Markenlexikon

Motown

Ursprungsland: USA

Bis Ende der 1950er Jahre war die Rassentrennung in den USA allgegenwärtig, nicht nur in Schulen, Bussen oder bei der Arbeit, sondern auch in der Musik. Weiße Musik für Weiße und schwarze Musik für Schwarze hieß die unumstößliche Devise jener Tage. Eine der ersten Plattenfirmen, die diese geschäftshemmende Kategorisierung zu durchbrechen versuchte, war Motown. Der Gründer, Berry Gordy Jr. (* 1929), ein Ex-Boxer, -Schallplattenhändler und Songschreiber (Co-Autor von »Reet Petit« und »Lonely Teardrops« für Jackie Wilson), war selbst schwarz und hatte am eigenen Leib erfahren, wie schwarze Musiker von den »weißen« Plattenkonzernen behandelt wurden.

Schließlich beschloss Gordy die Geschäfte selbst in die Hand zu nehmen. 1958 gründete er zunächst den Musikverlag Jobete Music, den er nach seinen drei Kindern Hazel Joy (Jo), Berry (Be) und Terry (Te) benannte. Im Januar 1959 rief er in Detroit ein eigenes Label ins Leben, das eigentlich Tammy (nach dem Debbie-Reynolds-Film »Tammy And The Bachelor«) heißen sollte, dann aber Tamla genannt wurde, weil der Name Tammy bereits geschützt war. Die erste Platte des neuen Labels war »Come To Me« von Marv Johnson. Im Dezember 1959 entstand noch ein zweites Label, Motown (nach der »Motor-Town« Detroit), das der Firma dann den endgültigen Namen gab: Motown Record Corporation.

Die erste Platte die Motown veröffentlichte, war »Bad Girl« von Smokey Robinson & The Miracles (1959). Um nicht nur auf schwarze Plattenkäufer angewiesen zu sein, die auf Dauer kaum ausgereicht hätten, um einen landesweiten Musikkonzern aufzubauen, versuchten die Motown-Hauskomponisten und -produzenten wie Smokey Robinson, Eddie und Brian Holland, Lamont Dozier und Mickey Stevenson die schwarze Musik dem Geschmack des weißen Publikums anzupassen (Motown-Sound).

Mitte der 1960er Jahre hatte Gordy sein Ziel erreicht. Motown beherrschte mit Stars wie Smokey Robinson (von 1964 bis 1988 war er auch Motown-Vizepräsident), Mary Wells, Diana Ross & The Supremes, The Temptations, The Four Tops, Martha & The Vendellas, The Isley Brothers, Marvin Gaye, The Marvelettes, Gladys Knight & The Pips oder Stevie Wonder die US-Hitparaden. Motown war nun selbst ein Plattenkonzern, mit mehreren Sublabels, eigenen Musikverlagen (Jobete Music), Studios (Hitsville U.S.A.) und Künstleragenturen (International Management), der seine Musiker nicht viel anders behandelte, als die etablierten Musikkonzerne. In den 1970er Jahren verließen deswegen viele einstige Motown-Stars wie die Isley Brothers, Gladys Knight, The Jackson Five und die Four Tops die Firma oder setzten wie Stevie Wonder und Marvin Gaye bei der Unternehmensleitung die volle Kontrolle über ihre Produktionen durch.

1972 verlegte Motown seine Zentrale von Detroit nach Los Angeles, um auch in der Film- und Fernsehbranche Fuß fassen zu können; 1973 entstand der Konzern Motown Industries, unter dessen Dach alle Motown-Aktivitäten zusammengefasst waren. Motown Productions produzierte Filme wie »Lady Sings The Blues« (1972), »Mahogany« (1975), »The Wiz« (1975), »Thank God It's Friday« (1978) und die Martial-Arts-Parodie »The Last Dragon« (1985).

Die Commodores, Diana Ross, die Jackson Five, Lionel Richie, Marvin Gaye, Stevie Wonder und die Temptations waren die Motown-Stars der 1970er und 1980er Jahre. 1984 sorgte der Ex-Commodores-Sänger Lionel Richie mit seinem Album »Can't Slow Down« für die bis dahin erfolgreichste Platte der Motown-Geschichte (zehn Millionen verkaufte Exemplare).

Motown betrieb im Laufe der Jahre zahlreiche Sub-Labels, die teilweise nur sehr kurze Zeit existierten (Black Forum, Check-Mate, Divinity, Gordy, Hitsville/Melodyland, Mel-o-dy, Morocco/Motown Rock Company, Motown Latino, Mo-West, Prodigal, Natural Resources, Rare Earth, Soul, V.I.P., Workshop Jazz, Weed Records).

1988 verkaufte Berry Gordy sein Lebenswerk für 61 Millionen Dollar an den Unterhaltungskonzern MCA/Universal (Decca Records, Geffen Records, MCA Records, Universal Studios) und die Investmentgesellschaft Boston Ventures, behielt aber den Musikverlag Jobete und damit die Verwertungsrechte an den Motown-Songs (erst 1997 verkaufte er Jobete teilweise an EMI). 1993 übernahm die Philips-Tochter PolyGram Motown für 301 Millionen Dollar von Boston Ventures, die seit 1991 alleiniger Eigentümer der Firma war.

Nachdem sich die Universal Music Group (vormals MCA Music Entertainment Group) und PolyGram 1998 zusammengeschlossen hatten, gehört Motown Records – inzwischen in New York ansässig – zur Universal Music Group. Von 2004 bis 2011 war das Label Motown Teil der Universal Motown Records Group, von 2011 bis 2014 gehörte es zur Island Def Jam Music Group und seit 2015 ist es der Capitol Music Group zugeordnet.

Gordys Sohn Kennedy William Gordy gelang 1984 unter dem Pseudonym Rockwell mit dem selbstgeschriebenen Titel »Somebody's Watching Me« ein internationaler Hit.

Text: Toralf Czartowski