Markenlexikon

Odol

Ursprungsland: Deutschland

Im späten 19. Jahrhundert waren viele Gelehrte der Ansicht, dass die unsichtbaren und krankmachenden Bakterien vor allem durch den Mund in den Körper gelangten. Der aus Magdeburg stammende Karl August Ferdinand Lingner (1861 – 1916), der sich zuvor als Handelsvertreter, Redakteur und Unternehmer (Firma zur Herstellung von Haushaltsartikeln) in Paris und Dresden versucht hatte, bekam 1891 von dem befreundeten Chemiker Dr. Richard Seifert (1861 – 1919), einem Angestellten der Chemischen Fabrik von Heyden (Radebeul), die Rezeptur einer antiseptisch wirkenden Substanz (Salicylsäurephenylester/Salol) zur Produktion und Vermarktung angeboten. Daraufhin gründete Lingner 1892 in Dresden ein chemisches Laboratorium. Lingner entschied sich dafür, ein Mundwasser auf Basis von Salicylsäurephenylester herzustellen. Die Phenylester der Salicylsäure lieferte die Chemische Fabrik von Heyden exklusiv an Lingners Laboratorium. Weitere Zutaten waren u.a. Spiritus, destilliertes Wasser, Saccharin, Pfefferminzöl, Menthol und Zimtöl. Unter dem Markennamen Odol kam das Mundwasser 1892 auf den Markt. Der Name setzt sich aus den beiden Wörtern »odous« (griech. Zahn) und »oleum« (lat. Öl) zusammen.

Anfangs waren in der Fabrikationsstätte am Freiberger Platz rund zwanzig Angestellte mit der Herstellung von Odol beschäftigt, wobei die Flaschen und Verschlüsse von anderen Firmen zugeliefert wurden. 1897 verlegte man die Produktion in die Nossener Straße in eine frühere Klavierfabrik, wo wesentlich mehr Platz zur Verfügung stand. Hier waren nun schon sechzig Mitarbeiter in verschiedenen Abteilungen (Labor, Produktion, Lager, Packerei, Versand, Werbeatelier) mit der Odol-Produktion beschäftigt.

Da um die Jahrhundertwende Hygiene für die meisten Menschen noch ein Fremdwort war, musste Lingner sein neues Produkt mit einer für damalige Verhältnisse sehr teuren Werbekampagne bekannt machen. Die ganzseitigen Zeitungsanzeigen und Plakate verschlangen mehrere Millionen Mark. Doch der Aufwand lohnte sich. Odol revolutionierte die Mundhygiene von Grund auf, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt. Die Odol-Werbung kam teilweise wie Gesundheitserziehung daher; gerne verwendete man als Motiv einen mahnenden Zeigefinger in Verbindung mit Slogans wie »Bedenke, dass Gesundheit regelmäßige Zahnpflege bedingt«. 1913 exportierten die Lingner-Werke ihr Mundwasser bereits in über sechzig Länder. 1916 wurde das Wort Odol sogar in den Duden aufgenommen. Berühmtheit erlangte auch die weiße Seitenhalsflasche (ab 1906), die immer wieder zeitgenössische Künstler und Designer zu kreativen Höhenflügen inspirierte. Der berühmte italienische Opernkomponist Giacomo Puccini schuf gar eine Odol-Ode (L’ode all’ Odol).

Neben dem Odol-Mundwasser produzierten die Lingner Werke auch andere Produkte wie Irex Zahnpulver (ab 1901), Forman Schnupfenwatte (ab 1901), Pixavon Haarwaschseife (ab 1903), Kavon-Seife (ab 1906) und Pitralon-Rasierwasser (ab 1927). Bis zum 1. Weltkrieg errichteten das Unternehmen Niederlassungen und Zweigwerke, u.a. in Argentinien, Brasilien, Chile, Finnland, Großbritannien, Italien, Mexiko, den Niederlanden, Polen, Portugal, Rumänien, Russland, Schweden, der Schweiz, Spanien, Ungarn und Österreich. Viele dieser Aktivitäten gingen jedoch infolge des 1. Weltkriegs wieder verloren. Anfang 1945 wurde das Lingner Werk in Dresden bei einem Bombenangriff fast vollständig zerstört.

Nach dem Ende des 2. Weltkriegs zogen die Lingner Werke nach Düsseldorf um, wo die Produktion von Odol-Mundwasser, Odol-Zahncreme und anderen Produkten (u.a. Pitralon) 1950 wieder anlief. Das verstaatlichte Dresdner Werk stellte bis 1990 ebenfalls Odol und Pitralon her. Ab 1953 produzierten die Lingner Werke auch Zahnbürsten. 1968 wurden die Lingner Werke vom Mischkonzern Preussag übernommen, dann aber 1974 an den britischen Pharmakonzern Beecham (ab 1989 SmithKline-Beecham, seit 2000 GSK GlaxoSmithKline) verkauft, der das Unternehmen mit einer weiteren Tochtergesellschaft (Fischer + Fischer/Uhu-Kleber) zusammenschloss (Lingner + Fischer).

Ab Mitte der 1980er Jahre wurde Odol zur Dachmarke ausgebaut (Mundspray, Mundwasser, Pastillen, Zahncreme, Zahnpflegekaugummi). 1988 und 1989 führte Lingner + Fischer die Marken Aquafresh/Dr. Best (Zahnbürsten mit Schwingkopf und rutschfestem Griff) und Odol Med 3 (Zahncreme) ein, die erste deutsche Zahncreme mit Dreifach-Prophylaxe gegen Karies, Paradontose und Zahnstein. 1990 verkaufte SmithKline-Beecham das Klebstoff- und Körperpflegegeschäft (Badedas, Duschdas, Pitralon, Uhu). Eigentümer der Marke Odol ist heute der britische Pharmakonzern GSK GlaxoSmithKline (Abtei, Dr. Best, Cetebe, Contac, Odol, Panadol, Sensodyne, Tagamed, Zovirax). Die Odol-Produktion wurde 1998 von Düsseldorf nach Herrenberg (Baden-Württemberg) verlegt.

Text: Toralf Czartowski