Markenlexikon
Die 1840 von Ludwig Sander (1790 – 1877) gegründete Maschinenfabrik Augsburg wurde vor allem durch den Bau der ersten deutschen Rotationsdruckmaschine (1873), der Linde-Kühlmaschinen (1879) und den gemeinsam mit Rudolf Diesel (1858 – 1913) entwickelten Diesel-Motor bekannt. 1897 stellte Diesel den ersten stationären Diesel-Motor in der Maschinenfabrik Augsburg, für die er als freier Berater tätig war, fertig. Der Diesel-Motor kam zunächst als Stationärmotor in Kraftwerken und als Schiffsmotor zum Einsatz. Das erste Dieselkraftwerk wurde von MAN 1904 in Kiew errichtet.
1897 schloss sich die Maschinenfabrik Augsburg mit der 1841 von Johann Friedrich Klett gegründeten Maschinenbau Actien-Gesellschaft Nürnberg zusammen. 1908 wurde das Unternehmen in Maschinenfabrik Augsburg Nürnberg (MAN) umbenannt. MAN produzierte Dieselkraftwerke, Druckmaschinen, Eisenbahnwaggons, Geschützrohre, Lokomotiven, Schiffs- und Flugzeugmotoren sowie ab 1915 auf Druck der deutschen Regierung, die während des Ersten Weltkriegs vermehrt Lastwagen für den Fronteinsatz brauchte, Nutzfahrzeuge nach einer Lizenz der Schweizer Firma Saurer. Von 1921 bis 1962 stellte MAN auch Landmaschinen her, vor allem Traktoren (MAN Ackerdiesel). 1923 brachte MAN den weltweit ersten Lastwagen mit Diesel-Motor auf den Markt.
1921 wurde MAN durch den Bergbau- und Hüttenbetrieb Gutehoffnungshütte (GHH) übernommen, dem auch Ferrostaal (Den Haag) und die Augsburger Zahnräderfabrik Renk gehörte. Nach der Aufteilung des GHH-Konzerns in mehrere Einzelunternehmen (Bergbau, Hüttenwerke, Haniel) gehörte MAN ab 1950 zum Gutehoffnungshütte Aktienverein Oberhausen. 1986 schlossen sich GHH Aktienverein und MAN zu einem Unternehmen mit dem Namen MAN zusammen. Gleichzeitig verlegte man den Firmensitz nach München.
1938 übernahm MAN den Nutzfahrzeughersteller Österreichische Fiat Werke, der daraufhin als ÖAF (Österreichische Automobil-Fabrik) firmierte. Die Produktion der Lastwagen wurde 1957 in einem neuen Unternehmen zusammengefasst (MAN Nutzfahrzeuge München).
Von 1960 bis 1965 erwarb MAN die BMW Flugmotorenabteilung, die die Triebwerke für die deutsche Lizenzvariante des Kampfflugzeugs Lockheed F104G Starfighter baute. 1969 brachten Daimler-Benz (Maybach-Mercedes-Benz Motorenbau Friedrichshafen) und MAN (MAN Turbomotoren München) ihre Motorenbauaktivitäten in das Jointventure Motoren- und Turbinen-Union (MTU) ein, das 1985 ganz in den Besitz von Daimler-Benz überging.
1970 erwarb MAN die Gräf & Stift Automobilfabrik aus Wien, die anschließend mit ÖAF zusammengeschlossen wurde. Durch die Übernahme der Büssing Automobilwerke kam MAN 1971 zu seinem Markenzeichen, den Braunschweiger Löwen. Später übernahm MAN auch die Nutzfahrzeughersteller Steyr aus Steyr/Österreich (1990), Star aus Starachowice/Polen (1999), ERF aus Sandbach/Großbritannien (2000) und den deutschen Bushersteller Neoplan (2001).
1971 beteiligte sich MAN am europäischen Raumfahrtprojekt Europa/Ariane (Entwicklung der Turbopumpen). Dieser Bereich, der Komponenten für Ariane-Raketen, Airbus-Flugzeuge, Tiger-Hubschrauber und militärische Raketen produzierte, wurde 2005 verkauft.
1979 übernahm MAN die Roland Offset- und Maschinenfabrik aus Offenbach am Main, die daraufhin mit dem MAN-Druckmaschinenbau zusammengeschlossen wurde (MAN-Roland). Roland war 1871 von Louis Faber (1841 – 1896) und Adolf Schleicher (1845 – 1910) gegründet worden und gehörte neben Heidelberg zu den weltweit führenden Druckmaschinenherstellern (das Druckmaschinengeschäft verkaufte MAN 2006; Manroland musste 2011 Insolvenz anmelden).
1980 erwarb MAN den dänischen Großmotorenhersteller B&W Diesel. Die Aufzugssparte wurde 1984 an Thyssen verkauft. Die Schienenfahrzeugaktivitäten (Schienenbusse, Straßenbahn- und U-Bahnwagen) übernahm 1990 die damalige Daimler-Benz-Tochter AEG. 1996 kaufte MAN die Turbomaschinenaktivitäten von Babcock-Borsig. 2000 den britischen Dieselmotorhersteller Alstom Engines und 2001 die Turbomaschinenaktivitäten von Sulzer (Schweiz). Das Industriedienstleistungsunternehmen Ferrostaal wurde 2009/2011 verkauft.
Im Zuge des MAN-Übernahmeangebots für den schwedischen Nutzfahrzeughersteller Scania, an dem Volkswagen beteiligt war, erwarb Volkswagen 2006 eine Beteiligung an MAN. Volkswagen und MAN hatten bereits von 1979 bis 1993 bei dem leichten Lkw MAN LT zusammengearbeitet (Chassis, Motor und Vorderachse von MAN; Fahrerhaus, Getriebe und Hinterachse von VW). Die komplette Scania-Übernahme durch MAN scheiterte jedoch am Widerstand von Volkswagen und Scania. Bis 2012 erwarb Volkswagen eine Mehrheit an MAN.
2013 wurde das gesamte Nutzfahrzeuggeschäft von Volkswagen (MAN, Neoplan, Scania, VW) in die Tochtergesellschaft Volkswagen Truck & Bus (ab 2018 Traton) eingebracht. MAN existierte noch bis 2020 als börsennotierte Unternehmenshülle ohne operatives Geschäft; sie war Muttergesellschaft von MAN Diesel & Turbo, MAN Truck & Bus, MAN Latin America und Renk. Diese Aufgabe übernahm daraufhin die Volkswagen-Tochter Traton.
Die MAN-Nutzfahrzeuge werden in den Werken Ankara (Türkei; Reisebusse), Banovce (Slowakei; Komponenten), Salzgitter (Komponenten), München (mittlere und schwere Lkw), Starachowice (Polen; Stadtbusse), Krakau (Polen; leichte, mittlere und schwere Lkw), Olifantsfontain (Südafrika; Busse), Nürnberg (Batterien, Motoren) und Pinetown (Südafrika; Bus- und Lkw-Chassis) gefertigt. Das Werk in Steyr wurde 2021 an eine Beteiligungsgesellschaft verkauft und firmiert nun als Steyr Automotive (Auftragsfertigung für MAN, Palfinger, Volta Trucks). Die MAN-Fahrzeuge werden in einigen Ländern auch unter dem VW-Logo vermarktet.
Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Pixabay.com, Public Domain