Markenlexikon

Matra

Ursprungsland: Frankreich

Matra war im Laufe der Jahrzehnte in den unterschiedlichsten Branchen tätig, angefangen vom Raketenbau über Automobile und Motorsport bis hin zu Verlagen und Rundfunksendern. Gegründet wurde das vielseitige Unternehmen 1945 von Marcel Chassagny (1903 – 1988) unter dem Namen Mécanique Aviation Traction (Matra) in Paris. Das Luftfahrtforschungs- und Konstruktionsbüro beschäftigte sich zunächst mit der Entwicklung von Flugmotoren, später mit militärischen Raketen, taktischen Lenkwaffen, Satelliten (u.a. 1965 den ersten französischen Satelliten A 1), Radarabwehrsystemen, Startbahnbomben, Marschflugkörpern, Drohnen sowie Komponenten für die europäische Trägerrakete Ariane und das Raumlabor Spacelab. Mit tatkräftiger staatlicher Unterstützung avancierte das »Büro« bald zum größten Weltraumforschungszentrum Frankreichs. Nebenher produzierte die Matra-Tochtergesellschaft Generale d'Application Plastiques (GAP) in Romorantin (Sologne) auch Kunststoffe, u.a. für Fahrzeugkarosserien.

1963 wurde der frühere Dassault-Ingenieur Jean-Luc Lagardére (1928 – 2003) Chef des Unternehmens und erschloss der Raketenschmiede ganz neue Geschäftsfelder. Um den Namen Matra auch außerhalb der Rüstungsindustrie bekanntzumachen und die eigene Leistungsfähigkeit zu demonstrieren, übernahm Matra 1964 die in finanzielle Schwierigkeiten geratene Sportwagenfirma René Bonnet, für die Matra die Kunststoffkarosserien herstellte, und gründete eine eigene Motorsportabteilung (Matra Sports). Vorerst wurde nur der Sportwagen Bonnet Djet als Matra Jet (1962 – 1968) weitergebaut. 1967 kam das Mittelmotor-Sportcoupé Matra 530 (1967 – 1973) mit Ford-Motor auf den Markt.

Weil ein flächendeckendes Händlernetz fehlte und deswegen der Erfolg der ersten Modelle ausblieb, tat sich Matra mit Chrysler Europe und dessen französischer Tochter Simca zusammen und gründete das Gemeinschaftsunternehmen Matra-Simca. Simca lieferte für Matra u.a. Motoren, Schaltungen und Mechanikteile.

Ab 1966 lieferte Matra Sports Rennwagenchassis an den britischen Tyrrell-Rennstall. Sie wurden in der Formel 2 eingesetzt und waren erst mit Motoren von BRM und dann mit Ford-Cosworth-Motoren ausgestattet. Die von Tyrrell leicht modifizierten Fahrgestelle waren erfolgreicher, als die, die Matra Sports selbst einsetzte. Mit der großzügigen finanziellen Unterstützung der staatlichen Ölgesellschaft Elf Aquitaine und des Staates selbst, der ein französisches Auto auf den internationalen Rennstrecken gewinnen sehen wollte, entwickelten die Matra-Konstrukteure für Tyrrell ein Formel-1-Chassis, das zu den gelungensten seiner Zeit zählte. Angetrieben von einem Ford-Cosworth-Motor sicherte sich Jackie Stewart 1968 mit dem MS10 den Vize-WM-Titel und 1969 schließlich mit dem Matra MS80 den Weltmeistertitel. Der Name Tyrrell tauchte allerdings bei diesen Fahrzeugen noch nicht auf, obwohl Tyrrell die Rennwagen einsetzte. Der Tyrrell-Rennstall wurde damals häufig als Matra International bezeichnet. Tyrrell und Matra trennten sich schon 1970 wieder, da die Franzosen aus unternehmenspolitischen Gründen keinen Motor von Ford mehr einsetzen wollten, was an dem Jointventure Matra-Simca lag. Ford und Chrysler waren in den USA und auch in Europa Konkurrenten. Ken Tyrrell bestand jedoch auf dem erfolgreichen Cosworth-Motor. Daher setzte er 1970 ein Chassis von March ein (March 701), entwickelte aber parallel seinen ersten eigenen Rennwagen, den Tyrrell 001. Matra Sports blieb noch bis 1972 in der Formel 1, ohne jedoch an frühere Erfolge anknüpfen zu können. In anderen Rennserien war das Unternehmen jedoch erfolgreicher: 1972, 1973 und 1974 gewann Matra das 24-Stunden-Rennen von Le Mans und 1973 die Markenweltmeisterschaft.

Matra
Matra

1973 kam der Mittelmotorsportwagen Matra-Simca Bagheera (1973 – 1980; ab 1979 Matra-Talbot Baghera) mit Simca-Motor und Kunststoffkarosserie auf den Markt, der sich jedoch durch seine Unzuverlässigkeit keinen guten Ruf erwarb – 1980 stellte man die Produktion ein. 1978 endete die Zusammenarbeit zwischen Matra und Simca, nachdem Chrysler seine europäische Tochtergesellschaft Chrysler Europe (Simca, Sunbeam, Talbot) an den PSA-Konzern (Peugeot, Citroën) verkauft hatte. Die letzten Matra-Modelle Murena (1980 – 1983) und Rancho (1977 – 1983) wurden anfangs als Matra-Simca und von 1979 bis 1984 als Talbot-Matra verkauft.

1980 gründeten Matra (55 Prozent), Talbot (35 Prozent) und Peugeot (10 Prozent) die Firma Matra Automobiles, die jedoch schon 1983 vollständig in den Besitz von Matra überging. Zur gleichen Zeit entwickelte Matra für Renault den Van Espace, der in Europa zum Vorreiter dieser Fahrzeuggattung wurde. Der Renault Espace lief von 1983 bis 1998 bei Matra in Romorantin vom Band. Danach übernahm Renault die Produktion.

1982 beteiligte sich der französische Staat mit 51 Prozent am Kapital von Matra. 1988 wurde das Unternehmen wieder reprivatisiert – mit Jean-Luc Lagardére als größtem Aktionär. 1989 gründeten Matra Espace (gegründet 1986) und Marconi Space Systems (Großbritannien) das Jointventure Matra-Marconi Space, das zum ersten integrierten europäischen Unternehmen im Raumfahrtsektor wurde. Durch den Kauf der Raumfahrtaktivitäten von British Aerospace (1994) wurde MMS zum größten Satellitenhersteller Europas.

1992 fusionierte Matra mit dem Medienkonzern Hachette, den Jean-Luc Lagardére 1981 gekauft hatte (Matra-Hachette). 1995 wurden die Bereiche Verteidigung und Führungssysteme (Matra Défense), Raumfahrt (Matra Espace) sowie Telekommunikation und CAD (Matra Communications, Matra Datavision) in dem Unternehmen Matra Hautes Technologies zusammengefasst. Aus dem Zusammenschluss der Flugkörperaktivitäten von British Aerospace und Matra entstand 1996 das Jointventure Matra-BAe Dynamics.

1998 schloss sich Matra Hautes Technologies mit dem staatlichen französischen Luft- und Raumfahrtkonzern Aérospatiale zusammen (Aérospatiale-Matra). Im Mai 2000 gründeten Aerospatiale-Matra, der British-Aerospace-Nachfolger BAE Systems (Matra-Marconi Space) und DaimlerChrysler Aerospace (Dornier Satellitensystem) das Jointventure Astrium. Zwei Monate später schlossen sich Aérospatiale-Matra, DaimlerChrysler Aerospace und die spanische CASA zur European Aeronautic, Defence and Space Corporation (EADS) zusammen. Die Medienaktivitäten (Hachette) und die Fahrzeugaktivitäten blieben bei der Holding Lagardére.

Das letzte Auto, das Matra Automobiles entwickelte und baute, war der mutig gestylte Renault Avantime, der im Herbst 2001 auf den Markt kam, dessen Produktion aber bereits Anfang 2003 wegen des schlechten Absatzes wieder eingestellt wurde. Das Werk in Romorantin musste daraufhin geschlossen werden. Kurz nachdem Jean-Luc Lagardére im März 2003 verstorben war, verkaufte die Lagardére Group das Designbüro von Matra Automobiles an die italienische Audodesignfirma Pininfarina. Inzwischen konzentriert sich Matra in Elancourt auf die Entwicklung von Elektroantrieben für Zweiräder, Quads und Automobile.

Text: Toralf Czartowski • Fotos: Public Domain