Markenlexikon

Getty

Ursprungsland: USA

Der Name Getty ist heute vor allem durch das gleichnamige Museum in Los Angeles und die international tätige Bildagentur Getty Images bekannt. Daneben gibt es in den USA noch ein Tankstellennetz, das zwischenzeitlich zum russischen Ölkonzern Lukoil gehörte. Im Ölgeschäft liegen auch die Ursprünge des Namens Getty. Der Anwalt George Franklin Getty (1855 – 1930) zog 1904 mit seiner Familie von Minneapolis/Minnesota in das nördlich von Texas gelegene Oklahoma-Territorium, wo zu dieser Zeit die ersten kleineren Ölquellen entdeckt worden waren. In dem damals noch jungen Geschäft konnten Unternehmer schnell reich werden, vorausgesetzt sie hatten das nötige Geld, eine gehörige Portion Rauhbeinigkeit und etwas Glück. Getty Senior erwarb bei Bartlesville/Oklohama ein Stück Land und wurde dort bald fündig. Sein Sohn Jean Paul Getty (1892 – 1976), der in Los Angeles, Berkeley und Oxford Ökonomie und Politikwissenschaften studiert hatte, arbeitete anfangs in der Firma seines Vaters, der Minnehoma Oil Company, machte sich dann aber in Tulsa/Oklahoma selbstständig. 1916 hatte er seine erste eigene Million verdient. Nach dem Tod seines Vaters 1930 übernahm Jean Paul Getty dessen Firma, die damals als George Getty Oil Company firmierte.

1932 erwarb Getty die vier Jahre zuvor gegründete Pacific Western Oil Corporation aus Los Angeles, die 1933 in dem gerade neuentstandenen Staat Saudi-Arabien eine Konzession zur Ölförderung erhielt. 1949 schloss Pacific Western Oil mit dem saudi-arabischen König Abd al-Aziz ibn Saud einen Vertrag ab, der der Firma für 60 Jahre 50 Prozent der Ölvorkommen in der Neutralen Zone zwischen Saudi-Arabien und Kuwait sicherte. Pacific Western Oil und die American Independent Oil Company (Aminoil), ein Konsortium aus mehreren Ölkozernen (u.a. Ashland Oil, Phillips Petroleum, Signal Oil and Gas), entdeckten hier 1953 das Wafra-Ölfeld, das heute zu Kuwait gehört (die Neutrale Zone wurde 1970 zwischen Saudi-Arabien und Kuwait aufgeteilt).

1956 schloss Jean Paul Getty seine zahlreichen Beteiligungen in der Ölbranche (u.a. Associated Oil, Pacific Western Oil, Tidewater Oil) in der Getty Oil Company zusammen. Die damals in den USA weit verbreiteten Tankstellen- und Ölmarken Flying A (Associated Oil) und Tydol (Tidewater Oil) wurden daraufhin nach und nach durch den neuen Namen Getty Oil ersetzt. Lediglich die vor allem in Europa verwendete Schmierölmarke Veedol überlebte. Sie wurde 1973 an Burmah Oil/Castrol verkauft und gehört heute zum BP-Konzern.

Ab Mitte der 1950er Jahre galt Jean Paul Getty als reichster Privatmann der Welt. Seine umfangreiche Kunstsammlung (u.a. antike Kunstgegenstände, Handschriften, Malerei des 15. bis 19. Jahrhunderts, Kunsthandwerk, Fotografien), die er seit den 1930er Jahren zusammengetragen hatte, brachte er 1953 in den J. Paul Getty Museum Trust ein. Das Museum war zunächst in Malibu/California ansässig. 1997 wurde es nach Brentwood, ein Distrikt von West Los Angeles, verlegt (Getty Center). Seit 1974 gibt es noch ein zweites Getty-Museum in Los Angeles (Getty Villa/Pacific Palisades). Im Getty Center sind auch das Getty Research Institute (Forschungsinstitut für Kunst- und Geistesgeschichte), das Getty Conservation Institute (Restaurierung), die Getty Foundation und das Getty Leadership Institute (Ausbildung von Führungspersonal für Museen) ansässig.

1973 sorgte der exzentrische Unternehmer für Schlagzeilen, als er sich weigerte, ein Lösegeld in Höhe von 17 Millionen Dollar für seinen in Rom entführten Enkel Jean-Paul Getty III. (1956 – 2011) zu zahlen. Erst als die Entführer das abgetrenntes Ohr seines Enkels an eine römische Zeitung schickten und mit weiteren Amputationen drohten, zahlte er schließlich nach fünf Monaten zähneknirschend 2,8 Millionen Dollar. Jean-Paul Getty II. (1932 – 2003), seinem Sohn und Vater des Entführten, sagte der hartherzige Großvater anschließend, dass es sich bei dem gezahlten Geld nur um ein Darlehen handelt, das Sohn und Enkel zuzüglich 4 Prozent Zinsen zurückzuzahlen hätten. Zwei der Entführer, Mitglieder der kalabrischen Mafia, wurden später zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt, der Großteil des Lösegeldes blieb jedoch verschwunden. Getty III., der damals mit seiner Mutter in einem italienischen Schloss lebte und in der Hippie-Szene verkehrte, konnte die Geschehnisse nie wirklich verarbeiten. Er wurde bald darauf drogen- und alkoholabhängig. Nach einem Cocktail aus Drogen, Medikamenten und Alkohol fiel er 1981 in Los Angeles in ein sechswöchiges Koma. Ein Jahr später erlitt er einen Schlaganfall. Für den Rest seines Lebens saß er gelähmt, fast blind und taub sowie artikulationsunfähig im Rollstuhl. Sein Vater Sir Jean-Paul Getty II. erwies sich als würdiges Mitglied der Familie: er musste erst per Gerichtsbeschluss dazu bewegt werden, die Behandlungskosten für seinen schwer behinderten Sohn zu übernehmen. Andererseits spendete er hunderte Millionen Dollar für wohltätige Zwecke, wofür er von der britischen Königin Elisabeth II. 1986 geadelt wurde. Der Schauspieler Paul Balthazar Getty (* 1975) ist der Sohn von Jean-Paul Getty III. und der deutschen Autorin Gisela Martine Getty. Jean-Paul Getty Senior starb 1976 auf seinem Anwesen in Großbritannien, wo er seit 1959 hauptsächlich gelebt hatte.

Die Getty Oil Company wurde 1984 an den texanischen Ölkonzern Texaco verkauft. Das Tankstellennetz in den Bundesstaaten Connecticut, Delaware, District of Columbia, Maine, Massachusetts, New Hamphshire, New Jersey, New York, Pennsylvania, Rhode Island, Vermont, Virginia und West-Virginia musste Texaco aus kartellrechtlichen Gründen 1985 an die Firma Power Test verkaufen, die sich daraufhin in Getty Petroleum umbenannte. 2001 wurde Getty Petroleum von der russischen Ölgesellschaft Lukoil übernommen. 2011 verkaufte Lukoil Getty Petroleum an die Cambridge Petroleum Holding Inc. aus Newburgh/New York.

Mark Getty (* 1960), ebenfalls ein Sohn von Sir Jean-Paul Getty II., gründete 1995 zusammen mit Jonathan Klein, dem Ex-Corporate Finance Director der britischen Hambros Bank, in Seattle die Bildagentur Getty Images. Sie gehört neben Corbis (Eigentümer: Bill Gates) zu den führenden Fotovermarktern der Welt.

Text: Toralf Czartowski