Markenlexikon
Die Peugeot-Familie, die auf Jean-Jacques Peugeot (1699 – 1741) zurückgeht, betrieb ab dem frühen 18. Jahrhundert mehrere Öl- und Getreidemühlen sowie Färbereien in der Gegend um den Ort Hérimoncourt an der Schweizer Grenze, wo der Fluss Doubs eine ideale Antriebsquelle für Wassermühlen war. Im Laufe des 19. Jahrhunderts errichteten Mitglieder der Familie Eisengießereien und Walzwerke (Hérimoncourt/Terre-Blanche, Mandeure/Beaulieu, Valentigney), wo u.a. Sägeblätter, Metallsägen, Uhrenfedern, Korsettstangen und später auch Bügeleisen, Nähmaschinen, Pfeffermühlen, Fleischwölfe, Regenschirme, Kaffeemühlen, Spaten, Heugabeln, Macheten, Schergeräte und Werkzeuge produziert wurden. 1858 machte man den Löwen, dessen Zähne mit ein bisschen Fantasie an Sägezähne erinnern, zum Peugeot-Markenzeichen.
Nachdem der Ingenieur Armand Peugeot (1849 – 1915), der das Unternehmen ab 1865 zusammen mit seinem Cousin Eugène Peugeot (1844 – 1907) leitete, auf einer Ausstellungen einen Daimler-Motor gesehen hatte, bekam er Interesse an Automobilen. Zuvor hatte er innerhalb des Familienunternehmens bereits Fahrräder (ab 1882) und dampfbetriebene Dreiräder (ab 1889) gebaut. 1891 folgte das erste Peugeot-Automobil mit einem Daimler-Heckmotor. 1896 gründete Armand in Audincourt und Lille das Unternehmen Automobiles Peugeot. Ab 1897 fertigte Peugeot auch eigene Motoren. Eugène Peugeot (1844 – 1907) führte die alte Firma weiter, da er mit Automobilen nichts anfangen konnte.
1898 brachte Robert Peugeot (1873 – 1945), ein Sohn von Eugène Peugeot, die ersten Motorfahrräder auf den Markt. 1906 begann er in zusammen mit seinen Brüdern Pierre (1871 – 1927) und Jules Peugeot (1882 – 1959) gegen den Willen ihres Vaters ebenfalls Automobile zu bauen (Lions-Peugeot).
1912 fasste die Peugeot-Familie ihre beiden Firmen wieder in einem gemeinsamen Unternehmen zusammen. Ab 1913 produzierte Peugeot in einem kurz zuvor neu errichteten Werk in Sochaux die ersten Peugeot-Lastwagen. In diesem Werk wurden später auch Pkw hergestellt. Bis 1972, als man eine weitere Fabrik in Sausheim bei Mulhouse in Betrieb nahm, war Sochaux der wichtigste Produktionsstandort von Peugeot.
1927 wurden die Fahrradwerke wieder ein separates Unternehmen (Cycles Peugeot). Von 1904 bis 1986 unterhielt Peugeot ein eigenes Radsportteam. 1905 gewann der französische Radrennfahrer Louis Trousselier die erste Tour de France auf einem Peugeot-Rad. Auch in späteren Jahren kamen die Tour-Sieger mehrfach vom Peugeot-Team (1906 René Pottier, 1907/1908 Lucien Petit-Breton, 1913/1914 Philippe Thys, 1922 Firmin Lambot, 1967 Roger Pingeon, 1975/1977 Bernard Thévenet). 1966 und 1967 fuhr der berühmte belgische Radrennfahrer Eddy Merckx für das Peugeot-Team und wurde 1967 Weltmeister im Straßenradsport. Bis in die 1950er Jahre hinein war Peugeot auch der führende französische Motorradhersteller, später baute man nur noch Motorroller und Mopeds.
1965 kam es mit der Gründung der Holdinggesellschaft Peugeot S.A. (PSA) zur erneuten Fusion aller Peugeot-Firmenteile. 1974 übertrug der Reifenhersteller Michelin, dem seit 1934 der Autohersteller Citroën gehörte, die unternehmerische Leitung von Citroën auf Peugeot, was 1976 zum vollständigen Zusammenschluss von Peugeot und Citroën in der Holdinggesellschaft Peugeot S.A. (PSA Peugeot Citroën) führte. 1978 erwarb PSA das Europa-Geschäft von Chrysler (Simca, Talbot) inkl. eines Werkes in Poissy, das 1940 von Ford in Betrieb genommen worden war, dann Simca gehörte und schließlich Chrysler. Die Marken Simca und Talbot gab Peugeot Mitte der 1980er Jahre auf.
1986 gliederte PSA die Motorroller-Produktion in eine eigene Firma aus (Peugeot Motorycles), die 2014/2019 an den indischen Fahrzeughersteller Mahindra verkauft wurde. Cycles Peugeot (Fahrräder) gehörte von 1992 bis 2004 zu Cycleurope (Beistegui Hermanos, Gitane), dann erwarb PSA die Markenrechte zurück und fertigt nun wieder selbst Fahrräder im Werk Sochaux.
Peugeot wurde vor allem mit Mittelklasse-/Kompaktfahrzeugen und Kleinwagen erfolgreich. Die meisten Mittelklasse-Fahrzeuge gab es nicht nur als Limousine, sondern auch als Kombi, Cabrio, Coupé und Pickup. Mehrere Peugeot-Modelle wurden von der italienischen Karosseriefirma Pininfarina gestylt (304, 403, 404, 405, 504). Das meistverkaufte Mittelklassemodell von Peugeot war mit rund 3,7 Millionen Exemplaren die viertürige Stufenhecklimousine Peugeot 504 (1968 – 1983). Nur die Kleinwagen Peugeot 206 (1998 – 2006; 8,3 Millionen Exemplare) und Peugeot 205 (1983 – 1998; 5,2 Millionen Exemplare) verkauften sich noch besser. Das Modell Peugeot 201 (1929 – 1937) trug erstmals die noch heute verwendete dreistellige Typenbezeichnung mit einer »0« in der Mitte, die auch markenrechtlich geschützt ist. Inzwischen gibt es von Peugeot auch SUVs, Hochdachkombis, Vans und Kleintransporter.
2017 erwarb PSA das gesamte Europa-Geschäft von General Motors (Opel, Vauxhall) mit Werken in Eisenach (Opel), Gliwice/Polen (Opel), Kaiserslautern (Opel), Luton (Vauxhall), Ellesmere Port (Vauxhall), Rüsselsheim (Opel) und Figueruelas/Zaragossa (Opel). 2021 schlossen sich FCA Fiat-Chrysler Automobiles (Abarth, Alfa-Romeo, Chrysler, Dodge, Jeep, Fiat, Lancia, Maserati, Ram) und PSA (Citroën, DS, Opel, Peugeot, Vauxhall) zum Stellantis-Konzern zusammen. Die Peugeot-Familie ist neben der Agnelli-Familie (Fiat) noch am Stellantis-Konzern beteiligt. Peugeot (ohne Citroën) betrieb Werke in Brasilien (Porto Real), China (Chengdu, Wuhan), Frankreich (Poissy, Sausheim/Mulhouse, Sochaux), Großbritannien (Ryton-on-Dunsmore), Iran (Teheran), Marokko (Kenitra), Slowakei (Trnava) und Spanien (Madrid, Vigo).
Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Pixabay.com, Public Domain