Markenlexikon

Rothschild

Ursprungsland: Deutschland
Ursprungsland: Großbritannien
Ursprungsland: Frankreich

Der Textilhändler und Geldwechsler Mayer Amschel Rothschild (eigtl. Mayer Amschel Bauer; 1744 – 1812) gründete 1776 in Frankfurt am Main ein Bankhaus, das die Geschäfte des deutschen und österreichischen Hochadels finanzierte. Der Name Rothschild geht auf eine rotes Firmenschild am Frankfurter Stammhaus zurück.

Seine Söhne gründeten später weitere Banken in ganz Europa: Nathan Mayer Rothschild (1777 – 1836) in London (1811), James (Jacob Mayer) de Rothschild (1792 – 1868) in Paris (1817), Kalman (Carl) Mayer Rothschild (1788 – 1855) in Neapel (1820; Schließung: 1865) und Salomon Meyer Rothschild (1774 – 1855) in Wien (1821; Schließung: 1938). Durch die Finanzierung von Staatsanleihen gewann die jüdische Rothschild-Familie großen politischen Einfluss in Europa; besonders die Banken in London und Paris waren an vielen Firmengründungen und – finanzierungen beteiligt (u.a. De Beers, Rio Tinto, Royal Dutch Shell Suez-Kanal Gesellschaft).

1901 wurde das Frankfurter Stammhaus geschlossen, da Wilhelm Carl Freiherr von Rothschild (1828 – 1901) keine männlichen Erben hinterlassen hatte. Das Vermögen der damals reichsten deutschen Familie erbten die Mitglieder anderer Rothschild-Familien. Das Bankhaus selbst übernahm die Disconto-Gesellschaft Berlin, die sich 1929 mit der Deutschen Bank zusammenschloss.

Der französische und britische Zweig der Familie war auch maßgeblich an der jüdischen Kolonisierung Palästinas beteiligt, wo die Juden bis zu ihrer Vertreibung durch die Römer in den Jahren 70 bis 135 ihre Heimat gehabt hatten. Andauernde Diskriminierungen und gewaltsame Ausschreitungen gegen die jüdische Minderheit im christlichen Europa führten schon im Mittelalter dazu, dass sich kleinere Gruppen von Juden wieder in Palästina ansiedelten – wobei die Juden auch vorher nie ganz aus Palästina verschwunden waren. Die Idee von der erneuten Gründung eines jüdischen Staates kam aber erst im 19. Jahrundert auf. Baron Edmond James de Rothschild (1845 – 1934), der Sohn von James de Rothschild, kaufte ab 1882 Grundstücke in Palästina, auf denen anschließend Siedlungen für jüdische Einwanderer aus Russland errichtet wurden. Die von ihm 1924 gegründete Palestine Jewish Colonization Association erwarb mehr als fünfhundert Quadratkilometer Fläche in Palästina.

Der britische Banker, Zoologe und Politiker Lionel Walter Rothschild, 2. Baron Rothschild (1868 – 1937) war 1917 an der Formulierung einer Gründungserklärung für eine nationale Heimstätte der Juden in Palästina beteiligt, mit der sich die britische Regierung einverstanden erklärte. Großbritannien übernahm nach dem Zerfall des Osmanischen Reiches infolge des Ersten Weltkriegs 1920 im Auftrag des Völkerbunds das Mandat über das Palästina-Gebiet. Bei den Arabern, die seit dem 7. Jahrhundert in Palästina lebten und die ebenfalls von einem eigenen Staat träumten, stieß die anfängliche Unterstützung der jüdischen Einwanderung durch die Briten erwartungsgemäß auf wenig Gegenliebe. In der Folgezeit kam es zwischen Arabern und Juden immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Der erneute Zustrom von jüdischen KZ-Überlebenden nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs führte 1947 zu einem Teilungsplan der UNO für Palästina in einen arabischen und einen jüdischen Staat, den die Araber jedoch ablehnten. Nach dem Abzug der Briten aus Palästina entstand schließlich 1948 der Staat Israel. Die Konflikte zwischen Arabern/Palästinensern und Israelis blieben jedoch bestehen und führten zu zahlreichen Kriegen (1948, 1967, 1973, 2023) und gewalttätigen Auseinandersetzungen (1956, 1987, 2000, 2008/2009, 2014, 2021).

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ließ der Einfluss der Rothschilds allmählich nach, obgleich einzelne Mitglieder der Rothschild-Familie auch weiterhin enge Beziehungen zu Vertretern aus Wirtschaft und Politik pflegten, vor allem Guy Édouard Alphonse Paul de Rothschild (1909 – 2007; 1967 bis 1979 Chef der Banque Rothschild Paris) oder Leopold David de Rothschild (1927 – 2012; ab 1970 Direktor von NM Rothschild & Sons., 1970 bis 1983 Direktor der Bank of England, 1982 bis 1995 Direktor der Versicherungsgesellschaft Sun Alliance and London Insurance).

Die Banque Rothschild in Paris wurde 1982 von der sozialistischen Mitterrand-Regierung verstaatlicht, jedoch zwischen 1984 und 1986 von Éric Alain Robert David de Rothschild (* 1940), David René James de Rothschild (* 1942) und Édouard Etienne Alphonse de Rothschild (* 1957) mit finanzieller Hilfe ihrer Holdinggesellschaft Paris-Orléans, der Londoner Bank NM Rothschild and Sons, der Compagnie Financiére Edmond de Rothschild Genf und der Rothschild Bank AG Zürich (gegründet 1968) neugegründet.

2008 vereinigten die Rothschilds Teile ihrer europäischen Bankgeschäfte unter dem Dach der Paris-Orléans S.A. (Rothschilds Continuation Holdings AG Zug, NM Rothschild and Sons London, Rothschild & Cie. Banque Paris, Rothschild Bank AG Zürich).

Unabhängig davon existieren noch die 1953 von Edmond Adolphe de Rothschild (1926 – 1997) gegründete Groupe LCF Rothschild Genf (Banque Privée Edmond de Rothschild Genf, Hotels, Immobilien, Weingüter, Versicherungen) und die 1961 von Nathaniel Charles Jacob Rothschild (* 1936) gegründete Investmentgesellschaft RIT Capital Partners London (vorm. Rothschild Investment Trust).

Daneben besitzt die Familie zahlreiche teilweise weltbekannte Weingüter und Weinhandelsgesellschaften (u.a. DBR Domaines Barons de Rothschild Bordeaux, Château Mouton-Rothschild in Pauillac bei Bordeaux, Château Lafite-Rothschild Pauillac/Bordeaux, Château Rieussec, Château Paradis Casseuil, Château l’Évangile, Domaine d'Aussieres, Viña Los Vascos). Das erste Weingut (Château Brane-Mouton) hatte Nathaniel de Rothschild (1812 – 1870) 1853 erworben.

Der britische Zweig der Rothschilds führt seit 1885 den erblichen Adelstitel Baron; damals war Nathan Mayer Rothschild, der Finanzier des Suez-Kanals, zum 1. Baron Rothschild ernannt worden.

Text: Toralf Czartowski