Markenlexikon
William Richard Morris, 1st Viscount Nuffield (1877 – 1963) begann seine Karriere im Alter von sechzehn Jahren mit einer eigenen Reparaturwerkstatt für Fahrräder, die anfangs noch in der Wohnung seiner Eltern untergebracht war. Bald darauf, als er eine größere Werkstatt in Oxford eröffnet hatte, baute er auch Fahrräder, die er unter seinem eigenen Namen verkaufte. 1901 konstruierte er ein eigenes Motorrad; daneben betrieb er einen Taxi-Betrieb, einen Autohandel und eine Reparaturwerkstatt für Automobile. 1912 konstruierte er sein erstes Automobil, den Morris Oxford (umgangssprachlich auch Bullnose-Morris genannt), der von 1913 bis 1926 in verschiedenen Ausführungen in einer ehemaligen Militäranlage in Cowley, in der Nähe von Oxford, produzierte wurde. Die Firma hieß zunächst W.R.M. Motors und ab 1919 Morris Motors. Ein weiteres frühes Modell von Morris war der Morris Cowley, der ebenfalls in zahlreichen Varianten bis 1958 in Produktion blieb. Während des Ersten Weltkriegs produzierte das Werk in Cowley jedoch hauptsächlich Munition.
Cecil Kimber (1888 – 1945), der Chef der Morris-Verkaufsfirma Morris Garages in Oxford, begann 1922 mit dem Bau von sportlichen Coupés und Cabrios. Als Basis verwendete er Morris-Fahrgestelle, die Karosserien ließ er bei fremden Firmen nach seinen eigenen Vorstellungen anfertigen. Nachdem die ersten Exemplare als Chumy verkauft worden waren, trugen die Fahrzeuge ab 1924 den Markennamen MG (Morris Garages). Zusammengebaut wurden die MG-Fahrzeuge zunächst in der eigenen Werkstatt, dann in einer Morris-Fabrik, ab 1927 in einer neugebauten Fabrik in Oxford und 1929 zog die Firma nach Abingdon, in der Nähe von Oxford, um.
In den 1920er und 1930er Jahren erwarb Morris Motors die britische Hotchkiss-Niederlassung in Coventry (1923), den Axenhersteller E. G. Wrigley aus Birmingham (1924; daraus entstand der Nutzfahrzeughersteller Morris Commercial Cars), Wolseley Motors aus Adderley Park (1927) und Riley aus Coventry (1938). 1943 fasste William Morris seine Unternehmen in der Holdinggesellschaft Nuffield Organisation zusammen.
Morris Motors baute ebenso wie sein großer Rivale Austin vor allem Kleinwagen, die sich in Großbritannien hervorragend verkauften, u. a. den Morris Minor (1928 – 1934), den Morris Eight (1935 – 1948) und den späteren Morris Minor (1948 – 1971). Darüber hinaus Sportwagen (MG) und Nutzfahrzeuge (Transporter, Pickup-Trucks, Lastwagen). Für die größeren Fahrzeuge waren die Nuffield-Tochtergesellschaften Wolseley und Riley zuständig.
1951/1952 schlossen sich die beiden großen britischen Rivalen Austin (inkl. Vanden Plas) und die Nuffield Organisation (MG, Morris, Wolseley, Riley) zur British Motor Corporation (BMC) zusammen. Die BMC-Fahrzeuge, die fortan in den Werken Abingdon (Austin-Healey, MG, Riley, Wolseley), Adderley Park/Birmingham (Morris Commercial, Wolseley), Bathgate/Schottland (ab 1960; Morris Commercial), Cowley/Oxford (Austin-Healey, Morris, Riley, Wolseley), Kingsbury (Vanden Plas), Longbridge (Austin, Austin-Healey) und Zetland/Sydney (Australien) vom Band liefen, wurden unter den Marken Austin, Austin-Healey (diese von 1953 bis 1967 gebauten Sportwagen hatte Donald Healey entwickelt), Morris, MG, Riley, Vanden Plas und Wolseley verkauft. Die Unterschiede zwischen den Marken waren allerdings meist nur marginaler Natur (Grill, Markensymbole, Ausstattung).
Der große Wurf gelang BMC mit einem billigen und vor allem verbrauchsarmen Kleinwagen, der 1959 als Austin Seven und Morris Mini Minor das Licht der Welt erblickte und 1961 in offiziell in Mini umbenannt wurde. Dieses Fahrzeug mit seiner büchsenförmigen Karosserie und den winzigen Zehn-Inch-Rädern an den äußersten Ecken blieb mit geringen Modifikationen bis zum Jahr 2000 in Produktion. John Cooper (1923 – 2000), der zusammen mit seinem Vater Charles den Rennwagenhersteller Cooper Car betrieb, entwickelte die Rallye-Version Mini Cooper (1961 – 1971), die dreimal die Rallye Monte Carlo (1964, 1965, 1967) gewann.
Neben Kleinwagen und einigen großen Limousinen (u. a. 1938 – 1939 Austin Twenty Eight, 1947 – 1954 Austin Sheerline, 1950 – 1954 Austin A70 Hereford, 1954 – 1968 Austin Westminster) baute BMC vor allem kompakte Fahrzeuge wie den ADO16 (1962 – 1974 Austin 1100/1300, MG 1100/1300, Morris 1100/1300, Riley Kestrel/1300, Vanden Plas Princess 1100/1275/1300, Wolseley 1100/1275/1300) und den ADO17 (1964 – 1975; Austin 1800, Morris 1800, Wolseley 18/85, Wolseley Six). Unter den Namen Austin, Morris und BMC wurden auch Transporter, Kleinbusse und leichte Lastwagen vermarktet.
1966 erwarb BMC den Sportwagenhersteller Jaguar Cars (Coventry-Climax, Daimler, Jaguar) und benannte sich anschließend in British Motor Holdings (BMH) um. Bereits 1968 kam es zu einer weiteren Fusion, als sich BMH mit Leyland (Alvis, Land-Rover, Leyland, Triumph), zusammenschloss (British Leyland).
In den 1970er Jahren produzierte British Leyland verschiedene Mittelklassemodelle wie den Austin Maxi/Leyland Maxi (1969 - 1981), den Austin Allegro/Vanden Plas 1500/1.5/1.7 (1973 – 1982), den Morris Marina (1971 – 1980) und den Triumph Dolomite (1972 – 1980), die vor allem durch mangelhafte Qualität und veraltete Technik negativ auffielen. Nicht viel besser war der außergewöhnlich schnittige Rover SD1 (1976 – 1986), dessen Verkaufszahlen aber aufgrund seiner vielen Qualitätsmängel weit hinter den Erwartungen zurückblieben.
Die Ölkrise Anfang der 1970er Jahre, langwierige Streiks, gravierende Qualitätsmängel und Markenverwässerung im Pkw-Bereich setzten dem Konzern schwer zu. Ende 1974 war British Leyland pleite und musste im Jahr darauf verstaatlicht werden. Ab 1978 firmierte der Konzern, der von den Medien auch gerne Britisch Elend genannt wurde, nur noch als BL.
1979, als die konservative Thatcher-Regierung an die Macht kam, machte man sich in staatlichen Kreisen zunehmend Gedanken über eine Privatisierung des maroden Konzerns. 1982 wurde BL in drei Bereiche aufgeteilt: Austin-Rover (Austin, Land-Rover, MG, Mini), Jaguar Cars und Leyland Vehicles (Nutzfahrzeuge). Jaguar schied 1984 aus dem Konzern aus (Platzierung an der Börse), Leyland wurde 1987 von DAF übernommen. Mit der Umbenennung BL-Konzerns in Rover endete 1986 die Existenz des British-Leyland-Konzerns. Dass man den Namen Austin wegfallen ließ, lag vor allem daran, dass er bei den Kunden ein schlechteres Image hatte als Rover und Land-Rover.
Die Marken Riley (1969), Wolseley (1975), Triumph (1984) und Morris (1984) waren bereits in den Jahren zuvor aufgegeben worden, MG wurde nur noch als Zusatzbezeichnung für sportlich ausgestattete Austin-Fahrzeuge verwendet, ähnlich wie Vanden Plas für höherwertig ausgestattete Varianten. Mini hatte seit 1969 den Status einer eigenständigen Marke. Die letzten Fahrzeuge, die unter der Marke Morris verkauft wurden, waren die Mittelklassemodelle Morris Marina (1971 – 1980) und Morris Ital (1980 – 1984).
Text: Toralf Czartowski • Fotos: Public Domain