Markenlexikon
Elliot Handler (1916 – 2011) zog mit seiner Freundin Ruth Marianna Mosko (1916 – 2002) 1937 nach Los Angeles, wo er Industriedesign studierte und sie als Schreibkraft in den Paramount-Studios arbeitete. Für sein Studium entwarf Elliott verschiedene Wohnaccessoires, die Ruth so gut gefielen, dass sie sich die notwendigen Werkzeuge und Geräte für die Herstellung besorgten. Daraufhin gründeten sie eine gemeinsame Firma namens Elzac, die Geschenkartikel und Modeschmuck herstellte.
Nachdem es mit den Geldgebern zu Meinungsverschiedenheiten gekommen war, riefen die Handlers 1945 in Culver City/California gemeinsam mit dem Elzac-Vorarbeiter Harold (Matt) Matson ein neues Unternehmen ins Leben: Mattel Creations (Matt + Elliot = Mattel). Zunächst brachte die Firma Bilderrahmen aus Holz, Kinder-Musikinstrumente, Puppenhäuser und -möbel, Puppen-Kleider und Zündhütchen-Pistolen auf den Markt, die meist von Subunternehmern hergestellt wurden. Mattel selbst beschäftigte sich vor allem mit dem Design, dem Marketing und dem Vertrieb. Matson schied wegen gesundheitlicher Probleme schon bald wieder aus der Firma aus. 1948 wurde Mattel (Matt + Elliot = Mattel) in eine Aktiengesellschaft umgewandelt; der Firmensitz befand sich nun in Hawthorne/California.
Ab Mitte der 1950er Jahre machte Mattel für seine Produkte regelmäßig Werbung im US-Fernsehen, was anfangs aufgrund der enormen Kosten eine große finanzielle Belastung für das noch recht kleine Unternehmen bedeutete; zuvor hatte die Werbung nur aus Anzeigen in Fachzeitschriften und Katalogen bestanden. Doch der Erfolg der TV-Werbung stellte sich schon bald ein.
1956 brachte Ruth Handler von einer Urlaubsreise in der Schweiz eine Hartplastikpuppe namens Lilli mit, die von der deutschen Spielzeugfirma Hausser aus Neustadt bei Coburg hergestellt wurde. Sie diente hauptsächlich zu Werbezwecken für die Lilli-Comics der Bild-Zeitung. Eine Anzeige schlug jungen Männern beispielsweise vor, ihrer Freundin statt Blumen eine Lilli-Puppe zu schenken.
Die Figur Lilli war 1952 in der ersten Ausgabe der Bild-Zeitung als Comic erschienen. Bis 1961 zeichnete der Bild-Karikaturist Reinhard Beuthin, der die Figur erfunden hatte, jeden Tag eine neue Episode, in der sich die schicke Sekretärin Lilli (Kennzeichen: Schmollmund, lange Wimpern, Pferdeschwanz) mit ihren Freundinnen, Freunden oder ihrem Chef über ihre diversen Liebhaber unterhielt oder einfach nur kesse Sprüche klopfte (»Ich könnte ohne alte Glatzköpfe auskommen, aber meine Urlaubskasse nicht!«).
Da die 1941 geborene Tochter der Handlers, Barbara Joyce (Spitzname: Barbie), und ihre Freundinnen gerne mit Papierpuppen spielten, die man immer wieder neu einkleiden und verändern konnte, hatte Ruth Handler schon früher versucht, eine dreidimensionale Puppe in das Mattel-Sortiment aufzunehmen, was aber am Widerstand der Entwicklungsabteilung gescheitert war. Vor allem wurden die Kosten als zu hoch angesehen.
Diesmal setzte sich die Mattel-Mitgründerin, die sich eigentlich mit Verkauf und Marketing beschäftigte, gegenüber den Entwicklern jedoch durch. Drei Jahre dauerte die Entwicklung und um Kosten zu sparen, ließ man die Puppe in Japan herstellen. Doch der Widerstand ihrer meist männlichen Kollegen ließ nicht nach. Die Werbeagentur, die für Mattel tätig war, hielt sie für zu sexy und ein extra in Auftrag gegebener Marktforschungstest kam zu ernüchternden Ergebnissen bezüglich der zu erwartenden Verkäufe.
Als die Puppe im März 1959 unter dem anfänglichen Namen Barbie Teenage Fashion Model erstmals auf der New Yorker Spielzeugmesse American Toy Fair vorgestellt wurde, fanden sich zunächst tatsächlich kaum Käufer. Auch der einflussreiche Versandhauskonzern Sears weigerte sich, eine Bestellung aufzugeben. Erst im Einzelhandel zeigte sich, wie begeistert Barbie von den Mädchen aufgenommen wurde. Im ersten Jahr konnten über 350.000 Exemplare zum Stückpreis von drei Dollar verkauft werden. Mattel wurde von dem Ansturm so überrascht, dass die damals noch mittelständische Firma mit der Produktion und Lagerung anfangs hoffnungslos überlastet war.
1960 ging Mattel an die New Yorker Börse. Der Umsatz des Unternehmens stieg in einer Dekade von rund achtzehn Millionen Dollar (1960) auf über zweihundert Millionen Dollar (1969), was hauptsächlich an der dreißig Zentimeter großen Barbie-Puppe sowie den dazugehörigen Outfits und -Accessoires lag. 1960 bekam Barbie einen Freund, der nach Kenneth Robert (1944 – 1994), dem Sohn der Handlers benannt war, 1963 eine Freundin (Midge) und 1964 ihre erste Schwester (Skipper). 1964 erwarb Mattel alle Rechte an der Lilli-Figur, obwohl die amerikanische Barbie mit der deutschen Lilli nur noch wenig gemein hatte. Die Produktion der deutschen Lilli musste daraufhin eingestellt werden.
1968 brachte Mattel die Hot-Wheels-Modellautos im Maßstab 1:64 auf den Markt, die in den USA eine ähnlich große Verbreitung fanden, wie die Matchbox-Modellautos in Europa. Im Gegensatz zu den Matchbox-Modellen, die existierenden Fahrzeugen einigermaßen realitätstreu nachempfunden waren, handelte es bei den Hot-Wheels-Modellen häufig um Fantasiefahrzeuge. Daneben gibt es von Hot Wheels Rennbahnen, Spielsets und Sammlermodelle (1:18, 1:43).
Nachdem Ruth Handler an Brustkrebs erkrankt war, zogen sich die Gründer 1975 aus der Geschäftsführung von Mattel zurück. Das war allerdings nicht der einzige Grund. In den 1970er Jahren häuften sich die Produkt-Flops und der Kauf von branchenfremden Unternehmen kostete viel Geld, was die Aktionäre aufschreckte. Die allzu kreative Buchhaltung, die die Probleme zu verbergen versuchte, führte sogar zu einer Untersuchung der US-Börsenaufsicht. Das Wall Street Journal druckte 1973 folgenden Witz: »Haben Sie schon von Mattels neuer sprechender Puppe gehört? Wenn man sie aufzieht, prognostiziert sie eine hundertprozentige Steigerung von Umsatz und Gewinn. Dann fällt sie auf ihr Gesicht.«
Ab den 1970er Jahren versuchte Mattel auch in der Unterhaltungsbranche Fuß zu fassen. Zunächst übernahm der Spielzeugkonzern 1971 den Zirkus Ringling Bros. and Barnum & Bailey. Dann folgten 1979 die Eisshows Ice Follies und Holiday on Ice sowie der Verlag Western Publishing (1979). In den 1970er Jahren war Mattel auch an mehreren Filmproduktion beteiligt (1972 »Sounder«, 1974 »Where The Lilies Bloom«, 1978 »A Hero Ain't Nothin' But A Sandwich«). 1982/1983 zog sich der Konzern aus diesem Bereich jedoch wieder zurück.
Auch der Versuch in den Videospielmarkt einzusteigen (Mattel Electronics, Intellivision) blieb ab 1977 auf einige Anfangserfolge beschränkt. Der Zusammenbruch des Videospielmarktes 1984 verhinderte eine weitere Entwicklung, ebenso wie beim Konkurrenten Milton Bradley (MB).
Von 1982 bis 1988 produzierte Mattel eine Reihe von vierzehn Zentimeter großen Action-Figuren aus Kunststoff (He-Man und die Heroic Warriors, Skeleton und die Evil Warriors, Hordak und die Wilde Horde), die sich in den ersten Jahren außerordentlich gut verkauften, woraufhin Mattel die Produktion stark erhöhte. Nachdem jedoch auch andere Spielzeughersteller eigene Action-Figuren auf den Markt gebracht hatten, brach der Absatz 1987 ein, was 1988 zur Einstellung der Masters-of-the-Universe-Serie führte. Anfang der 2000er Jahre gab es noch einmal eine Neuauflage der Figuren, die aber nicht mehr an die alten Erfolge anknüpfen konnten. Dennoch gilt die Masters-of-the-Universe-Serie neben der Barbie-Puppe bis heute als erfolgreichstes Mattel-Produkt.
In den 1990er und 2000er Jahren produzierte Mattel zahlreiche Figuren aus Filmen und TV-Serien wie »Batman«, »Superman«, »Justice League« und »Looney Tunes« (Bugs Bunny, Daffy Duck, Porky Pig/Schweinchen Dick, Road Runner, Speedy Gonzales, Wile E. Coyote), außerdem Disney-Plüschfiguren (König der Löwen, Micky Maus, Donald Duck).
1990 wurde der Mattel-Firmensitz nach El Segundo/California verlegt. In den 1990er Jahren erwarb Mattel mehrere andere führende Spielzeughersteller (1989 Corgi Toys, 1992 International Games [Skip-Bo, Uno], 1993 Fisher-Price, 1997 Tyco Toys [Dinky Toys, Matchbox], 1998 Pleasant [American Girl], Bluebird Toys [Polly Pocket]). 2002 schloss das Unternehmen seine letzte Fabrik in den USA (ursprünglich eine Fisher-Price-Fabrik); seitdem werden sämtlich Mattel-Spielzeuge außerhalb der USA gefertigt.
2012 erwarb Mattel die TV-Produktionsfirma HIT Entertainment, die 1982 von dem Muppets-Erfinder Jim Henson gegründet worden war (Henson International Television). HIT wurde 2016 erst in Mattel Creations umbenannt und 2019 schließlich in Mattel Television. Die 2013 gegründete Filmsparte firmierte erst als Playground Productions, dann als Mattel Playground Productions und seit 2018 als Mattel Films. Mattel hat bisher mehrere Filme, Trickfilme und TV-Serien mitproduziert, die auf Mattel-Spielzeugen basieren. Der von dem Hollywood-Studio Warner Bros. produzierte Spielfilm »Barbie« mit Margot Robbie (Barbie) und Ryan Goslin (Ken) in den Hauptrollen entwickelte sich 2023 zu einem der erfolgreichsten Filme der Welt.
Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Pixabay.com, Public Domain