Markenlexikon

Decca

Ursprungsland: Großbritannien

Die Anfänge von Decca gehen in das Jahr 1832 zurück, als der in Russland geborene Barnett Samuel (1819 – 1882) in London mit dem Handel von Musikinstrumenten begann. Um die Jahrhunderwende kamen Schallplatten und Grammophone hinzu. 1914 brachte die Firma das erste tragbare Grammophon auf den Markt. Verkauft wurde es unter dem Namen Decca Dulcephone. Die Bedeutung des Namens Decca ist bis heute unklar; eine Version bringt ihn mit den Noten D, E, C, C, A in Verbindung, die auf ein Jingle von Radio Paris zurückgehen sollen, eine andere behauptet, Decca sei ein Akronym aus »Dulcet« (engl. wohlklingend) und »Mecca«. 1928 wurde die Firma Barnett Samuel & Sons von einer Investmentfirma gekauft, die das Unternehmen anschließend aufteilte: der Instrumentenhandel firmierte weiter unter dem traditionellen Namen, die Grammophon-Abteilung als Decca Gramophone Company. 1929 gab man die Herstellung von Grammophonen auf und beschäftigte sich fortan nur noch mit der Produktion von Schallplatten. Im gleichen Jahr wurde der Börsenhändler Edward Roberts Lewis (1900 – 1980) neuer Besitzer und Chef des Unternehmens, das sich nun The Decca Record Co. Ltd. nannte.

1934 rief Jack Kapp (1901 – 1949), ein ehemaliger Direktor der Plattenfirma Brunswick, in New York eine US-Niederlassung ins Leben (Decca Records). Da die britische Decca-Gesellschaft jedoch während des 2. Weltkriegs vor allem Navigationsgeräte entwickelte und produzierte (das »Decca Navigation System« wurde in den nächsten vier Jahrzehnten zum führenden europäischen Schiffs-Navigationssystem), und dafür finanzielle Mittel benötigte, wurde die US-Tochter 1939 verkauft. 1942 ging Decca Records an die New Yorker Börse. Decca London vermarktete ihre Platten in den USA ab 1947 unter dem Label London Records. Decca Records New York verwendete in Großbritannien die Sub-Labels Coral Records (ab 1949) und Brunswick (Decca Records hatte die Brunswick Radio Corporation 1941 von Warner Bros. gekauft). Zu den großen Stars von Decca Records sowie den Sublabels Brunswick und Coral gehörten u.a. Benny Goodman, Bing Crosby, Bill Haley & His Comets, Buddy Holly, Duke Ellington, Jackie Wilson, LaVern Baker, Little Richard, Louis Armstrong und The Who.

1951/1952 beteiligte sich Decca Records mehrheitlich an der Filmgesellschaft Universal International. Aufgrund des aufkommenden Fernsehens gingen in den 1950er Jahren die Besucherzahlen der Kinos jedoch zurück und damit auch die Umsätze der Filmstudios. Vor diesem Hintergrund verkaufte Decca/Universal das Universal-Studio-Gelände in Hollywood an die Music Corporation of America (MCA), eine 1924 von Jules Caesar Stein (1896 – 1981) und William Raymond Goodheart Jr. (1902 – 1960) in Chicago gegründete Künstleragentur, die seit 1939 in Beverly Hills ansässig war und Unterhaltungsstars wie Alfred Hitchcock, Benny Goodman, Bette Davis, Frank Sinatra, Fred Astaire, Gregory Peck, Greta Garbo, Henry Fonda, Ingrid Bergman, Jimmy Stewart, Joan Crawford, Lana Turner, Rock Hudson, Ronald Reagan und Tommy Dorsey unter Vertrag hatte. Mit der 1943 gegründeten Tochtergesellschaft Revue Productions, die vorerst nur Live-Shows für Radiosender produziert hatte, war MCA seit 1950 auch im Fernsehgeschäft vertreten, vor allem als Programmproduzent und ab 1958 als TV-Vermarkter von Spielfilmen (Kauf der Fernsehaustrahlungsrechte aller Paramount-Tonfilme bis 1948). Ab den 1940er Jahren war »The Octupus«, wie MCA auch genannt wurde, die größte Talentagentur der Welt, die hunderte Musiker, Filmstars, Broadway-Schauspieler, Radiostars und Regisseure unter Vertrag hatte.

Decca
Decca

1966 etablierte MCA die neue Plattenfirma MCA Records, unter deren Dach die Labels Coral, Decca, Kapp, Uni und Vocalion zusammengefasst wurden. Brunswick Records war schon 1964 an Jackie Wilson's Manager Nat Tarnopol verkauft worden. 1968 rief MCA Records eine Niederlassung in London ins Leben. 1973 wurden alle Musiklabels zugunsten von MCA Records eingestellt (erst 1994 reaktivierte MCA Decca als Country-Label). Mit Musikern und Bands wie Alice Cooper, Boston, Cher, Elton John, Kansas, Kim Carnes, Kim Wilde, Lynyrd Skynyrd, Neil Diamond, Olivia Newton-John, Nik Kershaw, Patti LaBelle, Sheena Easton, Tom Petty, Tony Christie oder Tygers of Pan Tang schaffte MCA Records den Aufstieg zu den weltweit führenden Musikkonzernen (Bertelsmann/Ariola, CBS/Columbia, EMI Records/Capitol Records, MCA Records, Philips/PolyGram, RCA Records, United Artists Records, Warner Bros. Records/WEA). Außerdem veröffentlichte MCA Records zahlreiche Soundtracks aus den Universal-Filmen und TV-Serien.

Decca London und die 1950 in Hamburg gegründete deutsche Tochter Telefunken-Decca Schallplatten GmbH (Teldec), die zur Hälfte dem Elektrokonzern AEG-Telefunken gehörte, beschäftigten sich hauptsächlich mit der Produktion klassischer Musik. Erst nachdem Decca-Chef Dick Rowe die Beatles 1962 abgelehnt hatte (die daraufhin zum Konkurrenten EMI wechselten), nahm Decca auch Pop- und Rockbands unter Vertrag (u.a. Procol Harum, The Rolling Stones, Them, Ten Years After, The Moody Blues, The Who, Thin Lizzy, Engelbert Humperdinck, Tom Jones). Von 1966 bis 1996 betrieb Decca mit Deram Records ein eigenes Progressive-Rock-Label, das neben The Move, Procol Harum und The Moody Blues, allerdings auch zahlreiche Musiker anderer Stilrichtungen unter Vertrag hatte (Bananarama, Brotherhood of Man, Cat Stevens, David Bowie, Frijid Pink, The Flower Pot Men, Ten Years After, Whistling Jack Smith, White Plains). Außerdem vertrieb Decca von 1957 bis 1971 die Platten von RCA-Victor in Großbritannien.

MCA erwarb in den 1980er Jahren erwarb noch weitere Plattenfirmen (1979 ABC Records, 1985 Chess Records, 1988 Motown [wurde 1991 wieder verkauft], 1990 GRP Records und Geffen Records), die in der 1989 gegründeten Dachgesellschaft MCA Music Entertainment Group zusammengefasst wurden.

Nach dem Tod von Edward Lewis (1980) wurde die Musikabteilung Decca London an die Philips/Siemens-Tochter PolyGram verkauft und die Marineabteilung an die britische Racal Group. Zur gleichen Zeit wurde auch das 1920 eröffnete Decca-Studio im Londoner Stadtbezirk Camden (165 Broadhurst Gardens, West Hampstead) geschlossen. Decca Marine gehörte ab 1997 zum US-Schiffbaukonzern Litton Industries, der die Firma mit seinen Tochtergesellschaften Sperry Marine und C. Plath zusammenschloss, und 2001 übernahm der Luft- und Raumfahrtkonzern Northrop-Grumman Litton. Unter dem Namen Decca vermarktet Northrop-Grumman/Sperry Marine noch immer Navigationsgeräte.

Im Zuge der Decca-Übernahme durch PolyGram (1980) und des AEG-Vergleichs (1982 – 1984) verkauften die bisherigen Gesellschafter ihre Teldec-Anteile 1982 an Sara und Jack Diemenstein, die Besitzer der Musikvertrieb AG Zürich, die das Unternehmen in Teldec Schallplatten GmbH umfirmierten. Ab 1988 gehörte Teldec zur US-Plattenfirma Warner Music, die die Firma in Teldec Record Service GmbH umbenannte. Den Teldec-Katalog übernahm das 1990 reaktivierte Warner-/Atlantic-Label EastWest Records. Das Presswerk in Northof, das zuletzt CDs, DVDs und Speicherkarten fertigte, wurde 1997 im Rahmen eines Managment-Buy-Outs verkauft, ging aber 2009 in Insolvenz.

Der MCA-Konzern, der ab 1991 zum japanischen Elektronikkonzern Panasonic und ab 1995 zum kanadischen Spirituosenkonzern Seagram gehörte, benannte sich 1996 Universal Studios um; die MCA Music Entertainment Group (Decca Nashville, Geffen Records, GRP Records, MCA Records) firmierte nun als Universal Music Group. 1998 übernahm Seagram auch die niederländische PolyGram-Gruppe (A&M, Casablanca, Decca London, Deutsche Grammophon, Island, Mercury, Philips Classics, Phonogram, Polar, Polydor, PolyStar, RSO, Vertigo, Verve), womit die Universal Music Group wieder in den alleinigem Besitz der Marke Decca kam. Aus dem Zusammenschluss der Philips Music Group (Philips Classics) und The Decca Record Co. Ltd. entstand 1999 die Decca Music Group. 2000 schloss sich Seagram mit dem französischen MIschkonzern Vivendi zusammen, der die Universal Music Group (Rechtlicher Sitz: Hilversum/Niederlande, Verwaltungssitz: Santa Monica/California) 2021 an die Amsterdamer Börse brachte.

Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Pixabay.com, Public Domain