Markenlexikon

Dr. Oetker

Ursprungsland: Deutschland

Als Erfinder des Backpulvers gilt der deutsche Chemiker Justus Freiherr von Liebig (1803 – 1873). Er hatte errechnet, dass die Hefepilze, die bei der Sauerteigherstellung als biologisches Treibmittel dienen, bei der Gärung soviel Mehl verbrauchen, dass man mit dieser Menge fast eine halbe Million Menschen mit Brot versorgen könnte. 1833 kam er auf die Idee, statt der Hefe Natriumkarbonat (Natron) als chemisches Treibmittel zu verwenden. Die darin enthaltene Kohlensäure wurde mittels Salzsäure oder Weinstein freigesetzt und lockerte den Teig genauso gut, wie es die Gärgase der Hefe taten, nur ohne den enormen Mehlverbrauch. Liebigs Erfindung blieb zumindest in Deutschland zunächst weitgehend unbeachtet. Anders in den USA. Hier brachte Ebenezer Norton Horsford (1818 – 1893), einer der vielen Schüler Liebigs und Professor für Chemie an der Harvard-Universität, 1859 das Backpulver auf den Markt und wurde damit zum Millionär.

In Deutschland dauerte es noch bis 1893, bis der Bielefelder Apotheker Dr. August Oetker (1862 – 1918) sein Backin herausbrachte. Abgepackt in portionierte Tütchen, die jeweils für ein Pfund Mehl reichten, konnte Dr. Oetker zur Freude der Hausfrauen das Gelingen jedes Kuchens garantieren. Backin wurde bald in ganz Europa ein durchschlagender Erfolg, und damit auch wirklich nichts schief gehen konnte, veröffentlichte die Firma eigene Koch- und Backbücher, die jahrzehntelang zur Pflichtlektüre jeder deutschen Hausfrau gehörten – sie waren nach der Bibel die meistverkauften Bücher in Deutschland. Zu dieser Zeit hatte das Backpulver beim Brotbacken kaum noch Bedeutung; dafür wurde es nun hauptsächlich als Treibmittel für zucker- und fettreiche Backwaren sowie für Fertigmehle, Backmischungen und gefrorene Fertigteige verwendet.

Nach dem Ende des 2. Weltkriegs kaufte sich der Oetker-Konzern in zahlreiche Nahrungs- und Genussmittelfirmen ein (1959 Langnese Honig, 1966 Ültje, 1953 Schöfferhof Binding Bürgerbräu, 1958 Söhnlein Rheingold, 1960 Wodka Gorbatschow, 1975 Carstens, Selters, 1987 Henkell, 1990 Radeberger, Köstritzer, 1991 DAB, 1997 Deinhard, 2001 Henninger, 2004 Kupferberg Gold, Scharlachberg, Berliner Kindl, Brinkhoff's Nr.1, Dortmunder Union, Jever, Schultheiss, 2006 Pott Rum, 2008 Coppenrath & Wiese, 2009 Bionade, 2010 Kuemmerling, Fürst Bismarck, Jacobi 1880, 2017 Batida de Côco, 2018 Freixenet). Außerdem gründete Oetker 1954 die Condor Versicherung, 1957 die Condor Luftreederei (wurde 1961 an die Lufthansa verkauft) und die Columbus Linie (Oetker gehörte seit 1955 auch die Reederei Hamburg Süd) sowie 1991 die Optima Versicherung. Die Firmen Ültje (1997), Langnese Honig (2005), Condor Versicherung (2008), Douglas Holding (2012), Hamburg Süd (2017), Bankhaus Lampe Bielefeld (2020) wurden inzwischen verkauft.

Nachdem sich die Nachkommen von Rudolf-August Oetker (1916 – 2007) jahrelang um Einfluss und Macht im Konzern gestritten hatten, einigte sich die Oetker-Familie 2021 schließlich darauf, die Oetker-Gruppe – offiziell Dr. August Oetker KG Bielefeld – in zwei unabhängige Unternehmen aufzuteilen: Dr. August Oetker KG Bielefeld (Richard Oetker, Philip Oetker; Nahrungsmittel, Bier) und Geschwister Oetker Beteiligungen KG Bielefeld (Alfred Oetker, Ferdinand Oetker, Julia Oetker; Sekt, Spirituosen, Chemie, Hotels, Convenience-Produkte für die Backbranche, Süßwarenindustrie und Gastronomie).

Unter dem Namen Dr. Oetker werden heute vor allem Backmischungen, Backzutaten, Einmachzutaten, Eiskrem, Fertigdesserts, Joghurt (Onken), Puddingpulver, Teigmischungen, Tiefkühl-Baguettes (Bistro), Tiefkühlpizzas (Big Americans, Culinaria, Die Ofenfrische, Ristorante), Tiefkühltorten und Zerealien (Vitalis) vermarktet.

Text: Toralf Czartowski