Markenlexikon
Im Juni 1940 veranstaltete die U.S. Army eine Ausschreibung für ein allradgetriebenes Geländefahrzeug. 135 Firmen waren zu diesem Wettbewerb geladen, konkrete Angebote gaben jedoch nur American Bantam (ein ehemaliger Ableger des britischen Fahrzeugherstellers Austin) und Willys-Overland ab, zwei kleine Autofirmen, die seit langem ums Überleben kämpften und im Angesicht eines lukrativen Staatsauftrages sofort an die Arbeit gingen. Die geringe Beteiligung lag in erster Linie an den unrealistischen Forderungen der Armee. Das erste Testfahrzeug sollte schon wenige Wochen später zur Verfügung stehen.
American Bantam war 1929 als Tochtergesellschaft der britischen Austin Motor Company in Butler/Pennsylvania gegründet worden und hatte zunächst den berühmten Kleinwagen Austin Seven, den Austin in Großbritannien seit 1922 produzierte, für den US-Markt gebaut. Da sich der Wagen im Gegensatz zu Europa in Amerika überhaupt nicht verkaufte, stand die Firma 1934 vor dem Aus und wurde 1936 durch den Autohändler Roy S. Evans übernommen, der das Unternehmen in American Bantam Car Company umbenannte.
Willys-Overland entstand als Tochtergesellschaft des Fahrradherstellers Standard Wheel Company aus Terre Haute/Indiana, der für die geplante Automobilproduktion 1903 in Indianapolis die Tochtergesellschaft Overland Automative Division ins Leben rief. Bereits ein Jahr später verlor Standard Wheel jedoch wieder das Interesse und verkaufte die Firma an den Autokonstrukteur Claude Cox. 1907 bestellte der Autohändler John North Willys (1873 – 1935) bei Overland 500 Autos. Zur gleichen Zeit schlitterte Overland in eine schwere Finanzkrise, sodass das Unternehmen nicht mehr in der Lage war, die bereits bezahlten Fahrzeuge fertigzustellen. So blieb Willys nichts anderes übrig als Overland 1908 selbst zu übernehmen. 1910 verlegte er den Firmensitz von Indianapolis nach Toledo/Ohio, wo er zuvor ein Werk der bankrotten Pope Motor Company erworben hatte. Das ab 1912 als Willys-Overland Motor Company firmierende Unternehmen entwickelte sich dank sparsamer und preiswerter Modelle innerhalb kürzester Zeit zum zweitgrößten US-Automobilhersteller nach Ford. Der große Börsenkrach von 1929 und die nachfolgende Wirtschaftskrise erfasste Willys-Overland jedoch mit voller Härte. Gerade noch rechtzeitig hatte Willys 1929 seine Aktienanteile verkauft, ging dann als US-Botschafter nach Polen, kehrte aber 1932 zu Willys-Overland zurück, um das Unternehmen vor dem Untergang zu retten. 1935 starb Willys, aber die Firma bestand noch immer, obwohl man inzwischen recht kleine Brötchen backen musste.
American Bantam war die einzige Firma, die sich wenigstens halbwegs an die strengen Vorgaben hielt und deswegen den Auftrag für den Bau der ersten siebzig Fahrzeuge bekam. Konstrukteur dieses Ur-Jeeps war der Ingenieur Karl Probst (1883 – 1963), der in Detroit eine eigene Entwicklungsfirma betrieb. Doch nach einer Werksbesichtigung in Butler/Pennsylvania kamen der Armeeführung ernste Zweifel, ob die kleine Firma in der Lage war, eine größere Serienproduktion zu übernehmen. Inzwischen hatten auch Willys-Overland und Ford Testfahrzeuge hergestellt und an die Armee geliefert. Willys ging schließlich mit seinem Modell als Sieger aus dem Rennen hervor. Noch 1941 begann bei Willys in Toledo/Ohio die reguläre Produktion. Da aber auch die dortigen Kapazitäten nicht ausreichten, wurden alle drei Unternehmen an der Produktion beteiligt.
Bald nachdem die ersten Fahrzeuge an die Armee ausgeliefert worden waren, ließen sich die Soldaten verschiedene Spitznamen wie Beep, Blitz Buggy, Bug, Chigger, Midget, Peep, Puddle Jumper und Jeep einfallen. Dieser letzte Name geht auf die Comicfigur »Eugene – The Jeep« zurück, die erstmals 1936 in den damals sehr populären Popeye-Comics aufgetaucht war. Weil Eugene für Popeye allerlei schwierige Aufgaben löste, wurden fähige Leute in der Umgangssprache bald als »Jeep« bezeichnet. Zur gleichen Zeit bekamen auch mehrere Militärlastwagen, geländegängige Baufahrzeuge, Traktoren und ein Flugzeugprototyp den Spitznamen Jeep verliehen. Als der Willys-Cheftestfahrer Irving Housemann 1941 auf einer Presseveranstaltung in Washington die Frage »What is that thing?« mit »It's a Jeep.« beantwortete, hatte das Auto in der Öffentlichkeit seinen Namen weg. Der damalige Willys-Overland-Präsident Joseph Washington Frazer behauptete später, als es mit dem Traktorenhersteller Minneapolis-Moline zu gerichtlichen Streitigkeiten um den Markennamen Jeep kam, ihn aus den Buchstaben »GP« für »General Purpose« (engl. Mehrzweck) gebildet zu haben.
Während des 2. Weltkriegs leistete der Jeep außergewöhnlich gute Dienste. Ein General bezeichnete ihn als »das vielseitigste Motorfahrzeug, das wir je besessen haben.«, und der Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte in Nordwesteuropa und spätere US-Präsident Dwight D. Eisenhower sagte: »Der Jeep, die Douglas DC-3 Dakota und die Landungsschiffe waren die drei Instrumente, mit denen wir den Krieg gewonnen haben.« Bis zum Ende des Krieges produzierten die drei Firmen für die U.S. Army rund 600.000 Jeeps.
Danach hatte Willys-Overland wieder das alleinige Recht die Jeeps für militärische und nun auch zivile Zwecke herzustellen. Und die Nachfrage war riesengroß, nicht nur bei der Armee. 1945 kam der erste zivile Jeep auf den Markt. Als Käuferschicht visierte die Firma vor allem Farmer an, die mit dem robusten Fahrzeug nicht nur durch unwegsames Gelände fahren und schwere Lasten ziehen, sondern mit den entsprechenden Zusatzgeräten auch pflügen konnten. Im Laufe der Jahre brachte der Hersteller, der infolge von Fusionen mehrmals seinen Namen änderte (1912 – 1953 Willys-Overland, 1953 – 1963 Willys Motors, 1963 – 1970 Kaiser Jeep, 1970 – 1987 American Motors, 1987 – 2014 Chrysler/DaimlerChrysler/Chrysler Group, 2014 – 2021 FCA Fiat-Chrysler Automobiles, seit 2021 Stellantis), neben den zivilen Jeeps und den militärischen Varianten eine ganze Jeep-Modellpalette auf den Markt (Kombis/SUVs, Roadster, Pickups, leichte Lastwagen). Von 1953 bis 1956 produzierte Willys auch wieder normale Autos, danach widmete man sich nur noch den Geländewagen und seinen Abkömmlingen. Der Jeep wurde von mehreren anderen Herstellern in Lizenz produziert (Hotchkiss/Frankreich, Mitsubishi/Japan, Mahindra/Indien) und er war Vorbild für den britischen Land-Rover (ab 1948), sowie für die japanischen Geländewagen Toyota Land Cruiser (ab 1951) und Nissan Patrol (ab 1951).
Den militärischen Bereich gliederte American Motors 1970 in die Tochtergesellschaft AM General aus. Von 1979 bis 1985 entwickelte AM General das Kommandofahrzeug Humvee, das den Jeep bei der U.S. Army ersetzte (ab 1992 gab es eine zivile Variante unter dem Namen Hummer). 1984 verkaufte American Motors AM General schließlich. Mit der Einführung des Jeep Wrangler endete 1987 die Produktion der Civil-Jeeps (CJ), die noch auf dem alten Ur-Modell basierten. Neben dem Jeep Wrangler gibt es von Jeep noch mehrere andere Geländewagen- und SUV-Modellreihen (u.a. Jeep Cherokee, Jeep Commander, Jeep Compass, Jeep Gladiator, Jeep Grand Cherokee, Jeep Renegade). Die wichtigsten Produktionsanlagen befinden sich bis heute in Toledo/Ohio. Einige Modellreihen werden auch in anderen Chrysler-Werken gefertigt.
Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Pixabay.com, Public Domain