Markenlexikon
Diese 1889 von Fusajiro Yamauchi (1859 – 1940) in Kyoto gegründete Firma war ursprünglich eine Spielkartenfabrik, die handgemachte Hanafuda-Karten aus der Rinde des Maulbeerbaums herstellte und in zwei Geschäften in Kyoto und Osaka unter dem Markennamen Daitoryo verkaufte. Bis in die 1960er Jahre hinein blieben Spielkarten das Hauptprodukt des Unternehmens, wobei nicht nur traditionelle japanische, sondern auch westliche Kartenspiele hergestellt wurden, u.a. ab 1959 mit Figuren des Disney-Konzerns. Dass man mit Kartenspielen alleine keinen internationalen Konzern aufbauen konnte, dämmerte Hiroshi Yamauchi (1927 – 2013), dem Enkel des Firmengründers, nachdem er 1956 die enttäuschend kleinen Geschäftsräume des damals größten US-Spielkartenherstellers United States Playing Card Company besichtigt hatte. Deswegen experimentierte er in dieser Zeit mit verschiedenen anderen Geschäftsfeldern; in den 1960er Jahren betrieb Nintendo einen Taxi-Service, ein TV-Network, eine Nahrungsmittelfirma und eine Kette von Stundenhotels.
Da sich die neuen Geschäftsbereiche nicht besonders positiv entwickelten, kehrten die Nintendo-Schuster letztlich doch wieder zu ihren Leisten zurück. Nur dass man anstatt Spielkarten nun Spielzeuge herstellte, z.B. den ferngesteuerten Staubsauger Chiritorie (1963), die Teleskophand UltraHand (1966), die Ballwurfmaschine Ultra Machine (1967), den elektronischen Love Tester (1969) oder die Mach Rider (1972). Diese Spielzeuge wurden alle von dem langjährigen Nintendo-Mitarbeiter Gunpei Yokoi (1941 – 1997) entwickelt. In den frühen 1970er Jahren brachte die seit 1962 börsennotierte Firma eine Reihe von elektronischen Spielzeugen auf den Markt, u.a. 1970 ein Strahlengewehr, mit dessen Lichtstrahl man auf Solarzellen-Schießscheiben schießen konnte, und 1973 ein Lasersystem zum Tontaubenschießen (bestehend aus einem Gewehr und einem Overhead-Projektor), für das überall in Japan eigens Schießstände errichtet wurden, vor allem in Bowling-Centern, die Nintendo zuvor gekauft hatte.
1975 erwarb Nintendo eine Vertriebslizenz für die amerikanische Videospielkonsole Magnavox Odyssey. Zwei Jahre später entstand in Zusammenarbeit mit Mitsubishi Electric die erste eigene Konsole Kara Terebi Gemu Roku (Color-TV-Game 6), mit der sechs verschiedene Varianten einer Tennis-Simulation (ähnlich wie Ataris Pong) gespielt werden konnten. In Anlehnung an den ungarische Zauberwürfel Rubik's Cube, der damals gerade weltweit für Furore sorgte, brachte Nintendo 1980 das Tenbirion (auch als Ten Billion Barrel und Teufelstonne bekannt) auf den Markt. Der Durchbruch kam 1983 mit dem Famicom (Family Computer). Damit fegte Nintendo alle anderen Konkurrenten wie Atari, Mattel Intellivision, Magnavox Odyssey und Coleco vom Markt, obwohl die Videospielbranche damals am Boden lag. 1985 folgte das Nintendo Entertainment System (NES), die Weiterentwicklung des Famicom, 1989 der berühmte Game Boy, der nur noch die Größe eines Taschenrechners hatte, 1990 der Super Famicom, der in Europa und den USA als Super Nintendo Entertainment System vermarktet wurde, und 1996 die 64-Bit-Spielekonsole Nintendo 64.
Doch nicht nur bei der Hardware bewies Nintendo eine glückliche Hand, sondern auch bei der dazugehörigen Software, den Spielen. Nintendos erster Hit war 1981 »Donkey Kong«; noch erfolgreicher wurden »Mario Bros.« (1983), »Super Mario World« (1985), »The Legend of Zelda« (1987), »Super Mario Bros. 2« (1986/1988), »Super Mario Land« (1989/1990), »Super Mario Bros. 3« (1990) und vor allem »Pokémon« (1996). Obwohl Firmenchef Hiroshi Yamauchi lange Zeit höchstpersönlich über die Einführung neuer Spiele entschied, hat er selbst nach eigener Aussage sein ganzes Leben nie ein Videospiel angefasst. Der Firmenname Nintendo bedeutet ungefähr soviel wie »sich auf des Himmels oder Gottes Hand verlassen«.
2016 gelang der Spielefirma Niantic aus San Francisco, ein 2010 gegründetes und bis 2015 von Google betreutes Startup, mit dem Smartphone-Spiel Pokémon Go ein weltweiter Erfolg. Das Spiel selbst ist kostenlos, jedoch gibt es zahlreiche kostenpflichtige Zusatzoptionen. Nintendo ist ebenso wie die Pokémon Company und Google an Niantic beteiligt. Die Pokémon Company, die wiederum Nintendo und den japanischen Spieleentwicklern GameFreak (Entwickler des ursprünglichen Pokémon-Spiel von 1996) und Creatures gehört, hält die weltweiten Rechte an der Marke Pokémon. Auch Apple und Google verdienen an dem Spiel durch die Provisionen, die sie für den Vertrieb über ihre App-Stores erhalten.
Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Pixabay.com, Public Domain