Markenlexikon

Lord Extra

Ursprungsland: Deutschland

Lord war ursprünglich eine Zigarettenmarke der 1865 in Konstantinopel gegründeten türkisch-osmanischen Tabak- und Weinhandelsfirma Nestor Gianaclis aus Kairo, die auch Fabriken in Frankfurt/Main (Deutschland) und Genf (Schweiz) besaß. Schon in den 1920er Jahren wurde die Marke, die damals noch Nestor Lord hieß, mit dem Prädikat nikotinarm beworben. Während des Zweiten Weltkriegs kam jedoch wie auch für die meisten anderen deutschen Zigarettenmarken das Aus. Ab 1943 gab es nur noch die namenlose Einheitszigarette.

Mit Einführung der Lord Extra begann 1962 die Ära der Leichtzigaretten in Deutschland. Zwar gab es auch schon früher Bemühungen mildere Zigaretten herzustellen – in den 1930er Jahren kamen in Großbritannien und den USA die ersten Filter-Zigaretten auf den Markt (1931 Parliament von Benson & Hedges, 1936 Viceroy von Brown & Williamson) und die deutsche Marke Gloria galt 1951 wegen ihres Filters gar als Gesundheitszigarette (Slogan: »Warum einschränken...? Lieber eine mehr! Ich rauche ja Gloria! Genuss ohne Reue«) – dennoch wurden in den 1950er Jahren noch vorwiegend filterlose Zigaretten geraucht.

Die 1949 von dem Wiener Juristen Dr. Friedrich Kristinus (1913 – 1995) gegründete Cigarettenfabrik Kristinus München/Speyer (Gloria, Prince of Wales, Windsor) setzte mit ihrer neuen nikotinarmen Marke (Slogan: »Leichter Genuss im Stil der neuen Zeit«) konsequent auf gesundheitsbewusste Raucher und machte Lord Extra neben HB (BAT), Peter Stuyvesant (Reemtsma) und Ernte 23 (Reemtsma) zur damals erfolgreichsten deutschen Zigarette. Bereits 1963 konnten einhundert Millionen Stück verkauft werden, eine magische Zahl, die in der Tabakindustrie als Durchbruch einer Marke gilt.

Bald zogen auch die Mitbewerber nach: die Austria Tabakwerke (ATW) machten 1963 aus der Orientzigarette Milde Sorte, die es bereits seit 1935 gab, eine nikotinarme Zigarette, BAT/Simon Arzt brachte 1964 die nikotinarme Krone heraus (1970 und 1974 folgten mit Kim und Auslese noch zwei weitere nikotinarme Zigaretten) und Reemtsma folgte 1966 mit Atika, ebenfalls eine Marke, die es schon früher gegeben hatte. Keine dieser Marken kam jedoch an den Erfolg der Lord Extra heran. Ab 1969 wurde Lord Extra in einer Hartbox (Klappschachtel) verkauft.

Ihren Erfolg verdankte Lord Extra vor allem auch Frauen, die seit den späten 1960er Jahren immer häufiger zur Zigarette griffen, aber im Gegensatz zu den männlichen Rauchern eher leichtere Marken bevorzugten. Die knallbunten Anzeigen- und Plakatmotive, die fröhliche Menschen bei Sport und Freizeit zeigten und laut Friedrich Kristinus Atmosphäre, Dynamik, Temperament und Unbeschwertheit vermitteln sollten, stammten von der Düsseldorfer Werbeagentur Holzschuher, Bauer & Ulbricht sowie dem englischen Illustrator Gerry Fancett.

Ab 1957 gehörte die Cigarettenfabrik Kristinus zum 1813 gegründeten Bremer Tabakhersteller Martin Brinkmann (Alva, Fatima, Golden Mixture, Lux Filter, Texas). Friedrich Kristinus war der Schwager des damaligen Brinkmann-Eigentümers Wolfgang Ritter. 1960 brachte Brinkmann/Kristinus mit Peer Export (1960) noch eine weitere erfolgreiche Zigarettenmarke auf den Markt. Von 1966 bis 1972 wurde Martin Brinkmann/Kristinus von der südafrikanischen Rembrandt Tobacco Company (Carreras, Cartier, Dunhill, Peter Stuyvesant, Rembrandt van Rijn, Rothmans) übernommen und 1972 in den britischen Tabakkonzern Rothmans International eingegliedert. Im gleichen Jahr konnte sich Lord Extra auf den zweiten Platz der meistverkauften Zigarettenmarken in Deutschland vorschieben. Anfang der 1980er Jahre kam mit Lord Ultra eine noch leichtere Variante auf den Markt.

1999 schlossen sich Rothmans International und British American Tobacco (Auslese, Gold Dollar, HB, Kent, Kim, Krone, Lucky Strike, Pall Mall, State Express 555, Viceroy) zusammen, sodass Lord Extra nun zum BAT-Konzern gehört.

Text: Toralf Czartowski