Markenlexikon

PolyGram

Ursprungsland: Niederlande

Der niederländische Elektrokonzern Philips und der deutsche Elektrokonzern Siemens gründeten 1962 das Jointventure Gramophon-Philips Group und erwarben an ihren im Musikbereich tätigen Tochtergesellschaften Philips Phonographische Industrie (PPI; ab 1967 Phonogram) und Deutsche Grammophon Gesellschaft/Polydor International (DGG/Polydor) wechselseitig Beteiligungen, Philips fünfzig Prozent an DGG und Siemens fünfzig Prozent an PPI.

Als internationale Holding für die Siemens- und Philips-Musikaktivitäten entstand 1972 das Jointventure PolyGram (POLYdor + PhonoGRAM), an dem Philips und Siemens zu je fünfzig Prozent beteiligt waren. Gleichzeit erwarb PolyGram einen Anteil an dem Londoner Musikverlag Chappell.

Da PolyGram mit seinen Labels Deutsche Grammophon, Fontana, Philips, Phonogram, Polydor und Vertigo in Europa bereits gut im Geschäft war (1975 kamen noch Metronome Musik und das Compilations-Label PolyStar dazu, 1978 Barclay/Frankreich und 1980 Decca London), versuchte man zunächst auf dem amerikanischen Markt stärker Fuß zu fassen, wo Philips bereits Mercury Records und seit 1969 eine Polydor-Niederlassung besaß. 1972 erwarb PolyGram MGM Records, die Schallplattenabteilung des Filmstudios Metro-Goldwyn-Mayer, zu der auch das Jazzlabel Verve Records gehörte. 1976 schloss PolyGram Vertriebsabkommen mit MCA Records und 20th Century Records.

Vor allem aber durch die Übernahme von RSO Records (1976/1981) und Casablanca Record & FilmWorks (1977/1980), zwei Plattenfirmen, die mit ihren Stars Donna Summer, Giorgio Moroder, Kiss, Bee Gees, Village People, John Travolta und Olivia Newton John die Discowelle der späten 1970er Jahre dominierten, schaffte das Unternehmen den Sprung nach ganz oben. Auch im folgenden Jahrzehnt ließ PolyGram keine Gelegenheit aus, weitere Plattenfirmen und Musikverlage zu kaufen (1978 Pickwick; 1982 20th Century-Fox Records; 1989 A&M Records, Polar Music, Sweden Music, Welk Music Group/Vanguard Records, Cedarwood Music und Island Records; 1991 Sonet, 1992/1995 Interscope, 1993 Motown, 1994 Def Jam Records, 1995 Rodven Records).

Ebenfalls durch eine Reihe von Übernahmen, die 1980 mit dem Erwerb von Casablanca Record & FilmWorks ihren Anfang nahm und 1995 mit dem Kauf der International Television Corporation (ITC) ihren Höhepunkt erreichte, entstand die Filmgesellschaft PolyGram Filmed Entertainment. Zu den bekanntesten Filmen, an denen PolyGram beteiligt war, gehören »Foxes – Jeanies Clique« (1980), »American Werewolf« (1981), »Endless Love« (1981), »Missing« (1982), »Flashdance« (1983), »A Chorus Line« (1985), »Batman« (1989), »Wild At Heart« (1990), »Batmans Rückkehr« (1992), »Batman Forever« (1995), »Dead Man Walking« (1995), »The Green Mile« (1999) und »Bean« (1997).

Die PolyGram-Aktivitäten in den USA (Casablanca, Mercury, MGM, Phonogram, Polydor, RSO, Verve) wurden 1981 unter dem Dach von PolyGram Records zusammengefasst. Nachdem 1983 ein Zusammenschluss mit der Musiksparte von Warner Communications (WEA) am Einspruch der US-amerikanischen und deutschen Kartellbehörden gescheitert war, erwarb Philips weitere vierzig Prozent der PolyGram-Anteile und 1987 auch den Rest. 1989 brachte Philips PolyGram teilweise an die Amsterdamer Börse.

In den 1990er Jahren geriet der Philips-Konzern in schwierige wirtschaftliche Verhältnisse, die dazu führten, dass ab dieser Zeit zahlreiche Geschäftsbereiche nach und nach verkauft oder ausgegliedert wurden. 1998 verkaufte Philips sein Musikgeschäft (PolyGram) an den kanadischen Spirituosenkonzern Seagram, dem bereits die Universal Studios und die Universal Music Group, die frühere MCA Music Entertaiment Group, gehörten. Seagram integrierte PolyGram mit ihren zahlreichen Labels daraufhin in die Universal Music Group.

Der Name Polygram wird seit 2017 für das UMG-Tochterunternehmen Polygram Entertainment verwendet, das Spiel-, TV- und Dokumentarfilme aus dem Musikbereich produziert. Die erste Produktion war der Dokumentarfilm »The Story of Motown«.

Text: Toralf Czartowski