Markenlexikon
John Francis Queeny (1859 – 1933), ein Angestellter der Meyer Brothers Drug Company, gründete 1901 in St. Louis/Missouri eine eigene Firma, die er nach dem Mädchennamen seiner Frau (Olga Mendez Monsanto) benannte. Zunächst produzierte das Unternehmen u.a. Saccharin (für die Produktion von Coca-Cola), Koffein, Vanille und ab 1917 ASS (Azetylsalizylsäure = Aspirin). 1919 beteiligte sich Monsanto an dem Chemieunternehmen Graesser Chemical Works aus Ruabon/Wales (Großbritannien), ein Hersteller von Phenol (vollständige Übernahme 1931). Weitere internationale Niederlassungen entstanden 1930 in Australien, 1932 in Kanada und 1947 in Indien. In den 1920er Jahren exportierte Monsanto erstmals Saccharin, verpackt in wasserdichten Ein-Pfund-Dosen, nach China.
Im Oktober 1929, wenige Tage vor dem »Schwarzen Freitag«, wurde das Unternehmen an der New Yorker Börse platziert. Zur gleichen Zeit stieg Monsanto mit der Übernahme der Firmen Rubber Services Laboratories und Merrimac Chemical in die Bereiche Kautschuk- und Textilchemikalien ein. 1935 kam durch den Kauf der Swann Corporation ein neuer Geschäftsbereich hinzu: Phosphor- und Phosphatverbindungen für die Seifen- und Waschmittelindustrie; ab 1936 baute Monsanto in Tennessee eigenes Phosphat ab. 1938 stieg der Konzern mit der Übernahme des Zelluloidherstellers Fiberloid aus Springfield/Massachusetts in das Kunststoff- und Harzgeschäft ein.
Im April 1947 kam es in einem erst kurz zuvor errichteten Monsanto-Werk in Texas City/Texas zu einer folgenschweren Katastrophe: ein im Hafen vor Anker liegendes Schiff, das mit 8.500 Tonnen Ammoniumnitrat-Dünger beladen war, geriet in Brand und explodierte, wodurch das Werk, die Hafenanlagen und die Stadt zum Teil zerstört wurden (rund 600 Gebäude). 581 Menschen kamen durch das Unglück ums Leben, fünftausend wurden verletzt und zweitausend Personen waren anschließend obdachlos. Das Texas-City-Desaster gilt als der schlimmste Betriebsunfall in der Geschichte der USA.
In den 1950er Jahren wurde die Produktpalette um petrochemische Ausgangsstoffe (1955 Übernahme von Lion Oil), Kunststoffe, Kunstharze und Oberflächenbeschichtungen, Kunstfasern (Acrilan, Nylon), Silikon für die Elektronikindustrie und Pflanzenschutzmittel (Herbizide) erweitert: Zu den bekanntesten Monsanto-Marken im Bereich Pflanzenschutz gehörten Randox (1956), Vegadex (1957), Avadex (1961), Ramrod (1965), Lasso (1969), Machete (1971) und Roundup (1974).
In den 1960er Jahren gehörte Monsanto neben Agriselect, Diamond-Shamrock, Dow Chemical, Hercules Powder, Hoffman-Taff Chemicals, Thompson Chemical und Thompson-Hayward Chemical und U.S. Rubber (Uniroyal) zu den Herstellern des Entlaubungsmittels Agent Orange, das von den US-Streitkräften im Vietnam-Krieg eingesetzt wurde, um die Tarnung der Guerillaorganisation NFB (Nationale Front für die Befreiung Südvietnams; auch als Vietcong [= Vietnamesischer Kommunist] bekannt) im dichten Dschungel zu erschweren und Verstecke sowie Versorgungswege aufzudecken. Da das Herbizid jedoch herstellungsbedingt das hochgiftige Dioxin TCDD (2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin) enthielt, erkrankten hunderttausende Bewohner der betroffenen Gebiete und US-Soldaten, die dem Gift ausgesetzt waren, u.a. an schweren Organschäden, Gehirnschäden, Leukämie, verschiedenen Krebsarten, Nervenleiden, Diabetes und Parkinson. Zu den Spätfolgen zählen u.a. Fehlbildungen und geistige Behinderungen bei den Nachkommen. TCCD ist die gleiche Chemikalie, die 1976 in der norditalienischen Stadt Seveso zum Seveso-Unglück führte.
Durch die Übernahme der Firma G.D. Searle 1985 wurde Monsanto auch in den Geschäftsfeldern Pharma (Ambien, Arthrotec, Celebrex, Cytotec, Daypro, Dramamine, Enovid, Metamucil) und Süßstoffe (Aspartame/NutraSweet) tätig. Searle hatte 1960 die erste Antibabypille auf den Markt gebracht (Enovid 10) und 1965 den Süßstoff Aspartame (NutraSweet) entwickelt. 1976 produzierte Monsanto die weltweit erste Kunststoffflasche für alkoholfreie Getränke (Cycle-Safe-Flasche), die jedoch schon ein Jahr später wieder wegen begründeter Krebsgefahr vom Markt genommen werden musste.
In den 1980er Jahren konzentrierte sich Monsanto verstärkt auf die Bereiche Biotechnologie und Biomedizin. 1982 gelang Monsanto-Wissenschaftlern erstmalig die gentechnische Veränderung einer Pflanzenzelle. Ein Jahr später stellte das Unternehmen den ersten Patentantrag für ein gentechnisch verändertes Lebewesen (eine von Monsanto entwickelte Petunie). Ab 1987 führte Monsanto erstmals Feldversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen durch.
In der Folgezeit erwarb Monsanto zahlreiche Biotech- und Saatgutunternehmen (u.a. 1983 Jacob Hartz Seed, 1995/1997 Calgene, 1996 Asgrow Agronomics, 1997 Holden's Foundation Seeds, 1997/1998 DeKalb Genetics, 1998 das internationale Saatgutgeschäft von Cargill sowie Plant Breeding International Cambridge, 2005 Seminis), andere Geschäftsbereiche wurden verkauft oder in selbstständige Unternehmen ausgegliedert (1982 Ammoniumnitrat-Düngemittelgeschäft, 1985 Monsanto Oil, 1995 Styrol-Kunststoffe, 1997 das gesamte Chemiegeschäft, 2000 NutraSweet).
1989 erhielt Cytotec als weltweit erstes Krebsbekämpfungsmittel von der US-Arzneimittelbehörde FDA (Federal Drug Administration) eine Zulassung. 1993 wurde Posilac (Bovine Somatotropin), ein leistungssteigerndes Hormon für Milchkühe, für die kommerzielle Nutzung zugelassen. 1995 folgten mehrere gentechnisch veränderte Produkte: insektengeschützte Bollgard-Baumwolle, NewLeaf-Kartoffeln und YieldGard-Mais. Unter der Marke RoundupReady vermarktete Monsanto genmanipulierte Nutzpflanzen (Baumwolle, Raps, Sojabohnen), die gegen das Herbizid Roundup resistent gemacht wurden. Da das Totalherbizid alle Pflanzen außer der genveränderten Nutzpflanze vernichtet, entfällt das mehrfache Spritzen der Pflanzen mit spezifischen Herbiziden.
2000 schloss sich Monsanto mit dem Pharmahersteller Pharmacia & Upjohn zusammen. Pharmacia behielt das Pharmageschäft von Monsanto und brachte die Agrarsparte 2002 als eigenständiges Unternehmen unter dem Namen Monsanto an die Börse.
2013 erwarb Monsanto das von ehemaligen Google-Mitarbeitern gegründete Start-up Climate, das Wetterprognosen für Millionen Felder in den USA erstellt, um Farmern Ernteausfallversicherungen anbieten zu können. Climates Wetterdaten und Monsantos Datenbanken über Sorten und Erträge wurden inzwischen miteinander kombiniert.
2018 wurde Monsanto von dem deutschen Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer für rund 63 Milliarden Dollar (53,6 Mrd. Euro) übernommen. Die Fusion war die bis dahin teuerste Übernahme eines deutschen Unternehmens. Bayer stieg damit zum weltgrößten Anbieter von Pflanzenschutzmitteln und Saatgut auf. Den belasteten Namen Monsanto gab Bayer auf, die Produkte behielten jedoch ihre Markennamen. Im Zuge der Übernahme musste Bayer einige Geschäftsbereichen an BASF verkaufen (Gemüse- und Feldsaatgutgeschäft, Digital Farming, Unkrautvernichtungsmittel Glufosinat). Von Monsanto erbte Bayer auch zahlreiche juristische Auseinandersetzungen in den USA und anderen Ländern inkl. Entschädigungszahlungen in Milliardenhöhe.
Zu den wichtigsten Produkten von Monsanto gehörten Pflanzenschutzmittel (Lasso, Latitude, Roundup), gentechnisch verändertes Nutzpflanzen-Saatgut, vor allem Mais, Sojabohnen, Reis, Baumwolle, Raps, Sonnenblumen und Kartoffeln (Bollgard, DeKalb, NatureMark, NewLeaf, RoundupReady, YieldGard) sowie Posilac (leistungssteigerndes Hormon für Milchkühe).
Roundup (Wirkstoff: Glyphosat) ist das inzwischen weltweit am meisten verkaufte Totalherbizid (Totalherbizide vernichten alle Pflanzen außer der genveränderten RoundupReady-Nutzpflanze). Über eine eventuelle Karzinogenität von Glyphosat gibt es zahlreiche Studien (u.a. von staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen wie EPA, WHO/IARC, EU/EFSA, Naturschutzbund Deutschland, Greenpeace, Friends of the Earth), die allerdings zu widersprüchlichen Ergebnissen führten.
Seit den 1990er Jahren wurde die Kritik an den Geschäftspraktiken des Konzerns immer lauter. Kritisiert wurden vor allem die Monopolisierung des weltweiten Saatgut- und Nahrungsmittelgeschäfts (Monsanto war nach DuPont der weltweit zweitgrößte Saatgutanbieter und der größte Anbieter von genverändertem Saatgut), die Zerstörung von landwirtschaftlichen Strukturen, die von Monsanto entwickelte Terminator-Technologie (das Erbgut von Pflanzen wird gentechnisch so verändert, dass nur ein einmaliges Keimen der Pflanzen möglich ist, wodurch verhindert wird, dass ein Teil der Ernte für die Aussaat im nächsten Jahr wieder verwendet werden kann), Knebelverträge mit den Nutzern der Monsanto-Produkte (weitreichende Kontrollen der Landwirte und ihrer Anbauflächen, Landwirte durften bei Ernte- oder Ertragsausfällen nicht gegen Monsanto klagen, Schweigepflicht gegenüber Dritten in Konfliktfällen zwischen Landwirten und Monsanto), Vertuschung von möglichen Gesundheitsgefahren, unvermeidbare Kontamination ganzer Regionen mit Monsanto-Saatgut sowie die Einflussnahme von Unternehmenslobbyisten auf Zulassungsbehörden, Politiker, Wissenschaftler und Medienvertreter.
An Monsanto scheiden sich bis heute die Geister: die einen verfolgten den Konzern (als er noch existierte) mit inbrünstigem Hass und sehen in ihm einen teuflischen Moloch, der die Weltherrschaft über die Nahrungsmittel erlangen will, die anderen weisen darauf hin, dass Monsanto auch nichts anderes macht, als Bauern seit vielen Jahrhunderten, nämlich Pflanzen mit allerlei Tricks zu verändern und ihren Wünschen anzupassen. Nur mit etwas moderneren Methoden. Monsanto selbst sah sich als Retter der Erde; die grüne Gentechnik sei die beste Möglichkeit, so die damaligen Konzern-Verantwortlichen, die Versorgung der Weltbevölkerung zu sichern und gleichzeitig die Umwelt zu schützen.
Text: Toralf Czartowski