Markenlexikon
Im 18. Jahrhundert erlebte China seine größte Blüte. Der Kaiser in Peking herrschte über das Reich der Mitte wie ein Gott über seine selbsterschaffenen Geschöpfe. Vor allem aber hatte er sein Land gegen jeden äußeren Einfluss hermetisch abgeriegelt. Das war auch nicht besonders schwierig, denn Fremde wurden von den Einheimischen, die in ihrem Land das Zentrum der Welt sahen, noch nie mit offenen Armen empfangen. Sie galten als unkultiviert, verschlagen und vor allem als hässlich. »Was für teuflische Kreaturen« soll ein kaiserlicher Beamter entsetzt bei seinem ersten Treffen mit einer Gruppe Europäer ausgerufen haben. Zwar waren die Portugiesen schon 1517 bis nach Canton vorgedrungen und hatten Handel mit den Chinesen getrieben, doch wenige Jahre später wurden sie wegen verschiedener Piratenakte im Südchinesischen Meer wieder des Landes verwiesen. 1557 bekamen sie dann aber letztendlich einen kleinen Zipfel Land namens Macau als Handelsniederlassung überlassen. Ansonsten hatte von den chinesischen Städten nur Kanton (Guangzhou) das Recht, Handel mit ausländischen Kaufleuten zu treiben, obwohl kein Fremder die eigentliche Stadt betreten durfte, sondern seine Zelte vor den Mauern aufschlagen musste, um den Kontakt zu den Einheimischen möglichst auf ein Minimum zu beschränken.
Im 17. Jahrhundert folgten den Portugiesen die Briten, die mit dem Aufbau ihres weltweiten Kolonialreiches bereits bis nach Indien vorgedrungen waren. Die englischen Händler und Kaufleute, die in der East India Company zusammengeschlossen waren, wollten in Kanton zunächst ebenfalls nur Handel treiben. Vor allem Tee, Seide und Porzellan hatten es ihnen angetan. Doch der damalige Kaiser Qiánlóng hatte für die Produkte aus England erst einmal keine Verwendung, da er glaubte, schon alles zu besitzen, was es zu besitzen gab. Das war natürlich ein reiner Akt von Überheblichkeit gegenüber den Fremden aus dem Westen, aber seine Nachfolger waren dem Gold und Silber, das die englischen Schiffe geladen hatten, schon bald erlegen und um 1800 florierte der Handel mit China bereits.
Einige Jahre später tauchte in Kanton ein Mann namens William Jardine auf. Er stammte aus einer bettelarmen schottischen Familie. Und weil es in Schottland nicht die geringste Aussicht auf einen gesellschaftlichen Aufstieg gab, wandte er sich dem Abenteuer zu und fuhr zur See. Nachdem sein Schiff in Südafrika von Piraten überfallen worden war, floh er erst nach Indien und dann nach China. Dort tat er sich mit dem ebenfalls aus Schottland stammenden James Matheson zusammen.
Jardine soll dann – so die Überlieferung – auf die verheerende Idee gekommen sein, die Chinesen nicht mehr mit Edelmetallen zu bezahlen, sondern mit Opium. Dabei kam ihm der Umstand zugute, dass in China das Tabakrauchen verboten war. Die East India Company empfahl den Chinesen Opium als Tabakersatz. In China war Opium zwar schon früher bekannt, und es soll auch einige Süchtige gegeben haben, aber da es aufgrund der wenigen Mohnanbaugebiete nur beschränkt zur Verfügung stand, hielt sich die Unart des Opiumessens und -rauchens in Grenzen. Jardine, Matheson und andere Händler der East India Company sorgten dann aber dafür, dass das Opium in fast unbegrenzten Mengen von den britischen Plantagen in Indien über den Hafen Kanton ins Land gebracht wurde. Und noch ein Umstand förderte den Opiumhandel: In China gab es damals kein allgemeingültiges Zahlungsmittel. Das Geld wurde meist durch Waren wie Reis oder Getreide ersetzt. Im südlichen China, zwischen Kanton und Shanghai, übernahm bald das Opium diese Aufgabe. Die englischen Händler brauchten die begehrten chinesischen Waren nun nicht mehr mit kostbaren Silber zu bezahlen, sondern mit der höchst weichen Währung Opium, die in den Slums der Großstädte schneller verdampfte, als sie in Indien nachwachsen konnte.
Die Folgen ließen nicht lange auf sich warten. Bald taumelte ganz Südchina im Opiumrausch. Die Sucht machte vor niemanden Halt. Ob Bettler, Hafenarbeiter oder kaiserliche Beamte – immer mehr Chinesen verfielen dem teuflischen Stoff. Da auch die Wirtschaft des Landes unter den chaotischen Verhältnissen litt, musste der Kaiser in Peking eingreifen.
Der Opiumhandel wurde verboten; Schmuggler, Händler und Süchtige wanderten in die Gefängnisse. Darunter auch einige englische Kaufleute. Gegen Einheimische verhängte der Kaiser sogar die Todesstrafe. Die Opiumvorräte, über 20.000 Kisten, endeten im Meer oder wurden verbrannt. Die Engländer, zutiefst erbost über das eigenmächtige Handeln der Chinesen, schickten 15 Kriegsschiffe nach Kanton, um Vergeltung zu üben. Das war der Beginn des 1. Opiumkrieges (1839/42) und gleichzeitig auch der kolonialen Erschließung Chinas.
Die britischen Truppen blockierten den Hafen von Kanton und ließen auf der Insel Hongkong, 150 Kilometer südlich von Kanton gelegen, die britische Flagge hissen. Danach besetzten sie einige größere Städte, unter anderem Shanghai und Nanjing, die damalige chinesische Südhauptstadt. Das schon stark geschwächte Kaiserreich hatte dieser massiven Invasion nichts entgegenzusetzen. Im August 1842 kam es zum Friedensschluss zwischen den beiden Kontrahenten: China musste die Häfen Kanton, Amoy (Siamen), Fuzhou und Shanghai für den internationalen Handel öffnen. Außerdem wünschten sich die britischen Großhändler einen eigenen Freihafen in der Art wie das portugiesische Macau. Erst war von Formosa (Taiwan) die Rede, dann einigten sich die beiden Unterhändler Charles Elliot und Kishan auf die öde Pirateninsel Hongkong. Doch weder der Kaiser von China noch die britische Seite war mit diesem Geschäft – von dem sie angeblich nichts wußten – sonderlich zufrieden. Die beiden Unterhändler wurden für ihre Eigenmächtigkeit später zum Teufel gejagt: Elliot musste fortan am Ende der Welt, in Texas, als unbedeutender Generalkonsul Dienst tun, Kishan wurde zum Tode verurteilt, dann aber begnadigt und nach Nordchina verbannt.
Die englischen Großhändler begannen das 80 Quadratkilometer große Landstück zügig unter sich aufzuteilen. Und natürlich ging auch der Opiumhandel unvermindert weiter. Bald ließen sich in Hongkong die ersten reichen Chinesen nieder, obwohl sich Briten und Chinesen wie die Pest hassten. Der Ruf des Geldes war jedoch stärker und wenn die Chinesen von den Engländern schon sonst nichts lernen konnten, so doch wenigsten die hohe Kunst der Geldvermehrung.
1856 unternahm China noch einmal einen Versuch, den Opiumhandel einzudämmen. Kaiserliche Zollbeamte ließen das englische Schiff Arrows durchsuchen und verhafteten danach zwölf chinesische Matrosen, die in englischen Diensten standen. Dieser erneute »unerhörte Akt« gegen die Opiumhändler seiner Majestät führte zum 2. Opiumkrieg (1856/60), dem sich diesmal auch Frankreich und die USA anschlossen – schließlich war der chinesische Markt auch damals schon nicht nur für Großbritannien verlockend: Frankreich bereitete gerade die Eroberung Indochinas vor. Die alliierten Truppen zerstörten den Kaiserpalast in Peking und machten China endgültig zu einer Kolonie. Es gab zwar weiterhin einen Kaiser, aber zu sagen hatte er nichts mehr. Mehr oder weniger freiwillig musste China nun auch die Hongkong vorgelagerte Halbinsel Kaulun (Kowloon) und 235 angrenzende Mini-Inseln an Großbritannien abtreten. 1898 kam noch das Hinterland von Kaulun – die New Territories – hinzu, allerdings nur auf Pachtbasis für 99 Jahre.
Um den Opimhandel und andere Handelsgeschäfte zu finanzieren, gründeten die Briten, in Gestalt von Sir Thomas Sutherland (1834 – 1922), 1864 in Hongkong eine Bank, die sich 1865, nachdem eine Filiale in Shanghai eröffnet worden war, als The Hongkong and Shanghai Banking Corporation (HSBC) firmierte. Der in Schottland geborene Sutherland war zuvor bei der Reederei Peninsular and Oriental Steam Navigation Company (P&O) angestellt gewesen, die für die Postbeförderung zwischen Großbritannien und Indien, Ostasien sowie Australien und Neuseeland zuständig war. Nach dem 1. Opiumkrieg hatte P&O zudem mit dem Opiumhandel zwischen Bengalen und China begonnen. Die HSBC stieg schnell zur führenden Bank in Südostasien auf, mit Niederlassungen in Yokohama (ab 1866), Saigon (ab 1870), Manila (ab 1876), Singapur (ab 1877), Jakarta (ab 1884), Bangkok (1888), Colombo/Ceylon (ab 1892) und Jemulpo/Korea (ab 1897); in Thailand war sie 1888 für den Druck und die Ausgabe der ersten Banknoten des Landes zuständig.
Ab 1906 dämmten die Briten den Opiumhandel etwas ein, ganz verboten wurde er erst im Jahre 1940. Die Chinesen hatten inzwischen selbst genug Schlafmohnfelder, und das immer anrüchigere Geschäft mit dem Rauschgift ging allmählich in die Hände der Unterwelt über. Banken und Firmen wie Jardine, Matheson & Co. (die es noch heute gibt) beschäftigten sich lieber mit angeseheneren Geschäften. Britische Großhändler und chinesische Taipane arbeiteten trotz ihrer gegenseitigen Ablehnung immer enger zusammen, wobei die Chinesen bald die Oberhand gewannen.
Nur noch einmal bekam der unaufhaltsame Aufstieg des Stadtstaates am Perlfluss einen Dämpfer. Im Dezember 1941 eroberten die Krieger des japanischen Kaisers Hongkong und errichteten wie in allen ihren eroberten Gebieten eine vierjährige Schreckensherrschaft. Über die Hälfte der Bewohner floh vor den Japanern in die umliegenden Staaten. Nach dem Ende des Krieges kehrten die meisten von ihnen schnell wieder zurück und widmeten sich ihrer liebsten Beschäftigung, dem Geldverdienen. Die HSBC-Bank verlegte ihren Sitz in dieser Zeit nach London, kehrte aber 1946 nach Hongkong zurück.
Bis zu dieser Zeit diente Hongkong den Briten ausschließlich als Stützpunkt für den Handel mit China. Am 1. Oktober 1949 rief Mao Tse-tung in Peking jedoch die kommunistische Volksrepublik China aus und mischte sich Anfang der 1950er Jahre in den Koreakonflikt ein. Daraufhin beschloss die UNO unter amerikanischem Druck einen Boykott aller chinesischer Waren. Ohne das lukrative Handelsmonopol mit China musste die Handelsstadt Hongkong nun selbst zum Produzenten werden. Das war die Geburtsstunde des berühmten »Made in Hong Kong«. Und auch hier war die HSBC-Bank wieder mit von der Partie.
Nach dem 2. Weltkrieg dehnte die HSBC ihre Geschäftstätigkeit u.a. auch in den Nahen Osten (1946 Libanon, 1948 Oman, 1954 Katar, 1959 Übernahme der British Bank of the Middle East), nach Indien (1959 Übernahme der The Mercantile Bank of India, London and China) und in die USA (1955 Gründung der The Hong Kong and Shanghai Banking Corporation of California) aus.
Von 1987 bis 1992 übernahm die HSBC die Midland Bank, damals eine der vier führenden britischen Banken (neben Barclays, Lloyd's Bank, National Westminster Bank). Im Zusammenhang mit der damals größten Fusion der Bankengeschichte entstand 1991 die Holdinggesellschaft HSBC Holding plc mit Sitz in London. Damit wurde die Bank nun auch offiziell in Europa tätig. Nach der vollständigen Integration der Midland Bank in die HSBC Holding, fiel 1999 die auch der traditionelle Name weg.
Die HSBC gehört zu den 30 internationalen Großbanken, die vom Financial Stability Board (FSB) als systemrelevant (offiziell: »systemically important financial institution«) eingestuft wurden. Sie unterliegt einer besonderen Überwachung und strengeren Anforderungen an die Ausstattung mit Eigenkapital/Eigenmitteln.
Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Public Domain