Markenlexikon
Der Schlosser und Radsportler Johann Puch (1862 – 1914) eröffnete 1889 eine Fahrradwerkstatt in Graz, wo er bald darauf eigene Fahrräder herstellte, die unter dem Markennamen Styria (lat. Steiermark) verkauft wurden. Darüber hinaus übernahm Puch auch die Vertretung für den englischen Fahrradhersteller Humber und die deutsche Firma Wanderer. Aufgrund mehrerer Siege bei Fahrradrennen verkauften sich die Styria-Räder recht gut in Österreich-Ungarn, Frankreich und Großbritannien. 1897 stieg Puch jedoch aus seiner Firma aus, nachdem es mit seinem Partner, der Bielefelder Maschinenfabrik Dürkopp, die sich 1896 an den Styria Fahrradwerken beteiligt hatte, zu Unstimmigkeiten gekommen war (Styria-Dürkopp wurde 1927 von den Steyr-Werken übernommen).
Kurz darauf gründete er mit seinen Mitarbeitern Anton Werner und Martin Nöthing eine neue Firma. Das Werk befand sich auf dem Gelände einer ehemaligen Wassermühle in Puntigam, damals noch eine eigenständiger Ort im Süden von Graz. Um die Jahrhundertwende begann Puch mit der Produktion von Automobilen (1900) und Motorrädern (1903). Weitere Produkte waren Motorpflüge, Motorrollbahnen und Motorfeldbahnen.
Infolge der neuen geografischen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach dem Ersten Weltkrieg schlossen sich Austro Daimler (eine ehemalige Tochtergesellschaft der deutschen Daimler Motoren Gesellschaft) aus Wiener Neustadt, die Österreichische Automobil Fabrik (ÖAF; vorm. Austro Fiat) aus Wien und die Puch-Werke aus Graz 1923 zu einer Interessengemeinschaft zusammen. 1928 kam es zur Fusion von Austro Daimler, Puch und der Österreichischen Flugzeugfabrik, die ebenfalls ein Werk in Wiener Neustadt besaß und dort Karosserien für Austro Daimler herstellte.
Wegen der Weltwirtschaftskrise kooperierte Austro Daimler Puch ab 1930 bei der Automobilproduktion mit den Steyr-Werken (Autos, Fahrräder, Flugmotoren, Lastwagen, Traktoren, Waffen). 1934 schlossen sich Austro Daimler Puch und Steyr ganz zusammen (Steyr-Daimler-Puch). Die Werke in Wiener Neustadt wurden daraufhin aufgegeben und die Produktion nach Steyr und Graz verlagert.
In den 1930er Jahren nahm Steyr-Daimler-Puch die Waffenproduktion wieder auf – zunächst als Tochtergesellschaft des deutschen Waffenkonzerns Rheinmetall – und nachdem die Deutschen 1938 in Österreich eingefallen waren, als Teil der Herrmann-Göring-Werke. Während des Zweiten Weltkriegs entstand in Graz-Thondorf ein zweites Puch-Werk.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs produzierte Busse (Styer), Fahrräder (Puch), Geländefahrzeuge (Steyr-Puch), Handfeuerwaffen (Steyr), Lastwagen (Steyr), Motorräder (Puch), Pkw (Steyr-Puch) und Traktoren (Steyr). Bei den Pkw beschränkte man sich auf Fiat-Nachbauten (1957 – 1974 Steyr-Puch 500/650/700, 1973 – 1975 Steyr-Puch 126). Im Vordergrund standen nun Nutzfahrzeuge (Busse, Geländefahrzeuge, Lastwagen, Militärfahrzeuge, Traktoren), die in viele Länder der Welt exportiert wurden. Gemeinsam mit Daimler-Benz entwickelte Steyr-Daimler-Puch den Geländewagen Puch/Mercedes G, der seit 1979 in Graz gebaut wird.
1959 übernahm Steyr-Daimler-Puch die österreichische Niederlassung des Schweizer Nutzfahrzeugherstellers Saurer in Wien-Simmering, die neben Bussen und Lastwagen auch Schützenpanzer produzierte. Die Produktion in Wien-Simmering wurde 1970 eingestellt.
In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre begann die schrittweise Auflösung des Steyr-Daimler-Puch-Konzerns. Zu den Käufern der einzelnen Sparten gehörten Case (Landmaschinen; 1996), General Dynamics (Militärfahrzeuge; 2003), Magna International (Automobile, Fahrzeugteile; 1998), MAN (Lastwagen; 1990), Piaggio (Fahrräder, Mopeds, Motorräder; 1987) und Volvo (Busse; 1990/1996). Die Produktion der Handfeuerwaffen wurde 1991 verselbstständigt (Steyr Mannlicher).
Piaggio produzierte bis zur Jahrtausendwende noch Puch-Fahrräder und -Mopeds, gab die Markenrechte für den Fahrradbereich aber 1997 an die schwedische Unternehmensgruppe Grimaldo ab, zu der auch Cycleurope gehört (Bianchi, Crescent, DBS, Everton, Gitane, Kildemoes, Monark, Puch, Spectra, Tec, Definitive, Peugeot Cycles). Seit 2012 gehört die Fahrradmarke Puch dem österreichischen Piaggio-Generalimporteur Faber; gebaut werden die Fahrräder aber weiterhin bei Cycleurope in Frankreich.
Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Pixabay.com, Public Domain