Markenlexikon
Im Juni 1940 veranstaltete die U.S. Army eine Ausschreibung für ein allradgetriebenes Geländefahrzeug (1/4 ton command reconnaissance truck). Über hundert Firmen waren zu diesem Wettbewerb geladen, konkrete Angebote gaben jedoch nur American Bantam und Willys-Overland ab, zwei kleine Autofirmen, die seit langem ums Überleben kämpften und im Angesicht eines lukrativen Staatsauftrages sofort an die Arbeit gingen. Die geringe Beteiligung lag in erster Linie an den unrealistischen Forderungen der Armee. Das erste Testfahrzeug sollte schon wenige Wochen später zur Verfügung stehen.
American Bantam war 1929 als Tochtergesellschaft des britischen Automobilherstellers Austin in Butler/Pennsylvania gegründet worden, gehörte aber ab 1936 einem amerikanischen Autohändler. Overland entstand 1903 als Autoabteilung des Fahrradherstellers Standard Wheel aus Terre Haute/Indiana. 1908 wurde der Autohändler John North Willys (1873 – 1935) neuer Eigentümer. Der Overland-Firmensitz befand sich zunächst in Indianapolis/Indiana und ab 1910 Toledo/Ohio.
American Bantam war die einzige Firma, die sich wenigstens halbwegs an die strengen Vorgaben hielt und deswegen den Auftrag für den Bau der ersten siebzig Fahrzeuge erhielt. Konstrukteur dieses Ur-Jeeps war der Ingenieur Karl Probst (1883 – 1963), der in Detroit eine eigene Entwicklungsfirma betrieb. Doch nach einer Werksbesichtigung in Butler/Pennsylvania kamen der Armeeführung ernste Zweifel, ob die kleine Firma in der Lage war, eine größere Serienproduktion zu übernehmen.
Inzwischen hatten auch Willys-Overland (Modell Quad) und Ford (Modell Pygmy) Testfahrzeuge hergestellt und an die Armee geliefert. Willys ging schließlich mit seinem Modell MA (Military Series A) als Sieger aus dem Rennen hervor. Noch 1941 begann bei Willys-Overland in Toledo/Ohio die reguläre Produktion. Da aber auch die Kapazitäten von Willys-Overland nicht ausreichten, stellte Ford den Willys MB (Military Series B) in Lizenz her. Auch American Bantam produzierte in Butler geringe Mengen ihres Modells BRC (Bantam Reconnaissance Car).
Bald nachdem die ersten Fahrzeuge an die Armee ausgeliefert worden waren, ließen sich die Soldaten verschiedene Spitznamen wie Beep, Blitz Buggy, Bug, Chigger, Midget, Peep, Puddle Jumper und Jeep einfallen. Dieser letzte Name geht auf die Comicfigur »Eugene – The Jeep« zurück, die erstmals 1936 in den damals sehr populären Popeye-Comics aufgetaucht war. Weil Eugene für Popeye allerlei schwierige Aufgaben löste, wurden fähige Leute in der Umgangssprache bald als Jeep bezeichnet. Zur gleichen Zeit bekamen auch mehrere Militärlastwagen, geländegängige Baufahrzeuge, Traktoren und ein Flugzeugprototyp von Boeing den Spitznamen Jeep verliehen. Als der Willys-Cheftestfahrer Irving Housemann 1941 auf einer Presseveranstaltung in Washington die Frage »What is that thing?« mit »It's a Jeep.« beantwortete, hatte das Auto in der Öffentlichkeit seinen Namen weg. Der damalige Willys-Overland-Präsident Joseph Frazer behauptete später, als es mit dem Traktorenhersteller Minneapolis-Moline zu gerichtlichen Streitigkeiten um den Markennamen Jeep kam, ihn aus den Buchstaben G und P (für General Purpose = engl. Mehrzweck) gebildet zu haben.
Während des Zweiten Weltkriegs leistete der Jeep außergewöhnlich gute Dienste. Ein General bezeichnete ihn als »Das vielseitigste Motorfahrzeug, das wir je besessen haben.« und der Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte in Nordwesteuropa und spätere US-Präsident Dwight D. Eisenhower sagte: »Der Jeep, die Douglas DC-3 Dakota und die Landungsschiffe waren die drei Instrumente, mit denen wir den Krieg gewonnen haben.« Bis zum Ende des Krieges produzierten die drei Firmen für die U.S. Army rund 600.000 Jeeps.
Danach hatte Willys-Overland wieder das alleinige Recht die Jeeps für militärische und nun auch zivile Zwecke herzustellen. Und die Nachfrage war riesengroß, nicht nur bei der Armee. 1945 kam der erste zivile Jeep vom Typ CJ-2A (CJ = Civil-Jeep) auf den Markt. Als Käuferschicht visierte die Firma vor allem Farmer an, die mit dem robusten Fahrzeug nicht nur durch unwegsames Gelände fahren und schwere Lasten ziehen, sondern mit den entsprechenden Zusatzgeräten auch pflügen konnten. Im Laufe der Jahre brachte der Hersteller neben den zivilen Jeeps (CJ-2 – CJ-7) eine ganze Jeep-Modellpalette auf den Markt (Kombis, Pickup-Trucks, Roadster); von 1956 bis 1965 gab es sogar leichte Lastwagen.
Der Auftrag für die Entwicklung eines moderneren Geländewagens für die U.S. Army ging 1951 an Ford, allerdings wurden Willys-Overland und die Nachfolgefirmen an der Produktion des M151 MUTT (1959 – 1988) beteiligt. 1964 verlagerte Kaiser Jeep die Produktion der Militärfahrzeuge in das frühere Studebaker-Werk in South Bend/Indiana.
Der Jeep wurde von mehreren Herstellern in Lizenz produziert (Hotchkiss/Frankreich, Mitsubishi/Japan, Mahindra/Indien) und er war Vorbild für den britischen Land-Rover (ab 1948), sowie für die japanischen Geländewagen Toyota Land Cruiser (ab 1951) und Nissan Patrol (ab 1951).
1953 schloss sich Willys-Overland mit Kaiser-Frazer – einem Jointventure des Großindustriellen Henry John Kaiser (Aluminiumfirmen, Baufirmen, Werften) und des Ex-Willys-Overland-Chefs Joseph Frazer, das erst kurz nach dem Ende des Krieges gegründet worden war, zusammen (Willys Motors; ab 1963 Kaiser Jeep). Von 1953 bis 1956 fertigte Willys auch wieder normale Autos, danach widmete man sich nur noch den Geländewagen und seinen Abkömmlingen. 1970 wurde die 1954 aus dem Zusammenschluss von Nash-Kelvinator und Hudson Motor entstandene American Motors Corporation (AMC) neuer Eigentümer von Kaiser Jeep.
Den militärischen Bereich gliederte American Motors 1970 in die Tochtergesellschaft AM General aus. Von 1979 bis 1985 entwickelte AM General das Kommandofahrzeug Humvee (HMMWV/High-Mobility-Multi-Purpose-Wheeled-Vehicle), das den M151 bei der U.S. Army ersetzte (ab 1992 gab es eine zivile Variante unter dem Namen Hummer). 1984 verkaufte American Motors AM General an den Luft- und Raumfahrtkonzern LTV (Ling-Temco-Vought) und zog sich damit aus dem militärischen Bereich zurück; Hintergrund für diesen Schritt waren vor allem die Bedenken, die das Pentagon mit den ausländischen AMC-Eignern hatte (AMC gehörte damals zur Hälfte dem französischen Staatskonzern Renault).
Mit der Einführung des Jeep Wrangler endete 1987 die Produktion der Civil-Jeeps (CJ), die noch auf dem alten Ur-Modell basierten. Neben dem Jeep Wrangler gibt es von Jeep noch mehrere andere Geländewagen- und SUV-Modellreihen (u. a. Cherokee, Commander, Compass, Gladiator, Grand Cherokee, Renegade, Wagoneer), die teilweise schon in den frühen 1960er Jahren produziert wurden (u. a. Wagoneer ab 1963, Cherokee ab 1974).
Da Renault in den 1980er Jahren nicht nur in den USA sondern auch in Europa mit Absatzschwierigkeiten zu kämpfen hatte, verkaufte man die AMC-Anteile 1987 an Chrysler. Gleichzeitig übernahm Chrysler auch alle restlichen Aktien von American Motors. Bis 1990 wurden Chrysler und AMC vollständig miteinander verschmolzen.
1998 schlossen sich Daimler-Benz (Mercedes-Benz) und Chrysler (Chrysler, Dodge, Jeep, Plymouth) zusammen. Von 2007 bis 2009 verkaufte DaimlerChrysler die US-Tochter an eine New Yorker Investmentfirma, sodass Chrysler vorübergehend wieder ein selbstständiges Unternehmen wurde. Infolge der weltweiten Wirtschaftskrise musste Chrysler 2009 Gläubigerschutz beantragen. Kurz darauf beteiligte sich der italienische Fiat-Konzern an Chrysler. 2014 erwarb Fiat auch die restlichen Anteile. Kurz darauf schlossen sich Fiat und Chrysler zum neuen Unternehmen Fiat Chrysler Automobiles (FCA) zusammen. 2021 fusionierten PSA (Citroën, DS, Opel, Peugeot, Vauxhall) und FCA Fiat-Chrysler Automobiles (Abarth, Alfa-Romeo, Chrysler, Dodge, Jeep, Fiat, Lancia, Maserati, Ram) zum Stellantis-Konzern.
Die Jeep-Modelle werden heute in den Stellantis-Werken Detroit/Michigan (Grand Cherokee), Goiana/Indien (Commander, Compass, Renegade), Melfi/Italien (Compass, Renegade), Ranjangaon/Indien (Compass, Meridien/Commander), Toledo/Ohio (Gladiator, Wrangler), Tolucca/Mexiko (Compass), Tychy/Polen (Avenger) und Warren/Michigan (Grand Wagoneer, Wagoneer) gefertigt.
Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Pixabay.com, Public Domain