Markenlexikon

Phonogram

Ursprungsland: Niederlande

Der niederländische Elektrokonzern Philips erwarb 1942 die Hollandsche Decca Distributie, eine 1931 von Heinrich Wilhelm van Zoelen gegründete Vertriebsgesellschaft für die britische Decca Record Company. 1950 rief Philips eine eigene Plattenfirma ins Leben (N.V. Philips Phonographische Industrie). Der Hauptsitz befand sich in Baarn, wo 1951 auch ein Presswerk errichtet wurde. Einen kompletten Zusammenschluss von Philips mit der britischen Decca Record Company lehnte dessen Eigentümer Edward Lewis jedoch ab. Da das Vertriebsabkommen mit Decca noch bis 1950 lief, bestand das Philips-Repertoire in den ersten Jahren vor allem aus Decca-Klassikplatten.

1951 schloss Philips einen Vertriebsvertrag mit der US-Plattenfirma Columbia, die damals noch keine europäische Niederlassung besaß; die Columbia-Platten wurden in Großritannien unter dem Label Philips, dem Philips-Sublabel Fontana (ab 1958) und CBS Records vermarktet (Columbia durfte in Europa den eigenen Namen nicht verwendern, da er dort dem EMI-Konzern gehörte). Als dieses Abkommen endete, erwarb eine US-Tochtergesellschaft von Philips 1962 die Mercury Record Corporation aus Chicago. Auf Fontana erschienen in Großbritannien auch die Platten von Motown, Island Records (Spencer Davis Group, Jackie Edwards, Jimmy Cliff) und Vanguard Records (Joan Baez, The Weavers, Buffy Sainte-Marie, Country Joe & The Fish, The Rooftop Singers). Zu den Musikern, die Philips/Fontana selbst unter Vertrag hatte oder mit deren Produktionsfirmen Vertriebsabkommen bestanden, gehörten u.a Wayne Fontana & The Mindbenders, The Troggs, The Merseybeats, Gloria Lynne, Silkie, The New Vaudeville Band, Steam, Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick & Tich, Manfred Mann, Los Incas, The Pretty Things, Nana Mouskouri, Roger Whittaker und Jane Birkin & Serge Gainsbourg.

1962 gründeten Philips und der deutsche Elektrokonzern Siemens das Jointventure Gramophon-Philips Group und erwarben an ihren im Musikbereich tätigen Tochtergesellschaften Philips Phonographische Industrie (PPI; ab 1967 Phonogram) und Deutsche Grammophon Gesellschaft/Polydor International (DGG/Polydor) wechselseitig Beteiligungen, Philips 50 Prozent an DGG und Siemens 50 Prozent an PPI. Weitere Phonogram-Tochtergesellschaften entstanden u.a. in Hamburg (1968; Phonogram Tongesellschaft mbH; 1972 Phonogram GmbH; Label: Phonogram), London (1970; Phonogram Ltd.; Labels: Philips, Fontana, Mercury, Vertigo) und Chicago (1973; Phonogram Inc.; Label: Mercury Records), außerdem Phonogram International in Baarn (1971). Die Phonogram Tongesellschaft mbH war die Nachfolgefirma der 1947 in Hamburg gegründeten Philips Ton Gesellschaft mbH.

1969 etablierte Philips/Phonogram in London das Label Vertigo, das für die Vermarktung progressiver Rockmusik zuständig war (u.a. Aphrodite's Child, Black Sabbath, Colloseum, Kraftwerk, Manfred Mann's Earth Band, Status Quo).

Als internationale Holding für die Siemens- und Philips-Musikaktivitäten entstand 1972 das Jointventure PolyGram (POLYdor + PhonoGRAM), an dem Philips und Siemens zu je 50 Prozent beteiligt waren. Gleichzeit erwarb PolyGram einen 49-prozentigen Anteil an dem Londoner Musikverlag Chappell & Co.

Da PolyGram mit seinen Labels Deutsche Grammophon, Fontana, Philips, Phonogram, Polydor und Vertigo in Europa bereits gut im Geschäft war (1975 kamen noch Metronome Musik und das Compilations-Label Polystar dazu, 1978 Barclay/Frankreich und 1980 Decca London), versuchte man zunächst auf dem amerikanischen Markt stärker Fuß zu fassen, wo Philips bereits Mercury Records und seit 1969 eine Polydor-Niederlassung (Polydor Inc.) besaß. 1972 erwarb PolyGram MGM Records, die Schallplattenabteilung des Filmstudios Metro-Goldwyn-Mayer, zu der auch das Jazzlabel Verve Records gehörte. 1976 schloss PolyGram Vertriebsabkommen mit MCA Records und 20th Century Records.

Vor allem aber durch die Übernahme von RSO Records (1976/81) und Casablanca Record & FilmWorks (1977/80), zwei Plattenfirmen, die mit ihren Stars Donna Summer, Giorgio Moroder, Kiss, Bee Gees, Village People, John Travolta und Olivia Newton John die Discowelle der späten 1970er Jahre dominierten, schaffte das Unternehmen den Sprung nach ganz oben. Auch im folgenden Jahrzehnt ließ PolyGram keine Gelegenheit aus, weitere Plattenfirmen und Musikverlage zu kaufen (u.a. 1978 Pickwick; 1982 20th Century-Fox Records; 1989 A&M Records, Polar Music, Sweden Music, Welk Music Group/Vanguard Records, Cedarwood Music und Island Records; 1991 Sonet, 1992/95 Interscope, 1993 Motown, 1994 Def Jam Records, 1995 Rodven Records).

Die PolyGram-Aktivitäten in den USA (Phonogram Inc./Mercury Records, MGM Records/Verve Records, Polydor Inc., RSO Records, Casablanca Records) wurden 1981 unter dem Dach der PolyGram Records Inc. (New York) zusammengefasst. Das war auch gleichzeitig das Ende des Labels Philips im Bereich Popmusik; fortan gehörte Philips neben Decca und Deutsche Grammophon zum Bereich PolyGram Classics. Für den Pop- und Rockbereich der PolyGram-Gruppe waren nun die Labels Polydor, Mercury und Vertigo zuständig. Die Firmen Phonogram Ltd. (London) und Phonogram GmbH (Hamburg) blieben allerdings bestehen.

Nachdem 1983 ein Zusammenschluss mit der Musiksparte von Warner Communications (WEA) am Einspruch der US-amerikanischen und deutschen Kartellbehörden gescheitert war, erwarb Philips weitere 40 Prozent der PolyGram-Anteile und 1987 auch den Rest. 1989 brachte Philips die PolyGram N.V. teilweise an die Amsterdamer Börse (16 Prozent). 1995 wurde die Phonogram Ltd. schließlich in Mercury Records Ltd. umbenannt und die Phonogram GmbH in Mercury Records GmbH.

1998 verkaufte Philips die PolyGram N.V. an den kanadischen Spirituosenkonzern Seagram, dem bereits die Universal Studios und die Universal Music Group, die frühere MCA Music Entertaiment Group, gehörten. Seagram integrierte PolyGram mit ihren zahlreichen Labels daraufhin in die Universal Music Group.

Text: Toralf Czartowski