Markenlexikon

General Tire

Ursprungsland: USA

William Francis O'Neil (1885 – 1960) gründete 1909 zusammen mit Winfred E. Fouse in Kansas City/Missouri die Reifenhandelsfirma Western Rubber and Supply Company (ab 1911 Western Tire and Rubber Company), die mit Firestone-Reifen handelte. Als Firestone immer größer wurde, nahm das Unternehmen zahlreiche neue Händler unter Vertrag, was dazu führte, dass die Verkaufsgebiete der einzelnen Händler nach und nach schrumpften und damit auch Umsatz und Gewinn. Schließlich beschloss O'Neil selbst in die Reifenherstellung einzusteigen. Mit mehreren Partnern (Winfred E. Fouse, Charles J. Jahant, Robert Iredell, H.B. Pushee) und dem Geld seines Vaters, eines wohlhabenden Kaufmanns, gründeten sie 1915 in ihrer Heimatstadt Akron/Ohio, dort wo auch B.F. Goodrich, Goodyear und Firestone ansässig waren, die General Tire and Rubber Company. Die Produktion begann 1916. Der boomende Automarkt sorgte dafür, dass General Tire in den nächsten Jahren neben B.F. Goodrich, Goodyear, Firestone und US Rubber/Uniroyal zur viertgrößten Reifenfirma der USA aufstieg.

General Tire war einer der ersten Reifenhersteller, der sich mit landesweiter Werbung in Zeitungen und im Rundfunk direkt an die Autobesitzer wandte und nicht wie andere Firmen an die Autohersteller. Das führte dazu, dass Autofahrer im Falle einer Reifenreparatur, was damals noch sehr häufig vorkam, direkt zu einem General-Tire-Händler fuhren und ihre Reifen dort wechseln oder reparieren ließen. Neben Pkw-Reifen fertigte das Unternehmen von Anbeginn auch Reifen für Lkw. Später, in den 1920er Jahren, kamen noch Flugzeugreifen dazu. In den 1930er Jahren wurde General Tire Erstausstatter des Nutzfahrzeug- und Landmaschinenkonzerns International Harvester Company (IHC). Nach dem Ende des 2. Weltkriegs beliferte das Unternehmen auch im großen Stil General Motors (GM).

Die Weltwirtschaftskrise in den frühen 1930er Jahren führte dazu, dass sich General Tire nach weiteren Geschäftfeldern umsah. Die fand man in Radiosendern, bei denen das Unternehmen Werbung schaltete. General Tire kaufte in den nächsten Jahrzehnen zahlreiche Radio- und TV-Sender im ganzen Land, die in der Tochtergesellschaft General Teleradio zusammengefasst wurden. 1955 erwarb General Teleradio von Howard Hughes das Filmstudio RKO Radio Pictures. General Teleradio Pictures (so der Firmenname nach der Übernahme) war vor allem an der RKO-Filmbibliothek für seine TV-Sender interessiert. Die Kinorechte an den RKO-Filmen und das Studio in Culver City wurden schon kurz darauf verkauft, ebenso endete zu dieser Zeit die Produktions- und Verleihtätigkeit von RKO. 1959 kam es zur Umbenennung des Unternehmens in RKO General Inc., das sich nun nur noch mit dem Betrieb von Rundfunk- und Fernsehsendern beschäftigte.

1965 wurde durch eine Untersuchung der Federal Communications Commission (FCC) bekannt, dass General Tire seine unabhängigen Reifenvertretungen dazu drängte, Werbezeit bei den RKO-Fernsehsendern zu buchen. Die FCC verzichtete zwar vorerst darauf, dem Konzern die Sendelizenzen für terrestrische Fernsehsender zu entziehen, die Ermittlungen gingen in diesem Fall jedoch noch jahrelang weiter.

1945 beteiligte sich General Tire mehrheitlich an der erst 1942 gegründeten Aerojet Engineering Corporation aus Pasadena/California, einen Hersteller von Raketen, Raketentriebwerken und Treibladungen für die U.S. Air Force. Dafür gab es mehrere Gründe. Um anspruchsvollere Feststoffraketen entwickeln zu können, benötigten die Aerojet-Ingenieure zusätzliches Fachwissen in den Bereichen Materialwissenschaft, Gummibindemitteln und chemische Produktionsanlagen, was bei einem Reifenhersteller vorhanden war. Aerojet hatte auch Schwiergikeiten Kapital zu bekommen, da die Banken dieser damals neuen Branche noch nicht recht vertrauten. Nach dem Zusammenschluss von Aerojet und Crosley Motors benannte sich das Unternehmen 1953 in Aerojet General Corporation um. In den nächsten Jahrzehnten war Aerojet General mit seinen Werken und Niederlassungen in Azusa/California, Chino/California, Downey/California, Jonesborough/Tennessee und Rancho Cordova/California an der Entwicklung und am Bau zahlreicher militärischer und ziviler Raketen und Raketenantriebe beteiligt (Aerobee, Minuteman, MX, Polaris, Titan, Haupttriebwerk für das Apollo Command/Service Module, Orbital Maneuvering System für das Space Shuttle).

Unregelmäßigkeiten in der Buchhaltung von RKO General führten 1976 zu einer umfangreichen Geschäftsprüfung durch die US-Börsenaufsicht SEC (United States Securities and Exchange Commission), die wiederum neue Straftatbestände zu Tage förderten (Bestechung, Bilanzfälschung, Führung von schwarzen Kassen, Zurückhaltung von belastendem Material). 1980 entschied die FCC das RKO General als Eigentümer von Radio- und TV-Stationen untragbar geworden war und entzog dem Unternehmen daraufhin die Sendelizenz. Der Oberste Gerichtshof der USA bestätigte dieses Urteil letztinstanzlich 1982. Dennoch zog es sich noch eine Weile hin, bevor sich RKO General aus dem Rundfunksektor zurückzog. Die einzelnen Sender verkaufte die neue Holdinggesellschaft GenCorp bis 1991 nach und nach an verschiedene Unternehmen. Die 1978 von RKO General neu gegründete Filmproduktionsfirma RKO Pictures wurde 1987 an die Wesray Capital Corporation verkauft.

Da General Tire immer mehr zu einem Mischkonzern geworden war (Getränke, Fluggesellschaften, Reifen, Gummiprodukte, Hotels, Luft- und Raumfahrt, Medien, Reifen), wurde 1984 die Holdinggesellschaft GenCorp Inc. ins Leben gerufen, der die operativen Tochtergesellschaften General Tire Inc. (Reifen, Gummi), RKO General Inc. (Medien) und Aerojet-General (Luft- und Raumfahrt) untergeordnet waren. Nach einem feindlichen Übernahmeversuch durch die General Acquisition Inc. verkaufte GenCorp 1987 die Reifensparte mit sieben Werken in den USA an die deutsche Continantal AG, mit der bereits seit 1981 ein Kooperationsvertrag bestand. Continental führte General Tire als Marke fort, die General Tire Inc. wurde jedoch später in Continental Tire North America Inc. umbenannt.

Von den General-Tire-Produktionsstätten Akron/Ohio (1916 – 1983), Bryan/Ohio (1967 – 2006), Charlotte/North Carolina (1967 – 2006), Mayfield/Kentucky (1960 – 2004), Mt. Vernon/Illinois (ab 1973) und Waco/Texas (1944 – 1986) sind nur noch die Werke Mt. Vernon (Continantal) und Bryan/Ohio (Titan Tire) in Betrieb, außerdem das riesige Reifentestgelände in Uvalde/Texas (seit 1959).

GenCorp übernahm 2013 von United Technologies deren Raketensparte Rocketdyne und schloss sie mit Aerojet General zusammen (Aerojet Rocketdyne). Gleichzeitig benannte sich GenCorp in Aerojet Rocketdyne Holdings Inc. um.

Text: Toralf Czartowski

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