Markenlexikon
Der Maurermeister Hans Liebherr (1915 – 1993) übernahm 1938 das elterliche Baugeschäft in Kirchdorf an der Iller (Baden-Württemberg). Doch als ein Jahr später der Zweite Weltkrieg ausbrach, wurde er als Pionier in die Wehrmacht eingezogen. Die meiste Zeit verbrachte er an der russischen Front, zweimal wurde er verwundet. 1945 kehrte er nach Kirchdorf zurück. Für eine Baufirma gab es nun viel zu tun, doch der Hausbau war zu dieser Zeit Knochenarbeit. Die Bauarbeiter mussten die Steine und den Mörtel mit Hilfe von Kiepen über Treppen und Leitern nach oben tragen. Kräne, die auf kleineren Baustellen eingesetzt werden konnten, gab es nicht, und die großen Kräne, die auf Großbaustellen zum Einsatz kamen, waren zu umständlich auf- und abzubauen.
Schließlich baute Liebherr zusammen mit einigen Schlossern und Schmieden einen mobilen Turmdrehkran, der sich leicht auf- und wieder abbauen ließ; die Montage dauerte nur zwei bis drei Stunden. Auf diese Konstruktion erhielt er 1949 ein Patent. Im gleichen Jahr gründete er ebenfalls in Kirchdorf eine eigene Firma, die die neuen Kräne produzierte. Später kamen auch andere Baumaschinen wie Radlader (1952), Mobil- und Raupenbagger (1955), Hydraulikbagger (1955), Autokrane (1968), Seilbagger (1979) und Bergbaumaschinen (1995) hinzu.
1954 suchte sich die Firma ein Geschäftsfeld, das überhaupt nichts mit Baumaschinen zu tun hat. Nachdem er von seiner Hausbank ein in Konkurs gegangenes Kühlschrankwerk zum Kauf angeboten bekommen hatte, beschäftigte er sich näher mit dieser Branche und kam zu der Erkenntnis, dass man mit Kühlschränken Geld verdienen kann. Zu dieser Zeit besaßen nur zehn Prozent der Deutschen einen Kühlschrank. Schließlich baute Liebherr in Ochsenhausen eine neue Produktionsanlage. Ende der 1950er Jahre begann das Unternehmen, Niederlassungen und Tochtergesellschaften im Ausland zu gründen, zunächst in Irland, später in Südafrika, Österreich, Frankreich, der Schweiz und Großbritannien. 1970 und 1974 entstanden Werke in den USA und in Brasilien.
1960 kam wieder ein neues Geschäftsfeld dazu; Liebherr Aero-Technik begann in Lindenberg im Allgäu mit der Reparatur von Flugzeugfahrwerken und hydraulischen Geräten für die Bundeswehr. Inzwischen produziert Liebherr in Lindenberg und Toulouse (Frankreich) Fahrwerke für Airbus. 1976 teilte sich das Unternehmen in die Liebherr Holding (Biberach an der Riß) und Liebherr International (Bulle/Schweiz) auf.
Liebherr produziert Aerospace-Technik (Elektronik, Fahrwerke, Flugsteuerungssysteme, Getriebe, Luftmanagementsysteme), Bau- und Bergbaumaschinen (Bagger, Betonmischer, Beton-Recyclingsysteme, Bohrgeräte, Fahrzeugkrane, Laderaupen, Mobilbaukrane, Muldenkipper, Planierraupen, Radlader, Rohrleger, Teleskoplader, Turmdrehkrane), Kühl- und Gefriergeräte, Verkehrstechnik (hydraulische Betätigungssysteme, Klimatechnik und Kühlsysteme für die Bahnindustrie), Umschlagmaschinen (Bagger, Containerkrane, Hafenmobilkrane, Schiffskrane, Offshorekrane) und Werkzeugmaschinen (Verzahnmaschinen, Wälzfräsmaschinen, Wälz- und Profilschleifmaschinen, Wälzschälmaschinen, Wälzstoßmaschinen ). Außerdem betreibt das Unternehmen, das sich bis heute in Familienhand befindet, Hotels in Irland, Österreich und Deutschland.
Produktionswerke gibt es Produktionswerke in Algerien (Ain Smara), Australien (Mackay), Brasilien (Guaratinguetá), Bulgarien (Plovdiv, Radinovo), China (Changsha, Chongqing, Dalian, Pinghu, Xuzhou), Deutschland (Bad Schussenried, Biberach an der Riß, Ehingen, Friedrichshafen, Kempten/Allgäu, Kirchdorf an der Iller, Lindau, Lindenberg/Allgäu, Ochsenhausen, Rostock), Frankreich (Colmar), Indien (Aurangabad, Bangalore, Pune), Irland (Killarney), Italien (Collegno), Malaysia (Kluang), Mexiko (Monterrey), Österreich (Bischofshofen, Korneuburg, Lienz, Nenzing, Telfs), Spanien (Pamplona), Thailand (Rayong) und USA (Newport News/Virgina).
Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Pixabay.com, Public Domain