Markenlexikon
Der Bäckermeister Fritz Lieken (1895 – 1961) erwarb 1922 die seit zwei Jahren stillgelegte Simons-Brotfabrik in Achim bei Bremen, die die Brüder Gustav und Ernst Simons 1922 gegründet hatten. Bevor Lieken mit Hilfe seiner Frau, seines Vaters und eines Gesellen die Fabrik wieder in Betrieb nehmen konnte, gab es jedoch ein Problem zu überwinden. Der Bürgermeister hatte die Baubehörde bereits damit beauftragt, die Fabrik in Wohnräume umzuwandeln. Erst als sich Lieken dazu bereiterklärte, Brot für die minderbemittelte Bevölkerung zum Selbstkostenpreis zu backen, gab die Baubehörde ihre Wohnungspläne auf. Anfangs fuhr er die Vollkornbrote noch persönlich zu den Kunden.
1925 brachte Lieken erstmals in Deutschland abgepacktes Schnittbrot auf den Markt. Ein Jahr später gelang der Firma die Haltbarmachung des Schnittbrotes durch eine Staniolverpackung und anschließendes Erhitzen auf 75 Grad Celsius. Das Brot war nun bis zu zwei Wochen haltbar, was den Versand in ein größeres Gebiet möglich machte (u. a. nach Hamburg und Hannover).
1935 gründeten Fritz Lieken und Alfred Batscheider, der in Deisenhofen eine Bäckerei betrieb, die Batscheider Knäckebrot-Fabrik. Das knusprige und sehr haltbare Knäckebrot stammte ursprünglich aus Schweden, wo es von vielen Bäckereien hergestellt wurde, u. a. von Wasa. Wilhelm Kraft gründete 1927 in Berlin die erste deutsche Knäckebrotfabrik; sie wurde 1931 nach Burg bei Magdeburg verlegt und firmiert seitdem als Burger Knäcke.
Durch die Übernahme der Mitteldeutschen Simonsbrot-Fabrik in Kassel, die Ernst Simons 1903 gegründet hatte, entstand 1937 die ABK-Gruppe (Achimer-Batscheider-Kasseler). Nach dem Tod von Fritz Lieken 1961 heiratete seine Witwe Maria den langjährigen Geschäftspartner ihres Mannes Alfred Batscheider, sodass sich die Bäckereien in Achim, Kassel (Lieken Simons-Brot) und Deisenhofen (Battscheider) nun in einer Hand befanden. 1973 wurde die Mainzer Unternehmerfamilie Schneider (Erdal) neuer Eigentümer der Lieken-Batscheider Mühlen- und Backbetriebe. 1975 führte die Firma für die deutschlandweite Vermarktung ihres Brotes den Markennamen Lieken Urkorn ein.
1998 kam Lieken unter die Kontrolle der Wendeln-Gruppe, die 1919 von Bernhard und Antonia Wendeln in Garrel bei Oldenburg gegründet worden war. Wendeln hatte zuvor schon mehrere andere Bäckereien gekauft (u. a. 1986 Paech Meddewade, 1996 W. Weber Pfungstadt, 1997 Scherpel Brot Lünen), außerdem gehörte dem Unternehmen der Toastbrothersteller Golden Toast (1963 von Wendeln, Müller Brot, Scherpel Brot und W. Weber gegründet).
2000 wurde die Wendeln-Gruppe durch die Backwaren-Einzelhandelskette Kamps übernommen. Der Konditor und Bäckermeister Heiner Kamps, der 1982 seine erste Bäckerei in Düsseldorf eröffnet hatte, verkaufte das Unternehmen jedoch bereits 2002 an den italienischen Nudelhersteller Barilla. 2008 benannte sich Kamps in Lieken um. Barilla verkaufte die Kamps-Backwarenkette mit rund 900 Bäckereien in Deutschland 2010 an einen Finanzinvestor und Lieken 2013 an die tschechische Agrofert-Holding, die Andrej Babis gehört. Lieken (Golden Toast, Lieken Urkorn) beliefert unter den Marken Kornmark und Grafschafter auch mehrere Discounter mit Brot.
Text: Toralf Czartowski