Markenlexikon
Der dänische Ingenieur Jörgen Skafte Rasmussen (1878 – 1964) gründete 1904 in Chemnitz ein Unternehmen, das zunächst Boiler, Heizgeräte und Kesselarmaturen herstellte. 1906 kaufte er in Zschopau-Dischautal eine leerstehende Textilfabrik, in die ein Jahr später auch der Firmensitz verlegt wurde. Während des Ersten Weltkriegs produzierte das Werk Zündkapseln und Granatzünder. In dieser Zeit führte der von Rasmussen engagierte dänische Ingenieur Svend Aage Mathiesen Experimente mit Dampfkraftwagen durch, die jedoch nie realisiert wurden. Was blieb war die Abkürzung DKW (Dampf-Kraft-Wagen).
1918 erwarb Rasmussen die Rechte für den Bau eines kleinen Einzylinder-Zweitaktmotors, den der Ingenieur und Unternehmer Hugo Ruppe (1879 – 1949) als Spielzeugmotor entwickelt hatte und der eigentlich als Konkurrenzprodukt zu den damals verbreiteten Spielzeug-Dampfmaschinen gedacht gewesen war. Ab 1919 baute man die Spielzeugmotoren in vergrößerter Version als Hilfsmotor in verstärkte Fahrradrahmen ein. Diese Gefährte erfreuten sich so großer Beliebtheit, dass man sie im Volksmund »Das Kleine Wunder« nannte. Aus den Motorfahrrädern wurden 1922 richtige Motorräder und 1927 war das Unternehmen, das zu dieser Zeit als Zschopauer Motorenfabrik J. S. Rasmussen firmierte, bereits weltgrößter Hersteller auf diesem Sektor. DKW-Chefkonstrukteur Hermann Weber entwarf Ende der 1930er Jahre die RT 125, das meistgebaute deutsche Motorrad und das meistkopierte Motorrad der Welt.
Trotz des Erfolges bemühte sich der umtriebige Däne auch weiterhin um ein möglichst breites Fertigungsprogramm. 1922 gründete er die Frankenberger Metallwerke und ließ dort kleine dreirädrige Lieferwagen mit DKW-Motor herstellen (Framo). 1927 begann in Scharfenstein der Bau von Kühlschrank-Kompressoren (Das Kühl-Wunder). Seit 1918 hatte DKW auch immer wieder einzelne Automobile produziert, die jedoch erst 1928 über den Status eines Prototypen hinauskamen. Rudolf Slaby (1887 – 1953), dessen Berliner Firma SB Automobil-Gesellschaft (Slaby-Beringer) Rasmussen 1925 übernommen hatte, entwickelte 1927/1928 das erste DKW-Automobil Typ P.
Eine Sensation war der DKW F1 von 1931, der als erstes Serienfahrzeug mit Frontantrieb in die Geschichte des Automobilbaus einging. Revolutionär war vor allem sein niedriger Preis (1.700 Reichsmark), der diesen zweisitzigen Kleinwagen zu einem Vorgänger des Volkswagens machte (»Das Kleine Wunder, außen Blech und innen Plunder)«. Gebaut wurden die DKW-Fahrzeuge, die ausschließlich mit Zweitaktmotoren liefen, in den Audi Werken Zwickau (Wagen mit Frontantrieb), die Rasmussen 1928 übernommen hatte, und in einem DKW-Werk in Berlin-Spandau (Wagen mit Heckantrieb).
Die Weltwirtschaftskrise brachte jedoch Audi, DKW, Horch und die Automobilabteilung der Wanderer-Werke in Chemnitz/Siegmar in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten, sodass sich diese Unternehmen auf Druck der sächsischen Landesregierung, die den guten Ruf des sächsischen Automobilbaus erhalten wollte, zur Auto-Union (Zwickau, ab 1936 Chemnitz) zusammenschlossen, was sich auch im Logo der neuen Firma, den vier Ringen, widerspiegelte. Neben der Sächsischen Staatsbank und der Industrie-Finanzierungs GmbH war DKW-Gründer Rasmussen größter Aktionär der Auto-Union. 1933 schied er jedoch im Streit mit dem neuen Management aus, verklagte die Auto-Union mehrmals und bekam schließlich eine Abfindung von 1,6 Millionen Reichsmark. 1947 kehrte er nach Dänemark zurück.
Die Auto-Union produzierte nun Fahrzeuge der Marken Audi (Mittelklasse), DKW (Motorräder, Kleinwagen), Horch (Luxuslimousinen, Lastwagen) und Wanderer (gehobene Mittelklasse). Zwischen 1933 und 1939 wurden in den Horch-Werksanlagen auch die von Ferdinand Porsche entwickelten Grand-Prix-Rennwagen der Auto-Union gebaut, die auf den internationalen Rennstrecken zu den schärfsten Gegnern der Silberpfeile von Mercedes-Benz zählten. Während des Zweiten Weltkriegs mussten die Werke für die Rüstung arbeiten (u. a. Panzermotoren, Kettenfahrzeuge, Militärmotorräder).
1946 wurde der Auto-Union-Konzern, dessen Hauptwerke allesamt im Osten Deutschlands lagen (Chemnitz, Zschopau, Zwickau), verstaatlicht und in der Industrieverwaltung Fahrzeugbau (IFA) mit anderen Fahrzeugherstellern zusammengefasst. In den 1950er Jahren gingen daraus Firmen wie Barkas (Framo Hainichen, Wanderer Siegmar, Motorenwerk Chemnitz), MZ (DKW-Motorradwerk Zschopau) oder Sachsenring (Audi- und Horch-Werke Zwickau) hervor.
1949 kam es in Ingolstadt zur Neugründung der Auto-Union. Im Aufsichtsrat der neuen Firma saß u. a. Horch- und Audi-Gründer August Horch. Das Kapital kam größtenteils von dem Kölner Bankhaus Salomon Oppenheim Jun. sowie von Direktoren und Ingenieuren der alten Auto-Union (u. a. Richard Bruhn, Carl Hahn). Zunächst stellte man nur preiswerte Zweitaktautos und -motorräder her, die als Auto-Union und DKW in den Handel kamen. Die Marken Audi, Horch und Wanderer wurden nicht mehr verwendet. Noch im Gründungsjahr begann in Ingolstadt und einem ehemaligen Rheinmetall-Borsig-Werk in Düsseldorf die Produktion des Kleinlasters DKW F89 L und des Motorrads DKW RT 125. Der erste Nachkriegs-Pkw war der schon 1939 entwickelte DKW F9, dessen runde Karosserieform mit einigen Modifikationen bis 1963 in Produktion blieb (1950 DKW F89, 1953 DKW F91, 1955 DKW F93, 1957 Auto-Union 1000).
Von 1955 bis 1968 baute die Auto-Union für die Bundeswehr den Geländewagen DKW Munga. 1959 kam der moderne Kleinwagen DKW Junior (ab 1963 Auto-Union F11/12) auf den Markt und 1963 die Mittelklasse-Limousine DKW F102. Das gelungenste Modell war jedoch der in Kleinserie gebaute Auto-Union 1000 Sp, der stark an das Design des Ford Thunderbird angelehnt war. Von 1958 bis 1965 fertigte die die Karosserie- und Fahrzeugbaufirma Baur in Stuttgart knapp siebentausend Coupés und offene Roadster. Die rund 240 Exemplare des Sportwagens DKW 3=6 Monza wurden von 1956 bis 1958 bei den Firmen Dannenhauer & Stauss (Stuttgart), Massholder (Heidelberg) und Robert Schenk (Stuttgart-Feuerbach) gebaut.
Fehlendes Kapital, zunehmende Probleme mit dem technisch veralteten Zweitaktmotor und ein zu kleines Modellprogramm führten 1958 dazu, dass der Industrielle Friedrich Flick (Buderus, Daimler-Benz, Dynamit-Nobel, Maxhütte, Maybach) eine Mehrheitsbeteiligung an der Auto-Union erwarb, die er 1958 an Daimler-Benz weiterreichte. Gleichzeitig entstand aus dem Zusammenschluss der Motorradmarken DKW, Victoria und Express die Zweirad-Union Nürnberg. Glücklich wurden die beiden ungleichen Partner jedoch nie. Die großen Mercedes-Limousinen und die kleinen DKW mit ihren stinkenden und lauten Zweitaktmotoren passten einfach nicht zusammen.
Schließlich verkaufte Daimler-Benz die Auto-Union und das Werk in Ingolstadt zwischen 1964 und 1966 an den Volkswagen-Konzern; Daimler behielt nur das Werk Düsseldorf und die Rechte an dem Markennamen Horch, da man eine neue Konkurrenz im Oberklasse-Bereich fürchtete (inzwischen gehört die Marke wieder Audi). Die Zweirad-Union wurde an den lokalen Konkurrenten Fichtel & Sachs/Hercules Werke verkauft, der die Marke DKW noch bis Ende der 1970er Jahre auf einigen ausländischen Märkten (u. a. Italien, USA, Großbritannien) für Hercules-Motorräder verwendete (z. B. die Hercules/DKW W 2000 mit Wankelmotor).
1965 kam das Aus für die Automarke DKW. Die neuen Fahrzeuge mit Viertaktmotor trugen nun wieder den traditionellen Namen Audi, den vor allem Journalisten ins Spiel gebracht hatten; das alte Ringlogo behielt man jedoch bei. Der erste neue Audi war 1965 der Audi 72 (1965 – 1969), eine Weiterentwicklung des DKW F102 (1964 – 1966).
Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Pixabay.com, Public Domain