Markenlexikon
Der ehemalige Unternehmensberater Nicolas George Hayek (1928 – 2010) hatte 1984 mit seinen bunten Swatch-Plastikuhren einen Verkaufshit gelandet, der die gesamte Schweizer Uhrenindustrie nach einer langjährigen Krise wieder an die Weltspitze katapultierte. In den 1990er Jahren suchte Hayek nach neuen Tätigkeitsfeldern. Unter dem Markennamen Swatch ließ er zunächst Telefone produzieren, dann kam er auf die Idee, ein kleines Stadtauto zu entwickeln (Swatch-Mobil). Nachdem Verhandlungen mit Renault und Volkswagen gescheitert waren, fand er in Daimler-Benz einen Partner. Gemeinsam gründeten beide 1994 die Firma Micro Compact Car (Biel/Schweiz). Für die Produktion wurde 1995/1996 eigens ein neues Montagewerk in der französischen Stadt Hambach, nahe der saarländischen Grenze errichtet.
1997 war das inzwischen in Smart (Swatch Mercedes Art) umgetaufte »Stadtauto der Zukunft« so weit gediehen, dass es der Öffentlichkeit vorgestellt werden konnte. Dann kippte der »Bonsai-Benz«, wie er von Journalisten zuweilen genannt wurde, jedoch bei Testfahrten mehrmals recht medienwirksam von der Piste – ähnlich wie sein großer Bruder, der A-Klasse-Mercedes (Elchtest) – was den Produktionsbeginn immer wieder nach hinten verschob. 1997 reduzierte Swatch-Chef Hayek, der nach eigenen Angaben mit dem Smart nie sonderlich zufrieden war, den Anteil an MCC auf Druck seiner Aktionäre.
Ende 1998, als das Smart City-Coupé (ab 2004 Smart Fortwo) an die ersten Händler ausgeliefert wurde, stieg die Swatch Group schließlich ganz aus und verkaufte ihre restlichen Anteile an DaimlerChrysler. 1999 wurde MCC erst in Micro Compact Car Smart umbenannt und 2002 in Smart. Im Jahr 2000 kam das Smart Cabrio auf den Markt.
Da Smart seit der Markteinführung regelmäßig rote Zahlen schrieb, sah sich die Muttergesellschaft DaimlerChrysler 2005/2006 zu harten Sanierungsmaßnahmen und massiven Einsparungen genötigt. Die Produktion des zweisitzigen Roadsters (2003 – 2005) und des von der Mitsubishi-Tochter NedCar (Netherlands Car) in Born (Niederlande) gebauten Viertürers Forfour (2004 – 2006) wurde eingestellt, die Smart-Center aufgelöst und in die Mercedes-Benz-Niederlassungen integriert. 2006 kam das Aus für das Unternehmen Smart. Die Marke gehörte nun zur Mercedes Car Group (Mercedes-Benz, Maybach, Smart).
Von 2007 bis 2015 liefen in Hambach die neuen um rund zwanzig Zentimeter verlängerten Fortwo II (451) in den Varianten Coupé, Cabrio, Micro Hybrid Drive und Electric Drive (ab 2009) vom Band. 2014 kam die dritte Generation des Fortwo auf den Markt. 2014 wurde der gemeinsam mit Renault entwickelte fünftürige Smart Forfour (2014 – 2021) neu aufgelegt, 2017 folgte eine Elektroversion. Gebaut wurde der Forfour von der Renault-Tochter Revoz in Novo Mesto (Slowenien). Ab 2020 gab es die beiden Varianten Fortwo und Forfour nur noch mit Elektroantrieb.
Wirtschaftlich erfolgreich war der Smart nie; er gilt sogar als größter Flop des Daimler-Konzerns. Die Absatzzahlen blieben über die gesamte Laufzeit weit hinter den Erwartungen zurück. Auch deswegen verkaufte Daimler das nie ausgelastete Werk in Hambach 2020/2021 an den britischen Investor Jim Ratcliffe, den Besitzer des Chemiekonzerns Ineos, der dort den an den alten Land-Rover Defender angelehnten Geländewagen Ineos Grenadier bauen lässt. Bis 2024 lief in Hambach auch noch der Fortwo vom Band. 2020 gründeten Mercedes-Benz und die chinesische Geely Automobile Group, der auch die Automarke Volvo gehört, das Jointventure Smart Automobile. Die neuen Elektromodelle #1, #3 und #5 werden seit 2022 in Xi’an gefertigt.
Text: Toralf Czartowski • Fotos: Pixabay.com, Public Domain