Markenlexikon

Rough Trade

Ursprungsland: Großbritannien

Geoff Travis (* 1952) arbeitete zunächst als Lehrer an einer Mädchenschule. Da ihn der Job jedoch langweilte, gab er ihn bald auf und trampte eine Weile durch Kanada und die USA. In San Francisco kaufte er in Second-Hand-Läden so viele Schallplatten, dass er sie bei seiner Rückreise nach Europa extra verschiffen musste. Ein Bekannter brachte ihn dann auf die Idee, einen eigenen Plattenladen zu eröffnen. Zurück in London machte er Anfang 1976 tatsächlich ein Plattengeschäft auf, wo er vor allem Indie-Platten verkaufte, die man woanders nicht bekam, u.a. Alternative Rock, Raggae und Punk. Der Laden, der Rough Trade getauft wurde, befand sich in der Kensington Park Road im Londonder Stadteil Notting Hill, im Viertel Ladbroke Grove, das damals ein Zentrum der Gegenkultur war.

Travis schrieb zahlreiche Indie-Bands aus der Umgebung an und fragte, ob er ihre Platten verkauften durfte. Umgekehrt kamen bald auch immer mehr Musiker in den Laden, um ihre Platten von Rough Trade verkaufen zu lassen. So entwickelte sich Rough Trade nach und nach zum Treffpunkt der Londoner Indie-Musikszene. 1978 etablierte Travis mit Rough Trade Records ein eigenes Label, das zunächst vor allem die Platten von Punkbands veröffentlichte, die in London in den späten 1970er Jahren wie Pilze aus dem Boden schossen. Gemeinsam mit anderen Kleinlabels entstand 1978 auch das Vetriebsnetzwerk The Cartel.

Der erste Erfolg für Rough Trade Records kam 1979, als das Album »Inflammable Material« der nordirische Punkrockband Stiff Little Fingers in den Charts bis auf Platz 14 stieg und such über 100.000 mal verkaufte, was zuvor noch keiner Band mit einem unabhängigen Vertrieb gelungen war. Die 1983 unter Vertrag genommene Indie-Rockband The Smith um den Sänger Morrissey entwickelte sich später zur Kultband, obwohl sie außerhalb Großbritannins kommerziell kaum erfolgreich war. Mehrere Musikzeitschriften wie Rolling Stone und New Musical Express zählen das Smiths-Album »The Queen Is Dead« (1986) zu den besten Rockalben aller Zeiten. Weitere Künstler, die ihre Platten bei Rough Trade Records veröffentlichten, waren u.a. die New-Wave-Band Scritti Politti, der Ex-Soft-Machine Sänger und Schlagzeuger Robert Wyatt, die Alternative-Rock-Band The Sugarcubes, die US-Rockband The Strokes, die englische Rockband The Libertines und die nordirische Folk-Sängerin Cara Dillon. Geoff Travis war 1983 auch einer der Initiatoren des Warner-Labels Blanco y Negro Records.

Rough Trade
Rough Trade

Ab Ende der 1980er Jahre geriet das Vertriebsnetzwerk The Cartel in finanzielle Schwierigkeiten, die 1991 zum Konkurs führten, der auch Rough Trade Records mit in den Abgrund riss. Das Label wurde anschließend von One Little Indian Records übernommen. Die Vertriebsniederlassungen in Benelux, Deutschland, Österreich und der Schweiz wechselten in den Jahren darauf mehrmals den Besitzer (1991 Pinnacle Entertainment, 1996 Zomba Music Group, 2002 Bertelsmann/BMG, 2008 Groove Attack). Geoff Travis leitete Rough Trade Records noch bis 1995 weiter, dann verließ er das Unternehmen nach Differenzen mit One Little Indian Records.

Im Jahr 2000 kaufte Geoff Travis die Rough-Trade-Markenrechte zurück und gründete zusammen mit Jeanette Lee, der früheren PR-Managerin der Alternative-Rock-Band Public Image Ltd. und der Plattenfirma Sanctuary Records, das Label neu. Rough Trade Records nahm u.a. die Rockbands The Strikes und The Libertines unter Vertrag. Als Sanctuary Records 2007 an die Universal Music Group verkauft wurde, übernahm die Beggars Group (4AD, Beggars Banquet Records, Matador Records, Too Pure, XL Recordings) die zuvor von Sanctuary gehaltenen Anteile.

Die 1982 gegründete Rough Trade Distribution GmbH Köln hat mit Rouge Trade Records nichts mehr zu tun, sondern gehört seit 2008 zur Groove Attack GmbH.

Der Rough Trade Shop, der 1982 von dem Plattenlabel abgetrennt worden war, wurde zur gleichen Zeit in die Talbot Road verlegt. 1988 kam ein weiteres Geschäft im Londoner Stadtteil Covent Garden hinzu, das jedoch kurz vor der Eröffnung des Rough Trade East Shops im Osten Londons (Brick Lane/Dray Walk) 2007 wieder schloss. 2013 eröffnete Rough Trade New York in Brooklyn und 2014 Rough Trade in Nottingham. Zeitweise gab es auch Läden in Paris, San Francisco und Tokyo, die jedoch wieder geschlossen und durch einen Online-Shop ersetzt wurden.

Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Public Domain