Markenlexikon

Marlboro

Ursprungsland: USA

Der Tabakhändler Philip Morris (1823 – 1873) eröffnete 1847 in der Old Bond Street, im Londoner Stadtteil Mayfair, ein Tabakgeschäft, in dem er handgerollte türkische Zigarren verkaufte. Ab 1854 stellte die Firma auch Zigaretten her, u.a. die Marken Cambridge, Derby, Oxford Blues, Philip Morris und Marlborough – benannt nach Grand Marlborough Street, wo sich eine der Philip-Morris-Fabriken befand. Der Name Marlborough geht auf die gleichnamige Stadt in der Grafschaft Wiltshire zurück, wo der Legende zufolge der Zauberer Merlin begraben sein soll. Das Motto der Stadt lautet bis heute »Ubi nunc sapientis ossa Merlini« (Wo jetzt die Gebeine des weisen Merlins sind.). Der Stadtname entstand eventuell aus Merlins Barrow (Merlins Grabhügel). Andere Varianten sind Meargealla Beorg (Hügel, auf dem Enzian wächst), Marlinges Boroe und Merleberge.

Nachdem der Gründer verstorben war, führten seine Witwe Margaret und sein Bruder Leopold die Geschäfte weiter. Bis 1894 zog sich die Familie jedoch aus dem Unternehmen zurück. 1902 gründeten die Londoner Firma, die ein Jahr zuvor von König Edward VII. zum offiziellen Hoflieferanten ernannt woden war, und der US-Tabakhändler Gustav Eckmeyer, der seit 1872 Philip-Morris-Zigaretten nach Amerika importiert und dort verkauft hatte, eine Tochtergesellschaft in New York. 1919 verlegte man den Hauptsitz des Unternehmens ganz in die USA nach Richmond/Virginia. Zehn Jahre später begann Philip Morris in Richmond mit der Zigarettenproduktion.

1924 wurde die noch filterlose Marlborough in Marlboro umbenannt und fortan als schicke Frauenzigarette vermarktet (Slogan: »Mild as May«). 1930 bekam sie einen Kurzfilter. Noch wenige Jahr zuvor waren in der Öffentlichkeit rauchende Frauen in den USA undenkbar gewesen. Erst eine provokante Aktion, die der Marketing-Fachmann Edward Bernays 1920 im Auftrag der American Tobacco Company (Lucky Strike, Pall Mall) inszenierte, führte dazu, dass Frauen das Rauchen nun als Teil ihrer Befreiung von der männlichen Vorherrschaft betrachteten. Unter dem Slogan »Fackeln der Freiheit« ließ Bernays während einer Osterparade in New York eine Frauengruppe rauchend von Pressefotografen ablichten, die die spekatulären Fotos anschließend erwartungsgemäß im ganzen Land verbreiteten.

Bis Anfang der 1950er Jahre blieb Philip Morris eine relativ kleine Tabakfirma, der Marktanteil in den USA lag bei gerade mal einem Prozent. Erst als die Chicagoer Werbeagentur Leo Burnett 1954 den Marlboro-Cowboy erfand (Slogan: »Where there's a man, there's a Marlboro.«), begann der unaufhaltsame Aufstieg dieser Marke und damit auch der Firma. Die neue Werbefigur verwandelte Amerika und den Rest der Welt Zug um Zug in Marlboro-Countries (u.a. 1957 Großbritannien, Australien; 1960 Deutschland, Philippinen; 1962 Finnland, Italien; 1963 Schweiz, Österreich; 1965 Frankreich, 1972 Japan, 1974 Spanien). Der langlebigste Marlboro-Slogan »Come to where the flavor is. Come to Marlboro Country.« wurde erstmals 1963 verwendet.

Marlboro
Marlboro

1955 bekam Marlboro einen Langfilter, außerdem wurden die Zigaretten nun in einer von Frank Giannoto entworfenen rot-weißen Flip-Top-Box verkauft. Vorher waren die Soft-Packungen braun gewesen. Von 1958 an wurde Marlboro auch wieder in Soft-Packs verkauft. Ab 1966 gab es eine Menthol-Variante, die besonders in den USA lange Zeit sehr beliebt war, und 1967 folgte die längeren Marlboro 100's, zunächst in goldenen Verpackungen und ab 1970 in den Marlboro-Farben rot-weiß. 1972 – in diesem Jahr kam auch die Lights-Variante auf den Markt – avancierte Marlboro zur meistverkauften Zigarette der Welt und 1975 setzte sie sich auch in den USA an die Spitze. Zuvor waren Winston vom Camel-Hersteller Reynolds Tobacco und Pall Mall von American Tobacco einige Jahre die meistverkauften US-Zigarettenmarken gewesen.

Der Aufstieg zum weltweiten Marktführer soll, so die Meinung von Chemikern und Konkurrenten, nicht nur mit der markanten Werbung zusammenhängen, sondern auch damit, dass Philip Morris dem Marlboro-Tabak ab 1965 Ammoniak beimischte. Ammoniak und Ammonium-Verbindungen erhöhen den pH-Wert des Rauches und wandeln einen Teil der Schadstoffe in freies Nikotin um, das von der Lunge schneller aufgenommen werden kann und das Gehirn innerhalb weniger Sekunden erreicht (Nikotin kommt im Tabakrauch in Salzform und als freies Nikotin vor). Das Ergebnis ist ein milderer Rauch, eine schnellere Wirkung und eine erhöhte Abhängigkeit trotz geringerer absoluter Nikotin- und Teerwerte.

Der Tabakkonzern Philip Morris (Benson & Hedges, Chesterfield, Lark, L&M, Marlboro, Merit, Parliament, Virginia Slims), dem zwischenzeitlich auch die Brauerei Miller sowie die Nahrungsmittelkonzerne General Foods (Birds Eye, Cafe HAG, Hellmann's, Jell-O, Kaba, Kool-Aid, Maxwell House, Onko, Oscar Mayer, Post Ceraels) und Kraft Foods (Jacobs, Kraft, Milka, Miracle Whip, Mirácoli, Philadelphia, Suchard, Toblerone, Velveeta) gehörten, benannte sich 2003 in Altria Group (von lat. altus = hoch) um. 2008 gliederte Altria die für das internationale Tabakgeschäft zuständige Tochter Philip Morris International (Lausanne/Schweiz) aus dem Konzern aus; die Anteile wurden an die Altria-Aktionäre verkauft. Philip Morris USA und Philip Morris International sind nun zwei voneinander unabhängige Unternehmen, die allerdiungs weiterhin in verschiedenen Bereichen zusammenarbeiten.

Von 1984 bis 2013 wurde unter dem Label Marlboro auch Freizeibekleidung vermarktet. Lizenznehmer und Hersteller war zunächst die italienische Marzotto Group und von 2005 bis 2013 die Valentino Fashion Group (Hugo Boss, Lebole, M Missoni, Valentino), die Marzotto 2002 übernommen hatte. Nach dem Auslaufen der Lizenz wurde die Marke 2013 an eine britische Fondsgesellschaft verkauft und in MCS umbenannt.

Infolge des Umdenkens der Gesellschaft bezüglich der Schädlichkeit von Zigaretten sowie der damit verbundenen staatlichen Restriktionen (Verteuerung, Schadensersatzzahlungen, Schockbilder auf den Schachteln, Werbebeschränkungen, Rauchverbotszonen) setzen die beiden Herstellerfirmen nun hauptsächlich auf den Tabakerhitzer IQOS (Markteinführung 2014 in Japan und Italien), der zwar auch nicht unschädlich ist, aber wesentlich weniger Schad- und Geruchsstoffe freisetzt als herkömmliche Zigaretten.

Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Pixabay.com, Public Domain