Markenlexikon
Der schwedische Mechaniker Carl Elof Lindström (1869 – 1932) kam 1892 nach Berlin und eröffnete dort 1896 eine kleine Werkstatt, wo er Walzen-Phonographen und bald auch Platten-Sprechmaschinen (Grammophone) herstellte. Die Geräte wurden unter den Namen Lyra und Lynophon verkauft. 1904 entstand aus dem Zusammenschluss von Lindströms Werkstatt und der Salon Kinematograph Company, die 1902 von Max Strauss und Heinrich Zunz gegründet worden war, die Carl Lindström AG. Die Salon Kinematograph Company hatte zuvor schon Lindströms Geräte unter dem Namen Parlophon verkauft. 1910 übernahm Lindström die Beka Record GmbH Berlin, 1911 die International Talking Machine Co. mbH Odeon-Werke Berlin, die Societa Italiana di Fonotipia Milano und die Fonotipia Co. Ltd. London (Jumbo, Jumbola) sowie 1913 die Grünbaum & Thomas AG (Dacapo, Favorite, Lyrophon).
Der Lindström-Konzern war neben The Gramophone Company Ltd. (London) und der Victor Talking Machine Company (Camden) die damals größte Plattenfirma der Welt. Das Unternehmen besaß u.a. Niederlassungen in Ägypten, Arabien (Saudi-Arabien), Argentinien, Brasilien, China, Indien, Indonesien, Russland und Singapur.
1923 entstand unter Leitung von Oscar Preuss eine Niederlassung in London (The Parlophone Co. Ltd.), die vor allem Jazz- und Blues-Platten des US-Schwesterlabels Okeh nach Großbritannien importierte. Das Label Okeh und die dazugehörige General Phonograph Corporation waren 1918/1919 von dem Lindström-Investor Otto K. E. Heinmann (O.K.E.H.) in den USA ins Leben gerufen worden. Die Hauptmarke des Lindström-Konzerns war jedoch Odeon (griech. Odeion = überdachtes Theater, Konzerthaus; lat. Odeon) – benannt nach dem Théâtre de l'Odéon in Paris. Gründer der Odeon-Werke war 1904 der Amerikaner Frederick Marion Prescott, der zuvor im Auftrag Frank Seamans die International Zonophone Company (New York, Berlin) aufgebaut hatte. Die Firma machte in Europa vor allem mit der doppelseitig bespielten Schallplatte auf sich aufmerksam, die Zon-O-Phone bereits 1902 in Brasilien erstmals auf den Markt gebracht hatte.
1926 wurde die Carl Lindström AG von der britischen Columbia Graphophone Co. Ltd., einer früheren Tochtergesellschaft der US-amerikanischen Columbia Phonograph Company, übernommen, die sich 1931 mit The Gramophone Co. Ltd. (His Master's Voice) zur Electric and Musical Industries Ltd. (EMI) zusammenschloss. Was blieb, waren die Namen Odeon und Parlophon – nun in der englischen Schreibweise Parlophone – sowie das 1907 erstmals verwendete stilisierte Lindström-»L«, das noch heute das Parlophone-Firmenzeichen ziert.
Aus Deutschland verschwand das Label vollständig. 1952 legte EMI die Odeon Carl Lindström GmbH und die Electrola GmbH (eine seit 1925 bestehende Tochtergesellschaft der Gramophone Co. Ltd.) in Köln zusammen und man verwendete nur noch die Labels Odeon und Electrola. 1972 wurden beide Unternehmen zur EMI-Electrola GmbH zusammengeschlosssen.
In Großbritannien fristete Parlophone jahrzehntelang ein Dasein als Spoken-Word- und Comedy-Label; die EMI-Platten wurden dort hautsächlich unter den Labels His Master's Voice (HMV) und Columbia veröffentlicht. Erst als George Martin, seit 1955 A&R-Manager von Parlophone, die Beatles 1962 unter Vertrag nahm, ging es wieder aufwärts. Später nahm EMI/Parlophone auch Künstler wie die Hollies, die Easybeats oder die Pet Shop Boys unter Vertrag.
Im Zuge der EMI-Zerschlagung (2011/2012) wurde das Label Parlophone zunächst von Universal Music übernommen, dann jedoch 2013 aus kartellrechtlichen Gründen an die Warner Music Group (Asylum, Atlantic, Elektra, Reprise, Warner Bros. Records, WEA) verkauft.
Text: Toralf Czartowski • Fotos: Pixabay.com, Public Domain