Markenlexikon
Die Roßmann-Familie betrieb Anfang der 1970er Jahre in zweiter Generation eine kleine Drogerie am Stadtrand von Hannover, in der auch der gelernte Drogist Dirk Roßmann (* 1946) mitarbeitete. Die Waren wurden damals noch zu festen Preisen über den Tresen verkauft – wie heute in Apotheken. Viel Gewinn war mit einer Drogerie aufgrund der Preisbindung allerdings nicht zu machen. Als dann die SPD-geführte Bundesregierung die Abschaffung der Preisbindung ankündigte, mietete Dirk Roßmann in der Hannoveraner Jakobistraße einen Laden mit 120 Quadratmetern Verkaufsfläche an. Das Kapital stammte von ihm selbst (20.000 DM Ersparnisse), von einer Bekannten der Familie (20.000 DM) und von der Stadtsparkasse Hannover (20.000 DM Kredit). Im März 1972 eröffnete er die erste Selbstbedienungsdrogerie Deutschlands. Zunächst arbeiteten in dem Geschäft zwei Angestellte und der Chef saß teilweise selbst an der Kasse. Auch die Flugblätter und Werbeprospekte druckten und verteilten sie selbst.
Bei den Kunden kam das Selbstbedienungs- und Discount-Konzept ausgesprochen gut an. Schon am ersten Tag wurde der Laden regelrecht belagert, sodass die Polizei die Masse im Zaum halten musste. Bereits am Nachmittag waren die Regale und das Lager leer. Mit einem angemieteten VW-Transporter musste Nachschub herangeschafft werden. Statt der erhofften 3000 DM machte Rossmann am ersten Tag 20.000 DM Umsatz. Bald darauf entstanden in Deutschland weitere Rossmann-Filialen. Im Gegensatz zum Familiennamen Roßmann wird die Drogeriekette mit Doppel-s geschrieben, da es vom ß damals keinen Großbuchstaben gab.
Um die weitere Expansion zu finanzieren und um im Preiskampf mit anderen Drogerieketten bestehen zu können, verkaufte Roßmann 1980 rund 40 Prozent der Dirk Rossmann GmbH an die Hannover Finanz GmbH. Dieser Anteil gehört seit 2002 der Hongkonger Drogeriekette A.S. Watson Group (die größte Drogeriekette der Welt), ein Tochterunternehmen des chinesischen Mischkonzerns CK Hutchison Holdings Limited (bis 2015 Hutchison Whampoa und Cheung Kong Holdings). Der Rest befindet sich weiterhin in der Hand der Gründerfamilie (über die Rossmann Beteiligungs GmbH).
In den nächsten Jahrzehnten eröffnete Rossmann zahlreiche weitere Filialen in Westdeutschland, ab 1990 in den neuen Bundesländern und ab 1991 auch im Ausland (Albanien, Kososvo, Polen, Spanien, Tschechien, Türkei, Ungarn). Ab Ende der 1990er Jahre erweiterte die Kette ihr Angebot um Artikel, die nichts mit Drogeriewaren zu tun hatten. Dadurch konnten größere Gewinne erzielt und die Abhängigkeit von den Banken reduziert werden. Daneben führte man in dieser Zeit auch die ersten Eigenmarken ein, die speziell für Rossmann hergestellt und billiger verkauft werden als die Markenprodukte (u.a. Alterra, Babydream, Isana, Sun Ozon). In den 2000er Jahren erwarb Rosmann mehrere Konkurrenten und stellte deren Drogerien auf das Rossmann-Erscheinungsbild und -Sortiment um (2000 Idea von Rewe, 2003 KD Kaiser's Drugstore von Tengelmann, 2008 Kloppenburg, 2012 Ihr Platz von Schlecker).
2021 betrieb die Dirk Rossmann GmbH mit Sitz in Burgwedel 4.361 Filialen in acht Ländern, davon in 2.231 in Deutschland. Die erste Drogerie in der Jakobistraße wurde 2010 wegen der geringen Verkaufsfläche geschlossen. Rossmann gehört neben dm und Müller zu den führenden Drogerieketten in Europa.
Text: Toralf Czartowski