Markenlexikon

Esprit

Ursprungsland: USA

Die damals 21-jährige Modedesignerin Susan (Susie) Russell (* 1943) aus San Francisco nahm 1964 auf einer kalifornischen Straße bei Lake Tahoe den gleichaltrigen Skifahrer Douglas Tompkins (1943 – 2015), der für die Olympischen Winterspiele in Innsbruck trainierte, als Anhalter mit. Sechs Monate später waren beide verheiratet. 1967 gründeten Susie und ihre Freundin Jane Tise die Plain Jane Dress Company. Ihre selbst geschneiderten Kreationen, die sich an europäischen Vorbildern aus den 1940er Jahren orientierten, verkauften sie an regionale Geschäfte und Warenhäuser. Als Büro diente die Wohnung der Tompkins in San Francisco, als Showroom musste ein VW-Bus herhalten. Douglas, der sich vor allem um die geschäftlichen Dinge kümmerte, eröffnete 1968 in San Francisco noch einen Outdoor-Laden (The North Face). Im gleichen Jahr kam mit dem Verkäufer Allen B. Schwartz ein weiterer Partner hinzu.

1970 wurde der Firmenname in Esprit de Corp. (in Anlehnung an frz. »esprit de corps« = Korpsgeist) geändert. 1971 gründeten Esprit und Michael Ying (eigtl. Ying Lee Yuen) eine Niederlassung in Hongkong. 1976 expandierte die Firma mit Hilfe des Düsseldorfer Unternehmers Jürgen Friedrich nach Europa. 1986 wurde in Köln das erste deutsche Esprit-Geschäft eröffnet. Allen B. Schwartz verließ die Firma 1976 (er etablierte 1982 sein eigenes Label A.B.S. by Allen Schwartz), Jane Tise blieb als Chefdesignerin bis 1979. Im gleiche Jahr entwarf John Casado das Esprit-Logo mit Hilfe einer Buchstabenschablone. In den frühen 1980er Jahren entstand in den USA das Shop-in-shop-System – kleine Ladenflächen innerhalb von Kauf- und Warenhäusern.

Nachdem sich die Gründer Ende 1989 getrennt hatten, führten Susie Tompkins, Michael Ying und Jürgen Friedrich Esprit alleine weiter. Douglas Tompkins gründete die Foundation for Deep Ecology und ging anschließend nach Chile, wo er einen knapp 300.000 Hektar großen privaten Nationalpark (Parque Pumalín) errichtete. Susie Tompkins (heute Susie Tompkins Buell) verkaufte ihre Anteile an Esprit de Corp. 1996 an eine Investorengemeinschaft. Sie ist eng mit den Clintons befreundet und war bei den Präsidentschaftswahlkämpfen von Bill Clinton (1992, 1996), John Kerry (2004) und Hillary Clinton (2008) als Spendenbeschafferin tätig.

Michael Ying, dessen Esprit Holdings seit 1993 an der Börse von Hongkong und seit 1998 an der Londoner Börse notiert ist, kaufte 1997 Esprit Europe (Düsseldorf) und 2002 Esprit de Corp. (San Francisco) sowie die restlichen Anteile an Esprit International (New York), sodass nun alle Firmenteile unter einem Dach vereint waren. Das auf den britischen Bermuda-Inseln registrierte Unternehmen wird von Düsseldorf/Ratingen aus geführt (hier werden die Kollektionen auch entworfen), der Sitz der Holding befindet sich in Hongkong und Esprit International (New York) ist für die internationalen Aktivitäten zuständig. Seit 2020 ist die Investmentfirma North Point Talent aus Hongkong Großaktionär von Esprit. Hinter North Point steht Karen Lo, die Erbin des Sojaherstellers Vitasoy.

Esprit betreibt in vielen Metropolen rund um den Globus eigene Geschäfte. Aus Nordamerika (2013) und Australien/Neuseeland (2018) zog sich das Unternehmen jedoch komplett zurück. 2020 und 2024 mussten mehrere Esprit-Tochtergesellschaften in Europa Insolvenz anmelden.

Unter den Labels Esprit und EDC (seit 1998) werden seit Mitte der 1990er Jahre auch zahlreiche Lizenzprodukte vermarktet, die jedoch von anderen Firmen stammen (u. a. Brillen, Damenschuhe, Kinderwagen, Lederaccessoires, Parfums, Regenschirme, Schmuck, Socken, Strümpfe, Taschen, Uhren). Produziert werden die mittelpreisigen Esprit-Kollektionen von Auftragsfertigern in Asien (China, Indien) und Europa (Italien, Portugal, Türkei).

Text: Toralf Czartowski