Markenlexikon
Der Spanier José Arechabala y Aldama (1847 – 1923) kam 1862 als Fünfzehnjähriger nach Kuba. 1878 errichtete er in Cárdenas eine kleine Zuckerrohr-Brennerei (La Vizcaya), die sich 1921 mit mehrerern anderen Destillerien zur Aktiengesellschaft José Arechabala zusammenschloss. Nachdem der Gründer verstorben war, übernahm sein Schwiegersohn José Arechabala y Sainz die Leitung des Unternehmens. Der wurde jedoch schon 1924 Opfer einer Entführung. Gabriel Malet y Rodriguez, ein weiterer Schwiegersohn, starb 1926. Auch die Witwe von José Arechabala y Sainz hatte später mit Erpressungsversuchen zu kämpfen. Da die Behörden von Cárdenas die Sicherheit der Arechabalas nicht gewährleisten konnten, gingen mehrere Familienmitglieder ins Ausland, wo sie von den Dividenden ihres Unternehmens recht gut lebten.
1935 kam erstmals der Name Havana Club auf, einerseits für eine Bar im Zentrum von Havanna, andererseits als Marke für einen neuen Rum. Auf dem Havana-Club-Logo ist bis heute das inoffizielle Wahrzeichen der kubanischen Hauptstadt abgebildet, eine weibliche Bronzefigur – La Giradilla genannt – die 1634 als Windrichtungsanzeiger auf dem Glockenturm der Festung Castillo de la Real Fuerza angebracht worden war.
1960, kurz nach der kubanischen Revolution, wurde das Unternehmen verstaatlicht; die Arechabalas, die noch in Kuba lebten, gingen daraufhin ins Exil nach Spanien und in die USA. Zwischen 1966 und 1976 ließ sich die kubanische Staatsfirma Cubaexport den Markennamen Havana Club weltweit als Warenzeichen schützen. Die früheren Eigentümer, denen die Marke in einigen Ländern noch bis 1973 gehörte, ließen den Markenschutz nicht verlängern. 1970 wurde die Rum-Produktion von Cárdenas nach Santa Cruz del Norte verlagert, wo zuvor eine neue Brennerei errichtet worden war.
1993 übernahm der französische Spirituosenkonzern Pernod-Ricard (Ballantine's, Chivas Regal, Glenlivet, Martell, Mumm, Pernod, Perrier-Jouët, Ramazotti, Ricard, Sandeman) den internationalen Vertrieb von Havana Club, was sich bald in positiven Umsatzzahlen niederschlug und den Konkurrenten Bacardí, der ursprünglich ebenfalls aus Kuba stammte, aufschreckte. Bacardí hatte bis zu diesem Zeitpunkt de facto eine Monopolstellung auf dem Weltmarkt innegehabt. Die Franzosen sind seit damals auch mit je 50 Prozent an den beiden Jointventures Havana Club Holdings (Markenrechte) und Havana Club International (Eigentümer der Brennerei, internationaler Vertrieb) beteiligt. Im Gegenzug darf die Cubaexport-Tochter Cuba Ron die Pernod-Ricard-Produkte in Kuba vertreiben.
1994 ließ sich Bacardí den Namen Havana Club in den USA schützen, obwohl die staatliche kubanische Herstellerfirma seit 1976 auch in den USA einen Schutz für die Marke besaß, dort aufgrund des US-Handelsembargos gegen Kuba aber keinen kubanischen Rum verkaufen durfte. 1995 brachte Bacardí erstmals in Puerto Rico hergestellten Havana-Club-Rum in den USA auf den Markt, was zu einem gerichtlichen Streit zwischen Pernod-Ricard/Havana Club und Bacardí führte. Bacardí machte daraufhin die Erben der ehemaligen Herstellerfirma ausfindig und erwarb 1997 von der in Liechtenstein registrierten Firma José Arechabala International die Markenrechte für die USA – obwohl diese Firma keinerlei Rechte besaß, die sie hätte verkaufen können. Darüber hinaus intensivierte Bacardí seine Lobbyarbeit bei US-Politikern, was dem Konzern besonders in Florida, wo viele Exilkubaner leben, nicht sonderlich schwer fiel. So erhielt beispielsweise Floridas Gouverneur Jeb Bush üppige Wahlkampfspenden. Dafür durften Bacardí-Lobbyisten neue Gesetze verfassen, z. B. 1998 den Omnibus Appropriations Act of 1998 (Section 211), der u. a. den Eintrag und die Verlängerung von Markenschutzrechten verbietet, die früher einmal enteigneten Kubanern gehört hatten. 2000 schaltete Pernod-Ricard die EU ein, die Beschwerde bei der Welthandelsorganisation (WTO) einlegte. 2006 erklärte das U.S. Patent and Trademark Office den 1976 von Cubaexport beantragten Markenschutz in den USA für ausgelaufen. Aufgrund des neuen Gesetzes konnte er von Havana Club auch nicht mehr verlängert werden.
Die Wiederaufnahme der diplomatischer Beziehungen zwischen den USA und Kuba führte 2015 jedoch dazu, dass Pernod-Ricard vom US-Amt zur Kontrolle ausländischer Vermögenswerte die Genehmigung erhielt, die Marke Havana Club erneut in den USA zu registrieren, was bereits geschehen ist.
Der Original Havana Club Rum wird in über 125 Ländern Ländern verkauft; die Markenrechte gehören in 183 Ländern Havana Club Holdings. Von Havana-Club gibt es verschiedene Sorten, die sich einerseits von der Farbe her unterscheiden, andererseits von der Lagerdauer. Zur Lagerung werden ausschließlich gebrauchte Whiskyfässer aus Eichenholz verwendet. Die meistverkauften Varianten sind Añejo Blanco (weiß, achtzehn Monate), Añejo 3 Años (goldgelb, drei Jahre), Añejo Especial (braun, fünf Jahre) und Añejo 7 Años (braun, sieben Jahre). Darüber hinaus gibt es von Havana Club auch höherwertige Rumsorten, z. B. den zehnjährigen Cuban Barrel Proof, den fünfzehnjährigen Añejo Gran Reserva oder den über eintausend Dollar teuren Máximo Extra Añejo, von dem jährlich nur einhundert Flaschen abgefüllt werden.
Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Pixabay.com, Public Domain