Markenlexikon

Flying Tiger Line / Flying Tigers

Ursprungsland: USA

Mehrere ehemalige Piloten des in Kunming (China) stationierten US-Freiwilligen-Jagdfliegergeschwaders First American Volunteer Group (auch »The Flying Tigers« genannt) gründeten 1945 in Burbank/California die National Skyway Freight Corporation. Initiator der Firmengründung war Robert William Prescott (1913 – 1978), ebenfalls ein früherer 1st-AVG-Pilot. Die anderen Gründer hießen Cliff G. Groh, Tom (Tommy) C. Haywood, Robert P. (Duke) Hedman, Link Laughlin, Ernest W. (Buzz) Loane, Robert J. (Catfish) Raine, Joseph C. Rosbert und John R. (Dick) Rossi. Die Hälfte des Gründungskapitals in Höhe von 180.000 US-Dollar steuerte der kalifornische Ölindustrielle Samuel Barlow Mosher (1892 – 1970) bei, der Eigentümer der Ölgesellschaft Signal Gasoline Company. 1947 benannte sich das Unternehmen in Flying Tiger Line um.

Da Kriegsveteranen Vorrang beim Kauf von überschüssiger Militärausrüstung hatten, gelang es Prescott zwölf Frachtmaschinen vom Typ Budd RB-1 Conestoga von der U.S. Navy zu erwerben. Allerdings drückte man bei der Navy beide Augen zu, denn die aus rund dreihundert Mann bestehende 1st-AVG war eine Art Privatarmee gewesen, die die Republik China von 1941 bis 1942 im Kampf gegen die Japaner unterstützt hatte, und die ehemaligen Piloten waren somit auch keine Veteranen. Sie hatten nicht einmal Flugzeuge vom U.S. Army Air Corps, dem Vorgänger der U.S. Army Air Force (ab 1941) und der U.S. Air Force (ab 1947), erhalten, sondern der 1st-AVG-Gründer Claire Lee Chennault (1893 – 1958) organisierte die hundert Flugzeuge vom Typ Curtiss P-40 Tomahawk selbst, da er mit Burdette Wright, dem Vizepräsidenten von Curtiss-Wright, befreundet war.

Vier der Conestogas verkaufte Prescott gleich für einen guten Preis weiter, um mit dem Geld, das der Verkauf einbrachte, die anderen Maschinen bezahlen zu können. Diese Flugzeuge, bei denen das Cockpit erstmals über dem Laderaum angeordnet war, um mehr Platz für die Ladung zur Verfügung zu haben, waren von dem Schienenfahrzeughersteller Budd während des Zweiten Weltkriegs in Philadelphia aus nichtrostendem Stahl gefertigt worden, da man während Krieges annahm, Aluminium könnte knapp werden. Als dieser Fall jedoch nicht eintrat und sich zudem die Serienfertigung verzögerte, stornierte die U.S. Army Air Force (USAAF) ihre Bestellungen und die U.S. Navy setzte ihre siebzehn Maschinen nur kurze Zeit ein. Von den acht Maschinen, die sich noch im Besitz der National Skyway Freight Corporation befanden, stürzte eine bei Forth Worth/Texas ab und diente dort noch jahrelang als Hamburger-Stand.

Der Heimatflughafen der Flying Tiger Line war zunächst der Los Angeles Municipal Airport, der spätere Los Angeles International Airport, dann ab 1946 das Lockheed Air Terminal in Burbank und ab 1963 wieder der Los Angeles International Airport. 1965 wurde auch der Firmensitz von Burbank zum Flughafen Los Angeles verlegt.

Major General Claire Lee Chennault, der frühere Kommandeur der Flying Tigers, gründete 1946 die Fluggesellschaft Civil Air Transport (ab 1959 Air America), die zunächst ebenfalls Frachtflüge durchführte, dann aber nach einer Beinahepleite vom US-Auslandsgeheimdienst CIA übernommen wurde (1950 – 1976) und vor allem während des Vietnamkriegs verdeckte Operationen in ganz Südostasien durchführte. Air America war auch in den staatlich organisierten Opiumhandel verwickelt, aus deren Gewinnen amerikafreundliche Politiker in südostasiatischen Ländern unterstützt wurden.

Die US-Streitkräfte und andere US-Regierungsbehörden waren lange Zeit einer der Hauptauftraggeber der Flying Tiger Line. Während der Kriege in Korea und Vietnam besorgte die Fluggesellschaft den Transport von Truppen und Material für die U.S. Army, zeitweise war das Unternehmen auch für die US-Postbehörde U.S. Postal Service tätig. Daneben bot die Fluglinie ab 1949 Charterflüge über den Nordatlantik an, außerdem regelmäßige Passagierflüge zwischen den US-Militärstützpunkten in verschiedenen Ländern. Auch an verdeckten Operationen war die Flying Tiger Line beteiligt, wenn auch nicht in dem Maße wie Air America. In den 1970er Jahren nahm der kommerzielle Frachtransport vor allem aus Asien immer mehr zu, während sich die militärischen Aufträge verringerten.

Die Budd Conestoga wurde schon bald durch die Douglas C-47 (DC-3; 1946 – 1951), die Douglas C-54 (DC-4; 1947 – 1957) und die Curtiss C-46 Commando (1949 – 1961) ersetzt. Später kamen weitere Typen wie die Douglas DC-6A (1953 – 1958), die Lockheed Super H Constellation (1957 – 1967) und die Canadair CL-44 (1961 – 1969) dazu. Ab Mitte der 1960er Jahre setzte das Unternehmen die strahlgetriebene Frachtversion der Douglas DC-8 (1968 – 1989) eine, außerdem die Frachtversionen der Boeing-Modelle 707 (1966 – 1969) und 727 (1967 – 1989). Die 707-Maschinen wurden bereits 1969 wieder verkauft und durch DC-8 ersetzt, die mehr laden konnte als die 707. 1974 erhielt das Unternehmen die ersten Boeing 747 (1974 – 1989).

1980 stieg die Flying Tiger Line durch die Übernahme der Seaboard World Airlines zur größten Frachtfluggesellschaft der Welt auf – zuvor hatte Pan Am diese Position innegehabt. Gleichzeit änderte man den Namen der vereinigten Fluggesellschaft in Flying Tigers; das Unternehmen selbst hieß seit 1970 Tiger International.

Von 1981 bis 1983 bot die Tochtergesellschaft Metro International Airlines mit einer Boeing-747-100-Frachtmaschine von Flying Tigers, in die man Sitze eingebaut hatte, auch Linienflüge von New York über Brüssel nach Tel Aviv an. Auftraggeber dieses Services war die kleine Fluggesellschaft Tower Air, die erst 1982 als Tochterfirma des Reiseveranstalters Tower Travel gegründet worden war und noch keine eigenes Flugzeug besaß. Ende 1983 erwarb Tower Air die Boeing-747-100 von Metro, woraufhin sich Flying Tigers aus diesem Geschäft wieder zurückzog.

Zwischen 1981 und 1986 machte die Flying-Tigers-Muttergesellschaft Tiger International große Verluste, was verschiedene Gründe hatte, u.a. die Deregulierung des US-Flugverkehrs 1978, wodurch die Fluggesellschaften nun den Gesetzen des freien Marktes unterworfen waren (zuvor hatte eine Behörde Preise, Routen und Flugpläne festgelegt), die Rezession Anfang der 1980er Jahre, steigende Ölpreise infolge der Islamischen Revolution im Iran (1979) und des 1. Golfkriegs zwischen Irak und Iran (1980 – 1988), der hohe Unterhalt der teilweise überalterten Flugzeugflotte und dringend notwendige Modernisierungen an den Flugzeugen aus Lärmschutzgründen. Das betraf vor allem die DC-8-63AF und CF; die Serien 61 bis 63 der DC-8 waren die lautesten aller Strahlflugzeuge. Bei den DC-8-73DF, die Flying Tigers bis 1989 einsetzte, handelte es sich um DC-8-63 mit neuen und leiseren Triebwerken.

1988/1989 kam es schließlich zur Übernahme durch das Transportunternehmen Federal Express (FedEx), das selbst im Frachtflugverkehr tätig war, allerdings nicht in dem Maße wie Flying Tigers. FedEx kam dadurch in den Besitz von 38 Frachtflugzeugen (Boeing 747 und 727, DC-8) sowie weiträumigen internationalen Verkehrsrechten. Der Name Flying Tigers wurde daraufhin aufgegeben. FedEx stieg durch die Übernahme zum größten Luftfrachtunternehmen der Welt auf.

Text: Toralf Czartowski