Markenlexikon
Der Engländer Phillip Chappel hatte einst als Verkäufer bei dem Chicagoer Fleischkonzern Swift gearbeitet und später damit begonnen, auf seiner eigenen Farm in Batavia/New York Pferde zu züchten, die er während des 1. Weltkriegs an die US-Regierung verkaufte. Als die Pferde von Lastwagen und Traktoren ersetzt wurden, sattelten er und seine Brüder Ernest und Earle Chappel auf die Verarbeitung von Pferdefleisch um, zunächst für den menschlichen Verzehr. Da der Markt für Pferdefleisch jedoch begrenzt war und die Brüder expandieren wollten, erwarben sie 1923 eine leerstehende Fleischfabrik in Rockford/Illinois und gründeten dort die Firma Chappell Brothers, die unter Markennamen wie Ken-L-Ration (von Kennel = engl. Hundehütte), Ken-L-Meal, Ken-L Biscuits, Ken-L-Worth oder Pup-E-Ration Hundefutter in Dosen sowie Trockenfutter herstellte. Bald darauf errichteten sie ein weiteres Tierfutter-Werk in Pendleton bei Manchester (Großbritannien).
Im Gegensatz zu Europa, wo meist Schlachtabfälle für die Produktion von Tierfutter verwendet wurden, stammte das Fleisch für die Chappel-Produkte zunächst von extra eingefangenen Wildpferden aus Montana und Wyoming. Die Farmer begrüßten diese Aktivitäten, da die Pferde ihren Rindern das Gras wegfraßen. Ansonsten stieß die Verwendung von Pferdefleisch als Hundefutter in den USA zunächst auf Ablehnung, vor allem wegen der schlechten Behandlung der Tiere während des Transports. Da das ganze Tierfutter-Geschäft aber für die Beteiligten viel Geld abwarf, konnten sich die Kritiker kein dauerhaftes Gehör verschaffen.
Beworben wurde Ken-L-Ration im Radio, im Kino, auf Plakaten und in Zeitungsanzeigen von dem deutschen Schäferhund Rin Tin Tin (Rinty; 1918 – 1932), der auch in zahlreichen Hollywood-Filmen zum Einsatz kam, ebenso wie später sein Nachfolger Rin Tin Tin Jr. Lee Duncan, der Besitzer und Trainer von Rinty, hatte es zuvor abgelehnt, dem berühmten Hund Dosenfutter zu geben. Daraufhin soll Phillip Chappell eine Dose geöffnet und selbst eine Portion Hundefutter gegessen haben, um zu beweisen wie rein das Fleisch war.
Chappell Brothers betrieb ab den 1930er Jahren auch eine Forschungseinrichtung, die sich wissenschaftlich mit den Ernährungsbedürfnissen von Hunden und anderen Haustieren beschäftige (Chappel Laboratory for Canine Nutritional Research). Das Werk in Rockford war in den 1920er Jahren der weltweit größte Hersteller von Tierfutter für Hunde, Katzen (Kit-E-Ration) und Vögel (Bird-E-Ration). Daneben verkaufte die Fabrik auch Nebenprodukte aus der Schlachtung (Dünger, Gelatine, Kleber, Knochenstaub).
Infolge der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren und der zunehmenden Verwendung von Rindfleisch für Tierfutter geriet Chappel Brothers jedoch immer mehr in Schwierigkeiten. Phillip Chappel verließ die Firma und ging nach Argentinien, wo er eine Fabrik eröffnete, die Pferdefleisch für den menschlichen Verzehr produzierte. Das Werk in Manchester wurde 1934 an Forrest Edward Mars (1904 – 1999), den Sohn des US-Süßwarenherstellers Franklin Clarence Mars (Maltesers, Milky Way, Snickers, Three Musketeers), verkauft. Das US-Unternehmen Chappell Brothers ging 1942 in den Besitz des Zerealienkonzern Quaker Oats über.
Forrest Mars war nach einem Streit mit seinem Vater 1932 nach Europa gegangen, wo er in Slough (Großbritannien) eine eigene Firma aufbaute. Sein Vater hatte ihm 50.000 Dollar mitgegeben und das Recht, den Milky-Way-Riegel in Europa zu produzieren (hier bekam er den Markennamen Mars). Mit der Übernahme von Chappel Brothers baute sich Forrest Mars ein zweites Standbein auf. Die Produktion des Tierfutters wurde 1935 von Pendleton nach Slough verlegt. Die beiden Mars-Unternehmen (USA, Großbritannien) schlossen sich in den 1960er Jahren wieder zusammen.
Das Mars-Tierfutter-Unternehmen, das im Laufe der Zeit unter verschiedenen Namen auftrat (Chappie, Deutsche Petfood, Effem [F.M. für Food Manufacturers], Food Manufacturers, Mars Petcare, Pedigree Petfoods, Petfoods) wuchs mit Marken wie Chappie (später Chappi), Kit-E-Kat/Kitekat (1939), Meet (1954; ab 1959 Pal), Whiskas (1958), Chum (1960; ab 1964 Pedigree Chum), Frolic (1967), Kal-Kan (Kauf 1968), Thomas Treats (Kauf 1968), Sheba (1982), Catsan (1983), Cesar (1984) und Royal Canin (Kauf 2002) neben Nestlé Purina PetCare (Alpo, Fancy Feast, Felix, Friskies, Purina, Spillers) zum weltweit führenden Tiernahrungshersteller heran. In den 1950er Jahren wurde das Mars-Tierfutter bereits in vielen westeuropäischen Ländern verkauft, in Deutschland ab 1959. Neue Werke entstanden 1951 in Melton Mowbray (Großbritannien), 1960 in Verden, 1967 in Wodonga (Australien), 1972 in Columbus/Ohio (USA), 1974 in Woodston/Peterborough (Großbritannien) und 1982 in Minden (Deutschland). 1965 richtete Mars eine Nutrition Research Unit ein, die seit 1973 in Waltham on the Wolds (18 Kilometer nordöstlich von Melton Mowbray) ansässig ist (Waltham Petcare Science Institute).
Text: Toralf Czartowski