Markenlexikon

Glencore

Ursprungsland: Schweiz
Ursprungsland: Großbritannien

Der in Antwerpen als Sohn deutschsprachiger Juden geborene Marc Rich (eigtl. Marcell David Reich; 1934 – 2013) wuchs in Belgien, Frankreich und den USA auf, wo er neben der Schule in der Handelsfirma seines Vaters mitarbeitete. Das Unternehmen handelte u.a. mit Schmuck, Autoersatzteilen, Tabak und Jutesäcken, die die US Army während des Korea-Kriegs (1950 – 1953) als Sandsäcke benötige. 1954 begann er eine Lehre bei dem damals weltgrößten Rohstoffhändler Philip Brothers; dort lernte er auch seinen späteren Partner Pincus Green (* 1934) kennen. Von 1964 bis 1974 arbeitete er als Manager in der Philip-Brothers-Niederlassung in Spanien.

1974 gründete er gemeinsam mit Green in Zug/Schweiz seine eigene Firma Marc Rich + Co. AG (ab 1979 Marc Rich + Co. Holding AG), die sich in den 1970er Jahren vor allem mit dem Rohölhandel beschäftigte.

Rich gilt in der Branche als Erfinder oder zumindest Wegbereiter des Spothandels, der einerseits die Macht der sieben führenden Ölkonzerne (BP, Chevron, Exxon/Esso, Gulf, Mobil, Shell, Texaco) brach, und andererseits dazu führte, dass Öl ab Mitte der 1970er Jahre freier, effizienter und zu transparenteren Preisen gehandelt wurde.

Richs Unternehmen war jahrelang der wichtigste Rohöllieferant Israels, wobei das Öl aus dem Iran stammte. Importverbote, Sanktionen und Embargos, vor allem während der Geiselnahme in der Teheraner US-Botschaft (1979 – 1981 ), wurden geschickt umgangen. Auch das Apartheid-Regime in Südafrika belieferte Rich trotz des internationalen Embargos über Umwege mit sowjetischem Öl; die Sowjetunion selbst boykottierte das Apartheid-Regime offiziell und unterhielt zu Südafrika keine diplomatische Beziehungen. Auch mit anderen Regimen, u.a. in Algerien, Angola, Chile, Irak, Kuba, Libyen, Namibia, Nicaragua, Nigeria, Rumänien oder Zaire, hatte er keine Probleme, wenn es ums Geschäft ging. Mit Richs Hilfe stieg beispielsweise der staatliche angolanische Ölkonzern Sonagol zu einem der größten afrikanischen Ölproduzenten auf. Dabei kam seiner Firma die Neutralität der Schweiz zugute, die damals kein Mitglied der UNO war und sich generell nicht an wirtschaftlichen oder politischen Sanktionen beteiligte. Auf die Frage, ob man neutral bleiben könne, wenn man mit Diktatoren, Rassisten und korrupten Regimes Geschäfte treibt, antworte Rich einmal: »Ja, Business ist neutral. Sie können eine Handelsgesellschaft nicht aufgrund von Sympathien führen«.

1983 wurden Rich und Green durch den US-Bundesstaatsanwalt Rudolph Giuliani, den späteren Bürgermeister von New York, u.a. wegen Steuerhinterziehung, Falschaussage und dem verbotenen Iran-Handel angeklagt. Zu einem Prozess kam es jedoch nicht, da sich Rich nach Spanien absetzte, wo er in den 1960er Jahren lange gelebt hatte, und die spanische Staatsbürgerschaft annahm. Außerdem war er Staatsbürger Israels. Auf die US-Staatsbürgerschaft hatte er dagegen schon 1982 verzichtet. Rich stand jahrelang auf der Fahndungsliste der US-Bundespolizei FBI. Eine geplante Entführung des umstrittenen Geschäftsmanns durch US-Geheimagenten scheiterte 1985 und führte zu schweren diplomatischen Verwicklungen zwischen der Schweiz und den USA. 2001 wurde Marc Rich von US-Präsident Bill Clinton an seinem letzten Amtstag begnadigt. Die israelischen Politiker Schimon Peres und Ehud Barak hatten sich zuvor für ihn eingesetzt.

1981 erwarben Marc Rich und Marvin Davis (1925 – 2004), Besitzer von Ölgesellschaften und Immobilienfirmen, das Filmstudio 20th Century Fox. Da Rich ab 1983 nicht mehr in die USA einreisen konnte, verkaufte er seinen Anteil 1984 an Davis, der das gesamte Studio schließlich 1985 an den australischen Pressekonzern News Corporation (Keith Rupert Murdoch) weiterreichte.

In den 1980er Jahren stieg Rich in neue Geschäftsbereiche ein (Agrarhandel, Kohlehandel, Energie). Außerdem erwarb er Beteiligungen an Aluminiumhütten sowie Zink- und Bleiminen. Das Zinkgeschäft und die damit verbundenen Verluste brachen der Marc Rich + Co. Holding AG jedoch in den frühen 1990er Jahren das Genick. Mehrere führende Manager verließen das Unternehmen (Claude Dauphin, Eric de Turckheim, Graham Sharp, Antonio Cometti, Daniel Posen, Mark Crandall) und gründeten 1993 ein eigenes Handelhaus (Trafigura Beheer BV). Die anderen Manager drängten Marc Rich dazu, seine Anteile an der Holdinggesellschaft zu verkaufen, was dann auch geschah. Die Anteile wurden vom Management unter Leitung von Willy Strothotte übernommen. 1994 gaben sie dem Unternehmen schließlich auch einen neuen Namen: Glencore International (Global Energy Commodity and Resources). Marc Rich gründete 1995 ein neues Handelsunternehmen (MRI Trading AG).

2012 kam es zum Zusammenschluss mit dem Schweizer Bergbau-Unternehmen Xstrata plc London/Zug (bis 1999 Südelektra AG Zug), das seit 2002 an der Börse notiert war.

Die Glencore plc mit Hauptsitz in Baar (Schweiz) und registriertem Sitz in Saint Helier/Jersey (Großbritannien) gehört heute zu den weltweit führenden Rohstoffkonzernen. Die Geschäftstätigkeit umfasst die Produktion, die Verarbeitung und den Handel mit Aluminium, Aluminiumoxid, Bauxit, Blei, Eisenlegierungen, Kohle, Kupfer, Nickel, Öl und Zink sowie Agrarprodukten (u.a. Biodiesel, Getreide, Ölsaaten, Pflanzenöle, Reis, Zucker). Seit Mai 2011 ist das Unternehmen an den Börsen von London und Hongkong gelistet. Glencore hält u.a. Beiligungen an Biopetrol Industries (Schweiz), Century Aluminium (USA; Aluminium), Katanga Mining Limited (Kanada/Kongo; Kupfer, Kobalt), Minara Resources (Australien; Nickel), Mopani Copper Mines (Sambia; Kupfer, Kobalt), Rosneft (Russland; Öl) und Rusal (Russland; Aluminium).

Text: Toralf Czartowski