Markenlexikon

His Master's Voice (HMV)

Ursprungsland: Großbritannien

Der französische Maler Francis Barraud (1856 – 1924) erbte von seinem verstorbenen Bruder Mark (1848 – 1887) einen Foxterrier namens Nipper und einen Edison-Bell-Walzenphonographen. Und immer wenn er das Gerät einschaltete, platzierte sich der Hund vor den Schalltrichter, um den knisternden Klängen zu lauschen. Ob auf der Walze tatsächlich »Seines Herren Stimme« (»His Master's Voice«) zu hören war oder nur irgendwelche Musik, ist nicht überliefert. Eine Nichte des Malers bestritt 1973, anlässlich des 75-jährigen Jubiläums des Bildes, dass es Sprachaufzeichnungen von Mark Barraud gegeben hat.

Zumindest inspirierte dieses rührende Szenario den Maler später dazu, es 1898 auf Leinwand festzuhalten. Zu diesem Zeitpunkt war Nipper allerdings schon drei Jahre tot, sodass der Maler ein älteres Foto als Vorlage verwenden musste. 1899 verkaufte er das Gemälde für damals stolze einhundert Pfund an die The Gramophone Co. Ltd. – die Londoner Niederlassung des deutsch-amerikanischen Grammophon- und Schallplattenerfinders Emile Berliner (1851 – 1929). Allerdings musste der Phonograph zuvor in ein modernes Grammophon umgemalt werden und auch der Sarg, auf dem das Gerät ursprünglich stand, verschwand verständlicherweise.

Barraud malte später noch zahlreiche Kopien seines berühmten Bildes. Von 1919 bis zu seinem Tod erhielt er von der The Gramophone Co. Ltd. und ihrer amerikanischen Schwestergesellschaft Victor Talking Machine Company eine jährliche Rente in Höhe von 250 Pfund.

Ab 1900 verwendete die The Gramophone Co. Ltd. das Gemälde als Markenzeichen in Anzeigen, auf ihren Grammophonen und auf Verpackungen von Grammophon-Zubehör. 1909 wurde es erstmals auch als Label auf die Gramophone-Schallplatten und ihrer assoziierten Gesellschaften (Deutsche Grammophon, Victor – später auch Electrola, Pathé-Marconi, RCA-Victor, Victor Company of Japan) gedruckt. In Frankreich verwendete Pathé-Marconi die französische Variante La Voix De Son Maître.

1921 eröffnete die The Gramophone Co. Ltd. unter dem Namen His Master’s Voice das erste Musikkaufhaus in der Londoner Oxford Street. 1931 ging die The Gramophone Co. Ltd. in dem neuen Elektro- und Musikkonzern EMI (Electric and Musical Industries) auf.

HMV His Master's Voice
HMV His Master's Voice

His Master’s Voice war lange Zeit das Flaggschiff-Label des EMI-Konzerns, auf dem neben klassischer Musik alles veröffentlicht wurde, was damals Rang und Namen hatte. Vielfach handelte es sich dabei um Künstler ausländischer Labels, für deren Vertrieb EMI zuständig war (Eartha Kitt, Benny Goodman, Duke Ellington, Eddy Arnold, Ella Fitzgerald, Elvis Presley, Glenn Miller, Hank Snow, Harry Belafonte, Lloyd Price, Louis Armstrong, Marilyn Monroe, Perry Como, Ricky Nelson, The Golden Gate Quartet, Tommy Dorsey).

Von 1968 bis 1990 verwendete EMI das Label His Master's Voice nur noch für klassische Musik, danach firmierte dieser Bereich als EMI Classics.

Ab Mitte der 1980er Jahre eröffnete EMI weitere HMV-Musikkaufhäuser außerhalb Großbritanniens (Australien, Deutschland, Hongkong, Irland, Japan, Kanada, Singapur, USA). 1998 wurde die HMV Group (Musikkaufhäuser, Buchhandel) aus dem EMI-Konzern ausgegliedert. Von 2013 bis 2019 betrieb HMV ein Flagschiff-Kaufhaus in der 363 Oxford Street, genau an der gleichen Stelle, wo sich von 1921 bis 2000 das erste HMV-Geschäft befunden hatte. Das lange Zeit größte Musikkaufhaus der Welt in der 150 Oxford Street (eröffnet 1986) wurde 2014 geschlossen, 2023 jedoch wieder eröffnet.

Das Markenzeichen His Master's Voice wird außer von HMV (Einzelhandel) auch noch von RCA (in Nordamerika) und JVC (in Japan) verwendet. Das Originalgemälde hing bis zur Übernahme der EMI Group durch die Universal Music Group 2011/2012 in der EMI-Zentrale in Hayes. Auf dem seit 1907 genutzten 6,9 Hektar großen ehemaligen EMI-Firmengelände, das heute den Namen The Old Vinyl Factory trägt, sind nun Gewerbeimmobilien, Wohnungen und Bildungseinrichtungen angesiedelt.

Infolge der Fusion von Universal Music und EMI musste Universal einige Teile von EMI aus wettbewerbsrechtlichen Gründen verkaufen (Chrysalis, EMI Classics, Musikverlage, Parlophone, Regal-Zonophone, Virgin Classics). Die Kataloge von EMI Classics und Virgin Classics wurden daraufhin in das Warner-Klassik-Label Erato integriert.

Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Pixabay.com, Public Domain