der Werksanlagen in South Bend und mit einigen ehemaligen Studebaker-Angestellten in Kleinserie weiterbauten. Die Firma Avanti Motor gab es noch bis 2006. Zuletzt wurden die Avanti-Modelle in Cancun (Mexiko) produziert.

Die Werksanlagen in South Bend erwarb Kaiser-Jeep; dort wurden fortan die Fahrzeuge für das amerikanische Militär hergestellt. Später wurden dort der Humvee und der Hummer gebaut.

Studebaker existierte als Holding noch lange weiter. 1967 wurde das Unternehmen von Wagner Electric gekauft und noch im gleichen Jahr mit Worthington (Alco-Lokomotiven, Maschinenbau, Pumpen, Klimaanlagen) zusammengeschlossen (Studebaker-Worthington). 1979 verschwand der Firmenname Studebaker, als das Elektro-Unternehmen McGraw-Edison Studebaker-Worthington erwarb.

In South Bend gibt es das Studebaker National Museum, in dem viele Fahrzeuge, Traktoren, Planwagen und Kutschen, die einst in der Stadt gebaut wurden, ausgestellt sind (Studebaker, Packard, Humvee, Hummer, Oliver Farm Equipment).

Text: Toralf Czartowski • Fotos: Pixabay.com, Public Domain