Markenlexikon

Seagram's

Ursprungsland: Kanada

Der in Baden-Baden geborene Wilhelm (William) Hespeler (1830 – 1921) und George Randall (1832 – 1908) errichteten 1857 in Waterloo/Ontario eine Mühle mit angeschlossener Gin-Brennerei. 1869 wurde der englische Einwanderer Joseph Emm Seagram (1841 – 1919) Partner der Gründer und 1883 schließlich alleiniger Inhaber. 1928 ging die Brennerei in den Besitz von Samuel Bronfman (1891– 1971), den Gründer der Destillers Corporation Limited, einem Ableger der britischen Destillers Company Limited (Black & White, Dewars's, Dimple, Haig, Johnnie Walker), über. Das Unternehmen firmierte nun als Distillers Corporation-Seagrams Limited mit den beiden Tochtergesellschaften Distillers Corporation (LaSalle/Quebec) und Joseph E. Seagram & Sons (Waterloo/Ontario).

Zu dieser Zeit galt in den USA striktes Alkoholverbot, was allerdings die Trinker keineswegs davon abhielt, sich ihren Stoff auf anderen Wegen zu besorgen. Dafür gab es zwei wesentliche Lieferanten, zum einen die Cosa Nostra (Mafia) um Al Capone und zum anderen Seagram in Kanada, wo das Alkoholverbot wesentlich weniger streng gehandhabt wurde; dort durften nur Einzelhändler keinen Alkohol mehr verkaufen. Seagram schickte den Whisky ganz einfach per Post an die Kunden – denn das war legal, zumindest nach kanadischem Gesetz. Wieviel Whisky so in die USA geschafft wurde, wo überhaupt niemand mehr Alkohol produzieren, verkaufen und trinken durfte, ist nicht bekannt.

Als das Ende der Prohibition in den USA in Sicht war, begann Seagram die Produktion zu steigern und extra neue Lagerhäuser zu bauen. 1933 wurde das Alkoholverbot aufgehoben und die neugegründete US-Tochter überschwemmte den US-Markt sofort mit großen Mengen Whisky – und verdiente dementsprechend gut. Die einheimischen Hersteller brauchten noch Jahre, um ihre teilweise verödeten Anlagen wieder in Betrieb nehmen zu können. Den Schnapsdunst wurde Samuel Bronfman dann auch sein Leben lang nicht mehr los. Noch kurz vor seinem Tode klagte er: »Wann werden die Leute endlich aufhören, mich einen gottverdammten Whiskyschmuggler zu nennen«.

1975 wurde die Distillers Corporation-Seagrams Limited in The Seagram Company umfirmiert. Einige Jahre später hatte sich Seagram mit seinen Marken Seagram's V.O. (seit 1934), Seagram's 7 Crown Bourbon-Whiskey (seit 1934), Crown Royal Premium Canadian Whisky (seit 1939), Captain Morgan Rum (seit 1944), Royal Salute (1953), Glen Keith (ab 1958) und Seagram's 100 Pipes Scotch Whisky (seit 1966) sowie einer ganzen Reihe von Firmenübernahmen wie Chivas Brothers (1949), G.H. Mumm & Cie. (1952), Perrier-Jouët (1952), Barton & Guestier (1954), The Glenlivet Distillers (1978), Geo. G. Sandeman Sons & Co. (1980), Sterling Vineyards (1984) und Martell & Cie. (1988) an die Weltspitze der Schnaps-Produzenten katapultiert.

Seagram's
Seagram's

Erst die Nachkommen des Gründers lösten sich vom Alkohol – und zwar so nachhaltig, dass es den Seagram-Konzern heute nicht meht gibt. Vor allem die Traumwelt von Hollywood hatte es den Bronfmans angetan. Gründersohn Sohn Edgar Miles Bronfman sen. (1929 – 2013) unternahm schon in den 1960er Jahren den ersten Ausflug in die Filmindustrie. Zuerst versuchte er Paramount Pictures zu kaufen, und als das misslang, investierte er Millionen Dollar in die damals marode Filmgesellschaft Metro-Goldwyn-Mayer. Nachdem er dort einige Jahre Vorstandschef gewesen war, verkaufte er seine Anteile wieder – mit sattem Verlust. 1981 versuchte Seagram den US-Ölkonzern Conoco zu übernehmen, was jedoch scheiterte, weil der Chemiekonzern Du Pont de Nemours Conoco als »weißer Ritter« zu Hilfe kam. Seagram verkaufte daraufhin seine Conoco-Anteile (32 Prozent) an Du Pont und erhielt dafür einen 24-prozentigen Anteil an Du Pont, der sich als sehr lukrativ erwies.

Edgar Miles Bronfman jun. (* 1955) war noch eine Stufe mehr besessen vom Entertainment-Business als sein Vater. Erst arbeitete er als Filmproduzent (u.a. 1982 »The Border«) und 1985 schrieb er für die Popsängerin Dionne Warwick den Hit »Whisper In The Dark«. Dass er die Leitung der Firma überhaupt übernahm, lag nur an den Überredungskünsten seines Vaters. Doch das Hollywood-Abenteuer ging weiter. 1993 beteiligte sich Seagram mit 15 Prozent an dem Medienkonzern Time-Warner, 1996 kaufte Seagram den Unterhaltungskonzern MCA (MCA Records, Universal Studios) und 1998 die niederländische Philips-Tochter PolyGram.

2000 schloss sich Seagram mit dem französischen Wasserversorgungskonzern Vivendi zusammen. Um den Deal zu finanzieren, musste Vivendi-Universal jedoch die profitablen Spirituosenmarken 2001 an Diageo (Seagram's V.O., Seagram's 7 Crown, Crown Royal, Captain Morgan, Barton & Guestier), Pernod-Ricard (Seagram's Extra Dry Gin, Chivas Regal, Jameson, Martell, Clan Campbell), Sogrape (Sandeman) und Allied-Domecq (Mumm) verkaufen.

Text: Toralf Czartowski • Fotos: Pixabay.com, Public Domain