Markenlexikon
Lange Zeit war der Personenfernverkehr auf dem Landweg in Deutschland der Deutschen Bahn vorbehalten. Auf allen Strecken, auf denen es Schienenverkehr gab, durften private Busunternehmen nicht tätig werden. Lediglich auf Strecken, die mit dem Zug nicht oder nur schlecht zu erreichen waren, im Regionalverkehr, im Nachtverkehr, ins Ausland oder auf Strecken nach Westberlin waren Buslinien erlaubt. Diese Strecken wurden aber fast ausnahmslos von den Bussen der Deutschen Bahn und bis 1984 auch von der Deutschen Bundespost (Kraftpost) bedient. 1985 übernahm die Deutsche Bundesbahn diesen Geschäftsbereich der Deutschen Bundespost, mit dem vor allem ländliche Gebiete bedient wurden.
Mit Wirkung vom 1. Januar 2013 wurde diese Regulierung des Marktes aufgehoben. Daraufhin entstanden mehrere private Unternehmen, die sich in diesem neuen Markt versuchen wollten: u. a. Deutsche Post Mobility/ADAC Postbus (2013; Jointventure des Automobilclubs ADAC und der Deutschen Post), City2City (2013; Tochter des britischen Busbetreibers National Express), DeinBus.de (2009; anfangs eine Bus-Mitfahrzentrale), Flixbus (2012; anfangs GoBus genannt) und MFB MeinFernbus (2011). Das Geschäftsmodell der Neulinge bestand zumeist daraus, ein Streckennetz zu entwickeln, den Betrieb zu organisieren, Tickets zu verkaufen (über eine Online-Plattform, in Reisebüros und eigenen Geschäften in Bahnhofsnähe) und die Angebote zu vermarkten. Den Busbetrieb selbst übernahmen regionale Busbetreiber, die über Busflotten verfügten. Beide Partner teilten sich dann den Umsatz. Einige Anbieter wie Postbus und City2City verwendeten auch eigene Busse.
Am erfolgreichsten in diesem neuen Geschäft konnte sich das 2012 von André Schwämmlein (* 1981; zuvor bei der Boston Consulting Group tätig), Jochen Engert (* 1981; zuvor bei der Boston Consulting Group tätig) und Daniel Krauss (* 1983; zuvor bei Siemens und Microsoft tätig) in München gegründete Unternehmen Flixbus am Markt behaupten. Finanziert wurde das Startup u. a. von Heinz Raufer (Gründer von hotel.de), TUM Fonds (Technische Universität München), Daimler Mobility Services und Holtzbrinck Ventures. Später kamen noch weitere Investoren hinzu (Blackrock, Canyon Partners, General Atlantic, Permira, Silver Lake, TCV).
Zunächst bot Flixbus vier tägliche Linien in Süddeutschland an (im Raum München, Nürnberg, Erlangen). Da die Bustickets wesentlich billiger waren als vergleichbare Bahntickets, sprach das neue Angebot in der Anfangszeit vor allem junge Leuten und Studenten an, die auf eine gehobene Ausstattung der Busse verzichten konnten (Toiletten und WLAN gibt es immerhin in den Flixbus-Bussen). Noch im Laufe des Jahres 2013 wurde das Liniennetz auf ganz Deutschland und das angrenzende Ausland ausgeweitet.
Ab Mitte der 2010er Jahre übernahm das 2016 gegründete Flixbus-Mutterunternehmen Flixmobility (München) zahlreiche weitere Fernbusanbieter, u. a. MeinFernbus (2015), Megabus aus Großbritannien (2016; Betreiber zahlreicher Strecken in ganz Europa), Postbus (2016), Hellö aus Österreich (2017; gehörte zuvor den Österreichischen Bundesbahnen), Swebus aus Schweden (2018), Polskibus aus Polen (2018), Transdev Eurolines/Isilines aus Frankreich (2019), Kâmil Koç aus der Türkei (2019) und Greyhound Lines (2021), den Fernbusmarktführer in den USA. Dadurch dehnte Flixmobility sein weltweites Streckennetz enorm aus und wurde nebenbei auch zu einem Busbetreiber.
2017 stieg Flixmobility mit der Tochtergesellschaft Flixtrain auch in den Eisenbahnverkehr ein. Anfangs wurden die Strecken Stuttgart – Berlin und Hamburg – Köln angeboten. Auch in diesem Geschäftsfeld beschränkt sich Flixtrain auf Streckenorganisation, Ticketverkauf und Vermarktung, während die Züge von anderen Unternehmen betrieben werden. Später kamen weitere Fernstrecken wie Aachen – Berlin, Göteborg – Stockholm, Hamburg – München, Kiel – Leipzig und München – Frankfurt/Main hinzu.
Seit 2020 betreibt Flixmobility die Mitfahzentrale Flixcar, über die Autofahrer freie Plätze in ihrem Auto anbieten und Mitfahrer suchen können. Dadurch sollen Flixbus- oder Flixtrain-Kunden ihre Ziele noch besser und einfacher erreichen.
Text: Toralf Czartowski