Markenlexikon
Die 1818 von Ivan Smirnov gegründete Wodka-Brennerei war einst die größte russische Destillerie und zwischen 1886 und 1917 Hoflieferant der russischen Zaren sowie mehrerer europäischer Königs- und Fürstenhäuser. Die französische Schreibweise des Firmennamens geht auf Pjotr Arsenjewitsch Smirnov/Peter Smirnoff (1831 – 1898) zurück, der es 1886 auf einer Messe schaffte, die Zarenfamilie mit einer spektakulären Bärenvorführung auf sich und seinen Wodka aufmerksam zu machen. Nach Peter Smirnoffs Tod führten seine fünf Söhne Pjotr Jr., Nikolai, Vladimir, Sergei und Alexei die Firma weiter. Sergei und Alexei zogen sich 1902 aus der Firma zurück, Nikolai und Vladimir folgten 1904. Nach dem Tod von Pjotr Jr. (1910) führte seine Witwe Eugenia das Unternehmen bis zur Verstaatlichung 1917/1918 alleine weiter; die Kommunisten verwendeten den Markennamen Smirnoff-Wodka anschließend nicht mehr.
In den 1920er Jahren gründete Vladimir Smirnov in Konstantinopel (1920), Lemberg (1924) und Paris (1925) mehrere neue Firmen und Destillerien, die aber nie mehr richtig in Gang kamen. Eugenie Smirnov, die inzwischen ebenfalls in Frankreich lebte, konnte gegen die unrechtmäßige Verwendung des Namens Smirnoff durch Vladimir Smirnov nichts unternehmen, da sich sämtliche Unterlagen über die frühere Eigentumsstruktur der Firma in der nun kommunistischen Sowjetunion befanden. Dahin zurückzukehren traute sie sich jedoch nicht, schließlich war auch Vladimir während der Revolutionswirren nur knapp seiner Hinrichtung entkommen.
1933 verkaufte Vladimir Smirnov das Rezept und die Markenrechte für den US-Markt an den Ukrainer Rudolph Kunett, dessen Vater früher Getreide an verschiedene russische Wodka-Brennereien geliefert hatte. Kunett gründete 1934 in Bethel/Connecticut die Firma Ste. (= Société) Pierre Smirnoff Fls (= Fils) Inc.
1939 wurde der damals noch recht kleine Spirituosenhersteller G. F. Heublein & Bro. aus Hartford/Connecticut neuer Besitzer von Smirnoff. Diese Firma, die der Österreicher Gilbert Heublein 1875 gegründet hatte, brachte das russische Nationalgetränk zunächst auf den amerikanischen Markt, wo Wodka so gut wie unbekannt war, und vermarktete es als »weißen Whisky«. In den nächsten Jahrzehnten machte Heublein Smirnoff zur bekanntesten Wodka-Marke der Welt.
1982 wurde Heublein von dem Tabakkonzern R. J. Reynolds Tobacco (Camel, Winston, Salem) übernommen und 1987 an den britischen Mischkonzern Grand Metropolitan (Baileys, Bombay Sapphire, Burger King, Cinzano, Green Giant, Häagen Daz, J&B, José Cuervo, Gilbey's, Metaxa, Pillsbury) weiterverkauft. Aus dem Zusammenschluss von GrandMet mit der Guinness-Brauerei (Black & White, Buchanan's, Dewar's, Dimple, Harp, Gordon's, Guinness, Haig, Johnnie Walker, Kilkenny, Smithwick's, Tanqueray) entstand 1997 der Bier- und Spirituosenkonzern Diageo.
Smirnoff-Wodka wird seit 1998 zusammen mit Tanqueray Gin und Gordon's Gin in der schottischen Cameronbridge Distillery in Windygates, rund 25 Kilometer nordöstlich von Edinburgh, hergestellt. Die ursprüngliche Whisky-Brennerei war 1824 von John Haig gegründet worden. Darüber hinaus wird Smirnoff unter Lizenz der Diageo-Tochter The Smirnoff Company (Norfolk/Connecticut) auch von vielen anderen Firmen überall auf der Welt abgefüllt (u. a. Australien, Irland, Italien, Kenia, Südafrika, USA).
1992 brachten Boris Alexandrovich Smirnov und seine Söhne Andrei and Boris Alexeseevich in Russland einen eigenen Smirnov-Wodka auf den Markt. Boris Alexandrovich ist der Sohn von Tatyana Smirnov, der Tochter von Eugenie, die 1958 verstorben war. Nach jahrelangen juristischen Auseinandersetzungen um die Markenrechte, kam es 2006 schließlich zu einer Einigung: Diageo und die russische A1 Group Limited (Alfa Group), der die Marke Smirnov inzwischen gehörte, gründeten ein Jointventure für Marketing und Vertrieb von Smirnov-Wodka in Russland.
Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Public Domain