Markenlexikon
Die Morgans gehörten bis weit ins 20. Jahrhundert hinein zu den einflussreichsten Bankern der USA. Angefangen von Junius Spencer Morgan (1813 – 1890), der 1854 zu den Mitbegründern der Bank Peabody, Morgan & Company (später J. S. Morgan & Co., ab 1910 Morgan, Grenfell & Company) gehörte, über seinen Sohn John Pierpont Morgan (1837 – 1913) – meist nur J. P. Morgan genannt – der 1871 zusammen mit Anthony Joseph Drexel das Bankhaus Drexel, Morgan & Co. ins Leben rief (ab 1895 J. P. Morgan & Co.), bis hin zu dessen Sohn John Pierpont Morgan Jr. (1867 – 1943). Besonders J. P. Morgan galt als der Bankier schlechthin. Er war nicht nur an der Gründung und Finanzierung mehrerer Konzerne beteiligt, u. a. General Electric, U.S. Steel, Chrysler, International Mercantile Marine Company (inkl. der White Star Line mit der Titanic) und diversen Eisenbahngesellschaften.
Daneben griff er auch mehrmals in die Staatsfinanzen der USA ein. 1895 und 1907 kaufte er als Anführer von Investorengruppen größere Mengen an Staatsanleihen (die er später gewinnbringend weiterverkaufen konnte) und rettete die USA so vor dem Staatsbankrott. Kritiker warfen ihm allerdings vor, er habe die Börsenkrise von 1907 durch die Verbreitung von Gerüchten über den Bankrott einer großen New Yorker Bank selbst ausgelöst. 1912 kam es wegen fragwürdiger Finanzgeschäfte zu einem Prozess gegen ihn, am Ende wurde er jedoch freigesprochen. Auch J. P. Morgan Jr. nahm Einfluss auf die Politik der USA. So lieh er Großbritannien, Russland und Frankreich während des Ersten Weltkriegs Millionen Dollar für Lebensmittel- und Munitionskäufe.
Infolge des Glass-Steagall Acts von 1933 mussten sich die Banken in den USA entscheiden, ob sie zukünftig als Geschäftsbank (Einlagen- und Kreditgeschäft, Kontoführung, Zahlungsverkehr) oder als Investmentbank (Wertpapiergeschäft) tätig sein wollen (Einführung des Trennbankensystems). Ziel dieses Banking-Acts war es, den Eigenhandel der Banken zu unterbinden. Während der Bankenkrise von 1929 bis 1933 hatten die Banken wegen der engen Vernetzung der beiden Bereiche massive Verluste in beiden Geschäftsfeldern (Kursstürze, Kreditausfälle) erlitten. J. P. Morgan & Co. entschied sich dafür, als Geschäftsbank weiterzumachen; das Investmentgeschäft wurde als eigenständige Bank abgetrennt und von Henry Sturgis Morgan (1900 – 1982), dem Sohn von John Pierpont Morgan Jr., und Harold Stanley (1885 – 1963), seit 1927 ein Partner bei J. P. Morgan & Co., weitergeführt. Zur gleichen Zeit verkaufte J. P. Morgan & Co. auch ein Drittel der Anteile an der Londoner Investmenbank Morgan, Grenfell & Company (1982 den Rest; Morgan Grenfell gehört seit 1989 zur Deutschen Bank).
1959 schloss sich J. P. Morgan & Co. mit der wesentlich größeren Guaranty Trust Company of New York zur Morgan Guaranty Trust Company zusammen (Morgan Guaranty Trust). 1969 entstand die Holdinggesellschaft J. P. Morgan & Co., unter deren Dach alle Aktivitäten des Unternehmens zusammengefasst wurden. 1989 kehrte Morgan Guaranty zum traditionellen Namen J. P. Morgan & Co. zurück.
Im Jahr 2000 wurde J. P. Morgan & Co. von Chase Manhattan übernommen; der neue Finanzdienstleister firmierte als JPMorgan Chase & Co. Chase Manhattan geht einerseits auf die Chase National Bank (gegründet 1877 von John Thompson) zurück und andererseits auf die Bank of the Manhattan (gegründet 1799 von Aaron Burr) ; beide Banken schlossen sich 1955 zusammen. Benannt wurde die Chase National Bank nach Salmon Portland Chase (1808 – 1873), einen Politiker (Finanzminister unter Abraham Lincoln, Gouverneur von Ohio) und Juristen (Vorsitzender Richter des Obersten Gerichtshofes). Durch den Zusammenschluss mit der Equitable Trust Company of New York 1930, stieg die Rockefeller-Familie (Ölindustrie, Immobilien) zum größten Aktionär der Chase National Bank auf. Besonders David Rockefeller (* 1915), ein Sohn von John Davison Rockefeller II. (1874 – 1960), bestimmte die Geschicke der Bank von 1960 bis 1999 nachhaltig. Unter seiner Führung stieg die Chase Manhattan Bank neben der First National City Bank (die spätere Citibank) zu einer der größten Banken der Welt auf. Die Chase National Bank war bis zum Zusammenschluss mit der Bank of the Manhattan Company vor allem eine Handelsbank (Finanzierung von Handelsgeschäften, u. a. mit Öl, Metallen, Rohstoffen, Kaffee, Zucker). Erst ab Mitte der 1950er Jahre stieg sie auch in das Geschäft mit Privatkunden ein.
Die Rockefeller-Familie war – wie auch die Morgans – eng mit der Politik verbandelt. Besonders mit den US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower und Jimmy Carter pflegte er enge Beziehungen, ebenso mit Henry Kissinger, mit dem er sich oft über die unterschiedlichsten politischen und wirtschaftlichen Fragen beriet. Carter bot David Rockefeller an, Finanzminister oder Vorsitzender der US-Zentralbank zu werden, was Rockefeller aber ablehnte. Davids Bruder Nelson (1908 – 1979) war zudem von 1959 bis 1973 Gouverneur des Bundesstaates New York und von 1974 bis 1977 unter Gerald Ford Vizepräsident der USA.
1996 schloss sich Chase Manhattan mit der Chemical Bank of New York (gegründet 1823) zusammen, die 1991 bereits eine weitere New Yorker Großbank (Manufacturers Hanover Trust) übernommen hatte.
2004 erwarb J.P. Morgan Chase die Bank One aus Chicago, die erst 1998 durch den Zusammenschluss der Banc One of Columbus/Ohio und First Chicago NBD (National Bank of Detroit) entstanden war, und 2008 die Investmentbank Bear Stearns & Co., die durch die Finanzkrise in Schwierigkeiten geraten war.
Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Public Domain